Probezeit und Probearbeitsverhältnis

Drum prüfe, wer sich ewig bindet...


Jasmin Theuringer

Bei Abschluss eines Arbeitsvertrags stehen sich in der Regel zwei Fremde gegenüber. Arbeitgeber und potenzieller neuer Mitarbeiter verspüren daher gelegentlich den Wunsch, sich gegenseitig bzw. die neue Arbeitsstelle vor Vertragsabschluss zunächst näher kennenzulernen.

Üblicherweise wird bei Abschluss eines Arbeitsvertrags vereinbart, dass die ersten drei bis sechs Monate als Probezeit mit einer verkürzten Kündigungsfrist gelten. Passen die Parteien nicht zueinander, ist eine kurzfristige Trennung in der Regel möglich, zumal auch das Kündigungsschutzgesetz erst nach einer Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten greift.

Einfühlungsarbeitsverhältnis

Neben der klassischen Probezeit bietet sich auch eine Probearbeit an. Diese wird häufig fälschlicherweise als ein Probearbeitsverhältnis bezeichnet, juristisch korrekt heißt es jedoch Einfühlungsarbeitsverhältnis. Ein Einfühlungsarbeitsverhältnis ist dabei kein Arbeitsverhältnis, sondern ein loses Rechtsverhältnis eigener Art (z.B. Landesarbeitsgericht Hamm, 15 Sa 18/89). Es ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien keine gegenseitigen Pflichten eingehen möchten, es fehlt sowohl an der Arbeitspflicht des Bewerbers als auch an der Verpflichtung des potenziellen Arbeitgebers, für die Anwesenheit des Bewerbers im Betrieb eine Vergütung zu zahlen. Dabei kommt es jedoch weniger darauf an, wie „das Kind genannt“ wird, entscheidend ist vielmehr vor allem, wie sich das Verhältnis zwischen den Parteien in der Praxis darstellt.

Beispiel: Apothekenleiter A vereinbart mit der Bewerberin B, dass diese zunächst einmal für eine Woche in seiner Apotheke zur Probe arbeitet. Für den Fall des beiderseitigen Einverständnisses soll anschließend ein Arbeitsvertrag ge- schlossen werden. Bereits nach einigen Tagen ahnt A, dass B nicht in seine Apotheke passt, und erklärt, sie brauche von nun an nicht mehr zu kommen.

Aufgrund der Vereinbarung, dass B in der Apotheke mitarbeitet, spricht hier einiges für ein Arbeitsverhältnis, auch wenn diese Mitarbeit der gegenseitigen Erprobung dienen sollte. Wenn B in den Betrieb der Apotheke eingegliedert wurde, dort konkrete Tätigkeiten erbrachte und auch insbesondere den Weisungen des A hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Tätigkeit unterlag, kann von einem Einfühlungsarbeitsverhältnis keine Rede mehr sein.

Dann aber gelten auch sämtliche Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis und A hat eine Kündigungsfrist einzuhalten. Es wird daher nicht möglich sein, B von einem Tag auf den anderen zu entlassen.

Variante: B ist zwar damit einverstanden, auf die Einhaltung einer Kündigungsfrist zu verzichten, verlangt aber eine Vergütung für ihre Tätigkeit.

Auf die Einhaltung einer Kündigungsfrist kann einvernehmlich verzichtet werden. Das hindert B aber nicht, für ihre Tätigkeit eine Vergütung zu verlangen. Wurde zu Beginn des Arbeitsverhältnisses nicht darüber geredet, so schuldet A die „übliche Vergütung“ – nach herrschender Rechtsprechung die tarifliche Vergütung.

Beispiel: A vereinbart mit der nächsten Bewerberin C, dass sie einen Monat lang Gelegenheit haben soll, sich in der Apotheke um- zuschauen und das Team ken- nenzulernen. Sie soll jeweils morgens mit Öffnung der Apotheke erscheinen und bis zum Mittag bleiben. A erklärt, er erwarte keine Arbeitsleistung, zahle im Gegenzug auch keine Vergütung. Nach Ablauf des Monats nimmt A vom Ab- schluss eines Arbeitsvertrags Abstand. C verlangt daraufhin von A eine Vergütung für die in der Apotheke verbrachte Zeit.

