Dr. Stefan Weber
Die Notdienstbereitschaft ist im Wechsel möglichst gleichmäßig von den zum Notdienst verpflichteten Mitarbeitern zu übernehmen. Von den einzelnen Diensttuenden kann dabei, von zwingenden Notfällen abgesehen, nicht mehr als die Hälfte der von der Apotheke zu leistenden Notdienstbereitschaften verlangt werden. Die Frage, wie Teilzeitkräfte zu behandeln sind, wurde schon bisher von den Tarifparteien dahin beantwortet, dass die Verpflichtung zur Notdienstbereitschaft zeitanteilig,d.h. proportional zur Wochenarbeitszeitder Mitarbeiter besteht. Eine entsprechende Klarstellung wurde nun ausdrücklich im Tarifvertrag verankert.
Beispiel: Eine Apothekerin ist mit 40 Wochenstunden und eine Pharmazie-Ingenieurin mit 20 Wochenstunden beschäftigt. Auf die Vollzeitapprobierte entfällt (höchstens) die Hälfte der Notdienste. Da die Pharmazie-Ingenieurin nur 50% der tariflichen Wochenarbeitszeit arbeitet, muss sie auch nur die Hälfte der von der Vollzeitkraft zu leistenden Notdienste übernehmen. Dies ist 1/4 der von der Apotheke zu leistenden Notdienste.
Vergütung der Notdienstbereitschaft (§6 BRTV)
Es mag überraschen, wenn im Zusammenhang mit den tariflichen Vergütungen der Apothekenmitarbeiter vom gesetzlichen Mindestlohn die Rede ist. Denn alle im geltenden Gehaltstarifvertrag vereinbarten Gehälter liegen mehr oder weniger deutlich über dem ab 1. Januar 2015 geltenden Mindestlohn von 8,50€ je Stunde. Jedoch sind die Pauschalvergütungen für die Wahrnehmung der Notdienstbereitschaft nach §6 Absatz 1 und Absatz 2 BRTV in Verbindung mit den Spalten 2a, 2b und 3 des Gehaltstarifs davon getrennt zu betrachten. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu schon länger bestehenden Mindestlöhnen in anderen Bereichen.
Immer dann, wenn Zahlungen des Arbeitgebers nicht für die allgemeine Erbringung der Arbeitsleistung gewährt werden, sondern für besondere Leistungen des Arbeitnehmers, können diese Zahlungen nicht auf den geltenden Mindestlohn angerechnet werden. Dies betrifft z.B. Zulagen für besondere Leistungen, Überstundenzuschläge oder Zuschläge für Nacht- und Sonntagsdienst. Damit besteht eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes, wie ihn der Apothekennotdienst darstellt, mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten sind.
In Anbetracht dessen und um mögliche nicht unerhebliche Nachzahlungen an Mitarbeiter nach einer mehrjährigen gerichtlichen Klärung zu vermeiden, wurde in der Spalte 2b für die Zeit der Notdienstbereitschaft von 22 Uhr bis 8 Uhr eine einheitliche Vergütung für alle Berufsgruppen und Berufsjahrstufen in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns, also 10 Stunden x 8,50€ = 85€, vereinbart. Entsprechend wurde auch der Freizeitausgleich, der alternativ zur finanziellen Entgeltung gewährt werden kann, von 3,5 auf 5,5 Stunden angehoben.
Die Vergütung für den ersten Teil des Notdienstes in der Nacht von 18.30 Uhr bis 22 Uhr ist von dieser Änderung nicht betroffen, ebenso nicht die Vergütung für den Sonn- und Feiertagsdienst. Diese beiden Zeiträume werden schon bisher höher als der gesetzliche Mindestlohn vergütet.
Die neue Notdienstvergütung gilt auch schon für die Monate Januar und Februar 2015; deshalb muss die Differenz zur alten Vergütung ggf. nachgezahlt werden.
In vielen Fällen kommt die Notdienstvergütung nach den Spalten 2a, 2b und 3 des Gehaltstarifs nicht zur Auszahlung, weil die Notdienstbereitschaft durch ein um mindestens 13% über Tarif liegendes Gehalt abgegolten ist. Insoweit haben die Tarifparteien durch eine Fußnote klargestellt, dass durch diese übertarifliche Vergütung die tarifliche Bezahlung des Notdienstes nach dem Gehaltstarifvertrag nicht unterschritten werden darf.
