Prof. Dr. Reinhard Herzog
Ungeachtet aller äußeren Einflussfaktoren und des hohen Grads an Fremdbestimmung: Den bedeutendsten Erfolgsfaktor sehen Sie täglich morgens im Spiegel, das sind nämlich Sie selbst! So gibt es unzählige Beispiele dafür, dass sich allein durch einen Inhaberwechsel Umsätze drastisch reduziert haben oder aber auch förmlich in die Höhe geschossen sind, bis hin zur Verdoppelung und Verdreifachung binnen weniger Jahre. Und das trotz im Wesentlichen kaum veränderter Randbedingungen.
Persönlichkeit entscheidend für Erfolg oder Misserfolg
Das heißt: Die Person entscheidet in außerordentlichem Maße, und zwar die richtige Person am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Neben Standortfaktoren ist es die Persönlichkeit des Unternehmers, die über den Erfolg oder Misserfolg richtet. Dabei gibt es nicht die einzig „richtige“ Apothekerpersönlichkeit. Je nach Umgebungsfaktoren passt auf beinahe jeden Topf ein Deckel, will heißen, wer z.B. ziemlich sicher in der großen Centerapotheke scheitern oder zumindest das Potenzial nicht annähernd ausschöpfen dürfte, kann in einer Landapotheke durchaus sein Glück finden und ein gutes Auskommen erzielen. Denn die Apothekenlandschaft ist einfach zu vielgestaltig, als dass man das „Manager-Schema F“ empfehlen könnte.
Erster Schritt: Selbsterkenntnis
Das verlangt jedoch zuerst nach einer guten Portion Selbsterkenntnis: Wo passe ich hin? Dabei sollten Sie sich nicht von Zukunftsprognosen und Angst leiten lassen („Landapotheken haben keine Zukunft“, „Centerapotheken sind immer Hochrisiko-Objekte“), und auch nicht von teilweise tatsächlich sehr hohen Gewinnerwartungen. Das verstellt den Blick! So rät man ja jungen Menschen auch, bei der Berufswahl nicht vorderhand auf Jobsicherheit und Einkommenschancen zu schielen.
Wie schnell das danebengehen kann, zeigen die vielen „Schweinezyklen“: Heute das Lehramt, den Ingenieursberuf, die Banker-Karriere empfohlen, alle stürzen sich darauf, und am Ende ist das Überangebot da. Strukturveränderungen oder Branchenkrisen tun das Ihrige dazu, dass aus blendenden Aussichten plötzlich massive Jobprobleme werden.
Schauen Sie also zuerst: Was liegt mir? Wo kann ich meine Fähigkeiten am besten entfal-ten? Was passt am ehesten in mein Lebenskonzept, das ja noch ein Privatleben umfasst?
Wer eben kein Managertyp ist, es nicht so mit Zahlen und Marketing, dafür aber mit persönlichen Kontakten und Vereinsleben hat, sollte vielleicht nicht unbedingt die große Lauflagenapotheke in starker Konkurrenzumgebung präferieren. Und wer sich beispielsweise aus der mehrjährigen Tätigkeit in einer Krankenhausapotheke heraus selbstständig machen möchte und nach wie vor einen starken pharmazeutischen und klinischen Bezug hat, wird mutmaßlich in einer Ärztehausapotheke besser aufgehoben sein als am Hauptbahnhof einer Großstadt.
Meist tendieren die Menschen von sich aus, quasi „instinktiv“, in die richtige Richtung, sodass sich diese Zeilen erübrigen sollten. Leider kommen aber oft externe Faktoren dazu, die den Blick für das eigentlich Richtige verstellen: Der Partner, der Sie drängt, doch endlich richtig durchzustarten, der berühmte „Gierfaktor“ (kleiner Mann einmal ganz groß...) oder der attraktive Ort vernebelt die Sinne und lässt über offenkundige Probleme hinwegsehen. Manch einer ist schlicht auf der Flucht, weil der Jobverlust oder eine bereits gescheiterte Apotheke schnell ein neues Objekt erfordert. Durch all das weicht dann die eigentlich funktionierende innere Kompassnadel in andere Richtungen ab, doch das rächt sich häufig bitter.
Universale Erfolgseigenschaften!?
Nichtsdestotrotz gibt es Eigenschaften, die unabhängig von Standort und Betriebsgröße relativ gut mit dem (Miss-)Erfolg korrelieren (so wie übrigens eine überdurchschnittliche Intelligenz ein bedeutender, gut untersuchter Erfolgsfaktor ist). Und es lohnt sich, darüber nachzudenken. Zwar lässt sich eine Persönlichkeitsstruktur nicht mehr grundlegend ändern. Doch man kann am Profil arbeiten, Ecken etwas abrunden, andere schärfen, und man muss nicht laufend in die Fettnäpfchen treten, die man in Kenntnis seiner Schwächen vorhersehen könnte.
