Steuer-Spartipp

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Übertragung der Apotheke auf die nächste Generation


Helmut Lehr

Das Bundesverfassungsgericht hat nach mehrjähriger Verfahrensdauer in seinem Urteil vom 17. Dezember 20141) bestimmte Regelungen des derzeitigen Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Wer seine Apotheke alsbald im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge übertragen möchte, stellt sich jetzt zwangsläufig die Frage, welche Auswirkungen diese Rechtsprechung konkret haben kann bzw. wird.

Um es vorwegzunehmen: Die Folgen des Richterspruchs sind derzeit noch nicht im Einzelnen absehbar, weilnun der Gesetzgeber gefragt ist. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Übertragung sollte ohnehin mit dem (steuer)rechtlichen Berater erörtert werden. Dazu ist es für Apothekeninhaber allerdings wichtig, vorab die Rahmenbedingungen einzuschätzen und mögliche Handlungsoptionen zu kennen.

Hintergrund des Urteils

Allgemein war erwartet worden, dass das Bundesverfassungsgericht die besonderen Begünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen (z.B. Apotheke) als verfassungswidrig einstufen wird. Hervorzuheben und für Apothekeninhaber bedeutsam ist nach derzeitigem Recht vor allem der Verschonungsabschlag von 85% bzw. 100% für begünstigtes Betriebsvermögen, der ggf. an eine mehrjährige Fortführung des Betriebs bei Erhalt der Arbeitsplätze gekoppelt ist. Dies wird anhand der Lohnsummen in den Folgejahren überprüft (sog. Lohnsummenregelung). Reduziert sich die Lohnsumme nach Übertragung/Schenkung des Betriebs in einem gewissen Umfang, geht die ursprüngliche Steuervergünstigung bzw. Steuerfreistellung nachträglich anteilig verloren.

Hinweis: Auf eine Prüfung der Lohnsummen (= Erhalt der Arbeitsplätze) in der Zeit nach der Übertragung wird bislang bei Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten verzichtet.

Einzelheiten der Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht hat die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Vergünstigungen bei der Übertragung von Betriebsvermögen dem Grunde nach bestätigt und lediglich einzelne Aspekte der geltenden Regelungen beanstandet. Der Gesetzgeber hat nun bis zum 30. Juni 2016 Zeit, insoweit eine neue, verfassungskonforme Regelung zu treffen. Es liegt aber durchaus im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden (z.B. Apotheken), zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze auch weiterhin steuerlich zu begünstigen.

Hinweis: Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts ist es allerdings unverhältnismäßig, dass Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung der Mindestlohnsumme (=Erhalt der Arbeitsplätze) bislang generell ausgenommen werden.

Rückwirkende Änderungen?

Auch wenn das Gericht dem Gesetzgeber bis 30. Juni 2016 Zeit gibt, eine Neuregelung zu treffen, bedeutet das leider nicht, dass bis dahin die derzeit geltenden Begünstigungen definitiv weiter Bestand haben. Im Urteil wird nämlich auch darauf hingewiesen, dass gegenüber einer auf den 17. Dezember 2014 oder einen späteren Zeitpunkt rückwirkenden Neuregelung kein Vertrauensschutz besteht – zumindest bei exzessiver Ausnutzung der bisherigen Steuervergünstigungen. Da allerdings die „steuerliche Struktur“ klassischer Apotheken nicht auf eine exzessive Ausnutzung von Erbschaft- bzw. Schenkungsteuervorteilen ausgerichtet ist, dürfte eine rückwirkende belastendere Regelung für die „Apothekenübergabe“ aus heutiger Sicht nicht sehr wahrscheinlich sein.

Hinweis: Die Verschonungsregelungen in ihrer bisherigen Form werden somit zumindest bei Übertragungen, die bis zum 16. Dezember 2014 erfolgt sind, voraussichtlich weiter zur Anwendung kommen. Nach diesem Datum vorgenommene Übertragungen von Apotheken im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge dürften bis zum Inkrafttreten der Neuregelung voraussichtlich ebenfalls noch nach bisherigem Recht „begünstigt“ sein.

Mittelfristige Auswirkungen für Apothekeninhaber

Positiv ist die Aussage des Gerichts, dass die Begünstigung betrieblicher Vermögen im Zuge der Unternehmensnachfolge zulässig ist. Allerdings muss die derzeit nur für Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern anzuwendende Lohnsummenregelung zumindest nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts künftig auch für Klein- bzw. Kleinstbetriebe gelten. Davon ausgenommen werden dürften nur Unternehmen mit „einigen wenigen Beschäftigten“.

Soll die Apotheke nach Inkrafttreten der Neuregelung auf die nachfolgende Generation übertragen werden, ist deshalb aus heutiger Sicht damit zu rechnen, dass eine (weitgehende) Freistellung für Betriebsvermögen von der Schenkungsteuer nur erfolgen kann, wenn in den ersten Jahren nach der Übertragung (vermutlich wie bisher fünf bzw. sieben Jahre) die Lohnsummenregelung erfüllt wird, sprich die Arbeitsplätze ganz überwiegend erhalten bleiben.

Hinweis: Um Streitigkeiten zu vermeiden, liegt es nahe, dass der Gesetzgeber ausdrücklich regeln wird, bis zu welcher Mitarbeiterzahl („einige wenige“) ein Betrieb auch weiterhin ohne Beachtung der Lohnsummenregelung steuergünstig übertragen werden kann. Sollte diese Zahl beispielsweise bei „fünf“ liegen, könnten womöglich kleine Apotheken auch zukünftig ohne Auflagen von den Verschonungen profitieren.

Fazit: Die Bundesregierung hat kurz nach Urteilsveröffentlichung bereits mitgeteilt, dass sie die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen aus betriebs- und volkswirtschaftlichen Gründen für notwendig erachtet. Zumindest kleinere Unternehmen, wozu Apotheken regelmäßig gehören, dürften daher darauf vertrauen können, dass die bisherigen „Befreiungen“ wenigstens dem Grunde nach dauerhaft erhalten bleiben, wenngleich die Ausgestaltung im Einzelnen derzeit offen ist.

1) Aktenzeichen 1 BvL 21/12.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(03):18-18