Dr. Bettina Mecking
Die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) kennzeichnet das Erscheinungsbild der Apotheke als einen Ort, an dem Patienten erkennbar auf qualitativ hohem Niveau individuell mit Arzneimitteln versorgt und persönlich betreut werden. Dabei benutzt sie auslegungsbedürftige Formulierungen, zu denen inzwischen sowohl die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) als auch die (Länder-)Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AATB), also die Vertreter der Landesaufsichtsbehörden, ihre Einschätzung vorgelegt haben. Diese fachlichen Empfehlungen können im Streitfall wie Sachverständigenaussagen herangezogen werden.
Vorrang des Versorgungsauftrags
Laut §4 Absatz 2a Satz 2 ApBetrO muss die Offizin so gestaltet werden, „dass der Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags nicht beeinträchtigt wird“ und für die in der Offizin ausgeübten wesentlichen Aufgaben, insbesondere die Beratung, genügend Raum bleibt. Nach §2 Absatz 4 ApBetrO darf der Apothekenleiter neben Arzneimitteln und Medizinprodukten die apothekenüblichen Waren und Dienstleistungen nur in einem Umfang anbieten, der den ordnungsgemäßen Apothekenbetrieb und den Vorrang des Versorgungsauftrags nicht beeinträchtigt.
Liberalisierungstendenzen zum Trotz soll der Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags bei der Gestaltung eines ansprechenden Offizinauftritts beachtet werden. Die damit im Zusammenhang stehenden Dienstleistungen der Apotheke, insbesondere die Beratung, sollen gegenüber dem Inverkehrbringen apothekenüblicher Produkte und Dienstleistungen deutlich im Vordergrund stehen.
In ihrem Fragen- und Antworten-Katalog vom 27. Februar 2014 hat die AATB unter Frage 16 ausgeführt, dass vonseiten der Aufsicht nicht nur Beschränkungen des Nebensortiments auf Mittel, Gegenstände und Informationsträger mit unmittelbarem Gesundheitsbezug vorgenommen, sondern auch Vorgaben zum Umfang und zur Platzierung des Nebensortiments gemacht werden dürfen, sofern der Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags beeinträchtigt erscheint. Dies gelte, obwohl die Positionierung der Ware im Marketingbereich angesiedelt sei.
Demzufolge muss nicht nur der Umfang des Sortiments, sondern auch die Raumgestaltung so gewählt werden, dass für Patienten oder Kunden der wahrnehmbare Eindruck einer Apotheke gegeben bleibt. Beim Betreten der Offizin muss sofort klar sein, dass es sich um einen Ort der Arzneimittelabgabe handelt. Der HV-Tisch muss vom Eingang der Apotheke für jeden Patienten auf den ersten Blick erkennbar sein und einfach auf direktem Weg ohne „Hindernislauf“ erreicht werden können. In ihrer bereits am 17. Oktober 2012 verabschiedeten Resolution weist die APD darauf hin, dass keine Umwege durch Regale, Verkaufsständer oder -schütten erzwungen werden dürften.
Die gebotene Übersichtlichkeit kann durch eine gezielte, übersichtlich gehaltene Warenpräsentation erreicht werden. Farblich abgegrenzte Laufwege können den Kundenlauf in Richtung HV-Tisch erleichtern. Der HV-Bereich sollte verkaufsaktiv, aber nicht verkaufsaggressiv gestaltet werden. Wenn der Kunde erst einen längeren Weg durch Regalreihen wie im Drogeriemarkt zurücklegen muss, bis er am HV-Tisch angelangt ist, kann dies zu Diskussionen führen.
Vertrauliche Beratung
Die ApBetrO betont, dass andere Wartende möglichst nicht mithören können sollen, wenn Probleme und Anliegen geschildert werden. Das bedeutet aber nicht, dass alle öffentlichen Apotheken schalldichte Beratungskabinen installieren müssen. Ein so erheblicher Umbauaufwand muss nicht betrieben werden. In Apotheken wird immer jemand mithören können, wenn er sich Mühe gibt. Es geht vielmehr darum, dies „weitestgehend“ zu verhindern.