Fangen wir hier wieder mit einer entscheidenden Frage an: Was sollte einen Unternehmer gegenüber einem Angestellten auszeichnen? Diese scheinbar triviale Frage hat zwei wesentliche Facetten.
Zum einen: Welche Eigenschaften ermöglichen Ihnen, mehr als ein vergleichbarer Angestellter zu erreichen und über diesen hinauszuwachsen? Ohne eine plausible Antwort stünde nämlich die Überlegung im Raum, ob eine Angestelltenposition nicht besser wäre.
Zum anderen: Wie zeigen Sie diese Eigenschaften nach außen, sodass Ihre Mitarbeiter Sie aufgrund dieser Fähigkeiten als natürliche Autorität, als echte, authentische Führungskraft akzeptieren? Auch das ist ein ganz entscheidender Faktor, da Sie in einer Apotheke nun mal keine „One-Man-Show“ im stillen Kämmerlein betreiben.
Nehmen Sie also als Übung ein Blatt Papier, gehen Sie durch die Apotheke, betrachten Sie Ihre Mitarbeiter, Ihre Chef-Stellvertretung, und schreiben Sie: Was kann ich besser als meine Mitarbeiter, was zeichnet mich ganz besonders aus (quasi Exklusiveigenschaften)? Wo liege ich schlechter? Wie schätze ich meine Mitarbeiter ein? Und was meine ich, wie die mich sehen? Schlimmstenfalls sind einzelne Mitarbeiter die wahren Unternehmer und tragen den Betrieb, soweit Angestellte das eben können. Das kommt gar nicht so selten vor!
Eine weitere Dimension ist Ihre Wirkung auf die Kunden. Hier kann man ganz ähnliche Überlegungen anstellen. Indes gibt es genügend Beispiele, bei denen jemand alles andere als ein Kundenmagnet ist und trotzdem hoch erfolgreich Betriebe führt. Andere schmeißen fast allein den Laden, kommen also der „One-Man-Show“ ziemlich nahe, sind aber ansonsten lausige Unternehmer. Deshalb lassen wir diese Dimension hier außen vor.
Zielorientierung mit Augenmaß
Sicher die herausragende Unternehmereigenschaft schlechthin: Ich weiß, was ich will, habe (realistische!) Ziele und kann diese auch kommunizieren. Geniale, herausragende Leistungen und unternehmerische Ideen sind in der Regel Einzelleistungen, das „08/15“ zumeist Teamleistungen. Daher auch die Übersetzung von Team: Toll, ein anderer macht’s. Oder anders ausgedrückt: Gruppenleistungen folgen dem Prinzip der Regression zum Mittelwert. Somit braucht es einen Taktgeber. Doch der muss das Stück erst mal komponiert haben.
Falls die Ziele Hand und Fuß haben und einleuchten, lassen sich auch die Mitarbeiter davon begeistern. Wer hingegen selbst nicht weiß, wo es hingehen soll – wie kann so jemand Mitarbeitern eine Richtung vorgeben?
In der Tat steckt hier das größte Potenzial. Umgekehrt wachsen die Probleme, wenn ein Betrieb ziellos vor sich hin dümpelt. Er erstarrt alsbald in Routine, die sich rasch in Marktanteilsverlusten bemerkbar macht – spätestens, wenn andere Konkurrenten Ziele haben. Dabei muss es nicht immer das ganz Große sein. Auch kleine Wegmarken führen vorwärts. Aber die Richtung muss klar sein...
Stärke und Ausgeglichenheit ausstrahlen
Wenn Sie einen Hund zum Schutz suchen, werden Sie sich wohl eher für einen Rottweiler oder Schäferhund entscheiden und nicht für einen Rehpinscher. Wenn Sie bei ähnlichen Kosten die Wahl zwischen einem soliden Gefährt mit stabiler Karosserie und einem „Pappkarton“ haben, werden Sie wohl das stabilere wählen. Und so wünschen sich auch die Mitarbeiter eher einen starken Chef, der ihnen eine sichere Perspektive bieten kann, als ein „Flatterhemd“, das selbst stets in Angst lebt und meint, dass morgen sowieso alles schlechter sein wird als heute. Selbst wenn es so ist: Mitarbeiter oder Kunden wollen das nicht hören.