Beispiel: Ein Apotheker im 2. bis 5. Berufsjahr (Tarifgehalt 3.324€) erhält 13% über Tarif. Dies sind 432,12€. Hierfür kann der Apothekeninhaber von ihm pro Monat beispielhaft die Übernahme von zwei Sonn- und Feiertagsdiensten verlangen (tarifliche Vergütung 2 x 202€ = 404€). Würde der Apothekeninhaber in diesem Fall noch einen zusätzlichen Dienst verlangen, würde dies dazu führen, dass der Mitarbeiter trotz seines übertariflichen Gehaltsanteils weniger erhielte, als er bei Zugrundelegung der Vergütung nach der Spalte 3 des Gehaltstarifes bekäme.
Erholungsurlaub (§11 BRTV)
Nach §11 Absatz 5 BRTV erhält der Mitarbeiter für jeden vollen Monat der Betriebszugehörig-keit 1/12 des tariflichen Jahresurlaubs. Hat das Arbeitsverhältnis im Eintrittsjahr oder im Jahr des Ausscheidens mehr als sechs Monate bestanden, er-wirbt der Mitarbeiter den vollen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 24 Werktagen. Dieser Mindesturlaub darf durch die Zwölftelungsregelung des Tarifvertrages nicht unterschritten werden. Das ist in §11 Absatz 5 BRTV jetzt klargestellt.
Beispiel: Eine seit zwei Jahren in der Apotheke beschäftigte PTA hat einen Urlaubsanspruch von 33 Werktagen. Sie kündigt ihr Arbeitsverhältnis zum 31. August. Nach §11 Absatz 5 BRTV hat sie Anspruch auf 1/12 des tariflichen Jahresurlaubs je vollem Monat, für acht Monate also 22 Werktage. Wegen des zwingenden gesetzlichen Anspruchs auf den Mindesturlaub hat die PTA aber 24 Werktage Urlaub zu erhalten.
Eine Anpassung an die Rechtsprechung haben die Tarifparteien beim Verfall des Urlaubs von Langzeiterkrankten vorgenommen. Normalerweise verfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf des 31. März ersatzlos, wenn der Arbeitnehmer den aus dem Vorjahr übertragenen Urlaub nicht rechtzeitig vor dem 31. März geltend gemacht hat. Nach der Rechtsprechung von EuGH und BAG gilt dies aber nicht, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt gar nicht in der Lage war, den Urlaub bis zum Ablauf des Übertragungszeitraums zu nehmen. In diesem Fall wird der Urlaub bis zum 31. März des übernächsten Jahres übertragen. Dies betrifft aber nur den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen. Der hierüber hinausgehende tarifliche Urlaubsanspruch von weiteren neun bzw. zehn Werktagen verfällt dagegen auch bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit am 31. März des Folgejahres.
Neu eingeführt haben die Tarifparteien die Regelung, dass der Apothekeninhaber einen schriftlichen Urlaubsantrag des Mitarbeiters spätestens vier Wochen nach der Beantragung bescheidensoll. Damit erhält der Mitarbeiter in angemessener Zeit Klarheit darüber, ob ihm der Urlaub in der beantragten Zeit gewährt wird. Ferner kann der Apothekeninhaber Zeiträume zum Ende oder zum Beginn des Jahres festsetzen, in denen die Mitarbeiter ihre Urlaubsanträge einreichen sollen.
Sonderzahlung (§18 BRTV)
Schon bisher ist geregelt, dass der Apothekeninhaber die Sonderzahlung auf bis zu 50% des tariflichen Monatsverdienstes kürzen darf, wenn sich ihm dies aus wirtschaftlichen Gründen als notwendig darstellt. Neu ist, dass diese Kürzung nur zulässig ist, wenn sie vier Wochen vor der Fälligkeit der Sonderzahlung angekündigt wird.
Kündigungsfristen (§19 BRTV)
Die tarifvertragliche Kündigungsfrist ist – entgegen dem zum Teil entstandenen Eindruck – nicht geändert worden. Weiterhin beträgt sie beiderseits einen Monat zum Ende eines Kalendermonats. Neu eingeführt wurde lediglich eine Fußnote, wonach Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag für die Zeit nach Ablauf der Probezeit eine beiderseits geltende längere Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten zum Monatsende vereinbaren können. Eine solch verlängerte Frist schützt einerseits den Mitarbeiter, kann aber auch andererseits dem Arbeitgeber mehr Sicherheit vor zu kurzfristiger Kündigung wichtiger Mitarbeiter, z.B. von Filialleitern, geben. Unberührt bleibt darüber hinaus die Möglichkeit, die bei längerer Betriebszugehörigkeit verlängerten Fristen für Arbeitgeberkündigungen (§622 BGB) auch für Kündigungen durch den Mitarbeiter zu vereinbaren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(06):10-10