Auch wenn C nicht verpflichtet gewesen ist, in der Apotheke mitzuarbeiten, so spricht bereits die konkrete Festlegung der Anwesenheitszeiten für ein Arbeitsverhältnis. Insbesondere aber die Dauer von einem Monat ist mit dem Gedanken des gegenseitigen Kennenlernens nicht mehr in Einklang zu bringen. Damit ein Einfühlungsarbeitsverhältnis als unbezahlte Kennenlernphase angenommen werden kann, sollte dieses nicht länger als eine Woche andauern. Neben einer Anwesenheitspflicht sind auch das Erteilen konkreter Weisungen, die über die bloße Ausübung des Hausrechts hinausgehen, sowie das Beanstanden erbrachter Tätigkeiten klare Hinweise auf ein vergütungspflichtiges Arbeitsverhältnis.

Beispiel: Die Bewerberin D hat einige Jahre ihren Kindern zuliebe pausiert und möchte nun in ihren Beruf als PTA zurück. A vereinbart daher mit ihr, dass sie zunächst ein „Praktikum“ bei ihm absolvieren könne und bietet ihr für ihre Tätigkeit die tarifliche Ausbildungsvergütung für PTA-Praktikanten an.

Nach einer mehrjährigen Pause wird D sicherlich eine längere Einarbeitungszeit benötigen als andere Arbeitnehmer. Das rechtfertigt jedoch nicht, für die Tätigkeit lediglich eine Ausbildungsvergütung zu zahlen. Eine Ausbildungsvergütung liegt deutlich unterhalb der üblichen Tarifgehälter. Dies ist allein dadurch gerechtfertigt, dass der Arbeitgeber neben der Vergütung auch die Ausbildung schuldet. Es steht also nicht die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit im Vordergrund, sondern der Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen.

Davon zu unterscheiden ist eine notwendige Einarbeitungszeit, auch wenn diese intensiver als gewöhnlich ausfallen mag. Ein Praktikum ist darüber hinaus Teil einer systematischen Gesamtausbildung und regelmäßig für den Ausbildungsabschluss notwendig. Da all diese Voraussetzungen nicht vorliegen, kann keine wirksame Vereinbarung über das Ableisten eines Praktikums zwischen A und D getroffen werden. Hinzu kommt, dass eine außerhalb eines geregelten Praktikums gezahlte Ausbildungsvergütung regelmäßig gegen den ab 1. Januar 2015 zu beachtenden Mindestlohn verstoßen wird.

A könnte stattdessen von der Regelung in §17 Ziffer 8 des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter Gebrauch machen und D für die ersten Monate ihrer Beschäftigung ein untertarifliches Gehalt zahlen.

Beispiel: F ist nach längerer Krankheit teilweise erwerbsunfähig, möchte aber gerne zumindest einer Teilzeitbeschäftigung als Apothekenbote nachgehen. Er bittet A, vor Abschluss eines Arbeitsverhältnisses zunächst für einige Tage dessen Fahrer bei den Botenfahrten begleiten zu dürfen. Er möchte so herausfinden, ob er dieser Tätigkeit gewachsen ist.

Bei der Frage, ob es sich um ein unentgeltliches Einfühlungsarbeitsverhältnis handelt, kommt es auch auf die Motivation des Bewerbers an (z.B. Arbeitsgericht Düsseldorf, 4 Ca 386/04). Will der Bewerber selbst herausfinden, ob er den Belastungen des Arbeitsalltags gewachsen ist, spricht einiges für ein unentgeltliches Einfühlungsverhältnis.

Fazit: Sollen keine gegenseitigen Verpflichtungen begründet werden und geht es ausschließlich um das gegenseitige Kennenlernen, kann ein unentgeltliches Einfühlungsarbeitsverhältnis vereinbart werden. Dabei ist zu beachten, dass dieses nicht länger als eine Woche andauert und der Bewerber nicht verpflichtet wird, konkrete Arbeitsleistungen zu erbringen. Zudem sollten keine festen Arbeitszeiten vereinbart oder ein pünktliches Erscheinen verlangt werden. Um späteren Missverständnissen vorzubeugen, die insbesondere dann nahe liegen, wenn es anschießend nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags kommt, sollte vor Beginn des Einfühlungsarbeitsverhältnisses eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden.

Geht es hingegen darum, auch die fachliche Qualifikation des Bewerbers zu prüfen, was in der Regel nur im Rahmen einer vollständigen Eingliederung in den Apothekenbetrieb sinnvoll erscheint, ist entweder ein befristetes Probearbeitsverhältnis zu vereinbaren oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit klassischer Probezeit. In beiden Fällen ist die Tätigkeit aber vergütungspflichtig.

Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40213 Düsseldorf, E‑Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(20):10-10