Sie tun also gut daran, Ruhe und Stärke auszustrahlen. Dennoch sind auch einmal kritische Töne oder Zweifel erlaubt – wobei die Hardcore-Vertreter der gerne amerikanisch geprägten „Sonnenschein-Ideologie“ ja sogar das nicht zulassen: Es gibt keine Probleme, nur Lösungen... Authentizität ist das Stichwort, und keine ins Groteske verstellte Persönlichkeitsillusion. Gleichwohl: Wenn Sie nicht der ruhende Pol sind, der Stabilitätsanker – wer sonst? Schließlich geht es ja vorderhand um Ihre Existenz, an der zwar andere Personen hängen, die aber auch woanders unterkommen könnten.
Damit verbunden ist ein hohes Maß an Bindungsfähigkeit – Sie stehen für Ihren Betrieb langfristig ein. In unserer heutigen Welt voll von sich auflösenden Werten und „Beziehungen auf Zeit“ ist das ein nicht zu unterschätzender Punkt. Viele Menschen haben nämlich eine Sozialisation erhalten, die genau diese Bindungsfähigkeit erschwert und damit möglicherweise unternehmerische Probleme geradezu provoziert.
Frustrationstoleranz, Resilienz und Zähigkeit
Gerade in der Apotheke zählen Eigenschaften wie
leider) ziemlich viel. Plakativ formuliert: „Dreck fressen“ und trotzdem gegenüber Kunden und Mitarbeitern gute Miene zum bösen Spiel machen. In der Tat ist diese „Persönlichkeitsverbiegung“ für das Funktionieren einer Apotheke essenziell geworden. Als Apotheker sind Sie Prellbock und Polstermasse im Bürokratie- und Regulierungsirrsinn, gleichzeitig müssen Sie dennoch Linie halten und Regeln durchsetzen. Geben Sie die schlechte Laune weiter, riskieren Sie massive Schäden bei Kundschaft und Motivation im Betrieb. Sind Sie zu locker, riskieren Sie nicht nur Retaxationen und Co. (darüber könnte man vielleicht sogar noch hinwegsehen, sofern man zumindest die gro- ßen Happen auf dem Radar behält...), sondern entfernen sich mehr und mehr von der Marschrichtung der Branche, hinken irgendwann also administrativ, organisatorisch und technisch hinterher – und damit auch wirtschaftlich.
Für Kompensation sorgen
Tipp: Üben Sie eine Frustrationstoleranz ein – das geht! Legen Sie sich also ein „dickes Fell“ zu. Sorgen Sie jedoch gleichzeitig für die nötige
und nicht Resignation, Passivität oder gar Flucht in die „Dauerferien vom Ich“ bis hin zum Drogenkonsum. Sport bietet sich hier an. Körperliche Fitness, psychische Stabilität und Selbstbewusstsein, unter anderem durch Kampfsporttechniken steigerbar, lassen Sie vieles souveräner betrachten. Alternativ können Sie befriedigende Hobbys pflegen, die Sie zwar nicht unbedingt „stählen“, die aber für echten Ausgleich sorgen, worauf es ja auch ankommt. Schaffen Sie zudem nicht zusätzliche Baustellen im Privatbereich (manche haben da ja ein richtiges Händchen dafür...), sondern schließen Sie diese ggf. konsequent ab! Entlastung, Entrümpelung und „Psychohygiene“ sind angesagt, „ziehen Sie die geistige Klospülung“.
Risikohandling
Eine weitere, ganz entscheidende Eigenschaft, die der typische Unternehmer seinen Angestellten voraus haben sollte, ist seine Einstellung zu und der Umgang mit Risiken, insbesondere wirtschaftlicher Natur. Dazu gehört das Thema Veränderungsbereitschaft. Gehe ich auch mal neue Wege oder stets nur angepasst durchs Leben?
Nicht wenige Kollegen und Kolleginnen wären besser Beamte geworden, und das ist nicht einmal etwas Negatives. Nur: Mit der „Gürtel-und-Hosenträger“-Mentalität (plus Knopf obenauf...) werden Sie vielleicht in unserem noch stark regulierten und geschützten System überleben können. Die „große Nummer“ wird das aber nicht.
Sofern nicht schlichtes Glück Ihnen den Top-Standort zuspielt, müssen Sie einfach bereit sein, bei der Suche nach dem beruflichen Morgen spürbare Risiken einzugehen und für Veränderungen offen zu sein. An letzterem Punkt verlangt man gerade höheren Angestellten im Management schon seit Langem deutlich mehr ab.
Der vernünftige Umgang mit unternehmerischen Risiken, deren „Controlling“ und der Wille, Standortentscheidungen grundlegend zu überdenken, wird den erfolgreichen Apotheker der Zukunft erheblich prägen – und zwar weitaus stärker, als dies bisher der Fall war.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(06):4-4