Organisierte Vertraulichkeit
Viele Patienten wünschen sich in der Apotheke eine Vertraulichkeit, die sie von Arztbesuchen kennen. Der Apotheker als Kaufmann bedarf der Diskretionszone kaum, der Apotheker als Heilberufler, der notwendige Fragen stellt und speziell zum einzelnen, für diesen Patienten bestimmten Arzneimittel berät, auf jeden Fall.
Die Beratung hat in einem diskreten Umfeld stattzufinden. Die Vertraulichkeit der Beratung ist bei jedem Gespräch und bei jeder Abgabe von Arzneimitteln in der Apotheke zu gewährleisten. Besonders, wenn Patienten zu intimeren Krankheitsbildern beraten werden wollen, muss für einen entsprechend geschützten Rahmen gesorgt werden, wenn der übliche Diskretionsabstand nicht ausreichen sollte. Der Patient soll grundsätzlich von dieser Vertraulichkeit ausgehen können und nicht erst darum bitten müssen. Abgeschirmte oder abgetrennte Bereiche oder Räume in der Offizin ersetzen nicht die erforderliche Vertraulichkeit der Beratung am HV-Tisch und kommen nur als Ergänzung in Betracht, etwa für ausführliche Beratungsgespräche, für physiologisch-chemische Untersuchungen oder zum Anpassen von Kompressionsstrümpfen.
Die APD hatte in ihren Eckpunkten zur einheitlichen Umsetzung und Überwachung der neuen ApBetrO einen Mindestabstand zwischen den einzelnen Bedienplätzen von jeweils zwei Metern eingefordert. Sicherlich kann eine derartig starre Regel jedoch kaum jeder Apotheke aufgezwungen werden, denn nicht jede Offizin verfügt überhaupt über ausreichend Platz.Bauliche Veränderungen sind somit nicht zwingend erforderlich.Jeder Betriebserlaubnisinhaber sollte sich jedoch über zumutbare Gestaltungen seiner Offizin Gedanken machen.
Die AATB gibt in ihrem Fragen- und Antwortenkatalog bei Frage 17 keinen solchen Mindestabstand vor. In bestehenden Apotheken könne die Vertraulichkeit häufig bereits durch organisatorische Maßnahmen zumindest grundlegend verbessert werden, z.B. durch farbliche Kennzeichnungen auf dem Fußboden oder durch das Aufstellen von Abtrennungen zwischen den HV-Tischen. Neue Apotheken müssten jedenfalls bereits durch bauliche Maßnahmen ausreichende Vertraulichkeit bieten.
Auch wenn eine innenarchitektonische Lösung der Königsweg ist, so können Diskretionszonen in jeder Apotheke schnell und preiswert eingerichtet werden. Oft reicht es schon aus, auf dem Boden mit einem Klebeband eine Wartelinie zu markieren. Die Kunden kennen dies von Banken oder der Post und akzeptieren solche Abtrennungen schnell. Auch ein einfaches Hinweisschild, auf dem HV-Tisch oder als Bodenständer, zeigt gute Erfolge. Ein bestehender durchgehender HV-Tisch kann mit Trennwänden oder Ständern in zwei oder drei „Beratungsbuchten“ unterteilt werden. Zusätzlich kann die Abtrennung durch Regale aus dem Freiwahlbereich, die an den HV-Tisch herangeschoben werden, verstärkt werden. Apothekenausstatter bieten entsprechendes Werbematerial wie Klebebänder, Fußmatten oder Ständer. Ergänzend dienen schallschluckende Maßnahmen wie Akustikdecken oder Teppichböden ebenfalls der Erhöhung der Vertraulichkeit.
Die Wartezeiten für die Kunden verändern sich nicht, sondern nur der Ort, an dem gewartet wird. Die Wartezone, etwa im Freiwahlbereich, kann attraktiv gestaltet werden. So kann die Apotheke dort Informationsbroschüren auslegen oder Sitzgelegenheiten anbieten.
Welche Kombination der verschiedenen Maßnahmen für die jeweilige Apotheke sinnvoll und erforderlich ist, sollte vor der Umsetzung am besten mit der zuständigen Aufsichtsbehörde besprochen werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(18):11-11