Fortbildung für ältere Mitarbeiter

Potenzial potenzieren


Ute Jürgens

In Deutschland bilden sich ältere Mitarbeiter seltener fort als jüngere. In naher Zukunft sind es jedoch immer mehr Ältere, die den Hauptstamm der Mitarbeiter bilden und die Beratung „an den Kunden bringen“. Daher lohnt es durchaus, in deren Fortbildung zu investieren.

2010 waren knapp 29% der Berufstätigen älter als 49, 2020 werden es mehr als 36% sein. Viele heute 50-Jährige blicken – anders als in Zeiten, in denen zahlreiche Menschen vorzeitig in den Ruhestand gingen – noch einem Drittel ihrer Lebensarbeitszeit entgegen. Es gibt immer weniger Nachwuchs, daher werden Ältere unverzichtbar.

Das Demographie Netzwerk (www.demographie-netzwerk.de) mahnt an: „Problematisch ist auch, dass die Beteiligung an berufsbegleitenden Weiterbildungen in Deutschland im Laufe der Erwerbsbiographie rapide abnimmt, obwohl sie ein zentraler Schlüssel zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer und zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ist.“ Es verweist dabei auf das Institut der deutschen Wirtschaft, das die Unternehmen in Verzug bei den Beschäftigungschancen Älterer sieht, da sich nur knapp die Hälfte der Betriebe um deren Fortbildung kümmere.

Versickernde Motivation

Auf der Seite der Angestellten ergibt sich zu einer bestimmten Zeit im Arbeitsleben häufig ein Sättigungsgefühl, was das Können angeht. Das Gelernte aus der Ausbildung wird durch den Berufsalltag gefiltert, nur das Relevante wird noch genutzt und bleibt somit im aktiven Wissensschatz. Mit dem Eindruck „Ich habe alles, was ich brauche“, nehmen viele Mitarbeiter nicht mehr gewohnheitsmäßig an Fortbildungen teil.

Unterstützt wird dieses oftmals durch die Anstrengungen des Familienlebens, es fehlen die Energie und manchmal auch die Möglichkeit, sich abends noch auf den Weg zu machen oder sogar Wochenenden für den Wissenserwerb zu nutzen. Die Folge: Mit zunehmendem Alter nimmt die Fortbildungsfreudigkeit häufig ab.

Ob man Fortbildung als Recht oder Pflicht auffasst: Sie wird jenseits der 50 zu selten betrieben. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen: Vorurteile und Stereotype wie die Einstellung, dass Ältere weniger lernfähig und lernwillig sind, Desinteresse des Chefs, vielleicht auch sein schlechtes Vorbild und der Unwille, Fortbildung als Arbeitszeit anzuerkennen und finanziell zu fördern. Dadurch entsteht beim Angestellten der Eindruck, dass seine Leistung reicht und die Betriebsleitung an einer Steigerung nicht interessiert ist.

Wichtig ist eine optimistische Einstellung zu älteren Mitarbeitern. Der Hirnforscher Martin Korte hat herausgefunden, dass „viele Aspekte des Alterns wesentlich positiver sind, als es bisher wahrgenommen wurde. Wir können unser Altern beeinflussen und etwas dafür tun, es nach hinten zu verschieben“.

Christian Stamov-Roßnagel, Lernforscher von der Jacobs-University Bremen, beweist, dass signifikante Alterserscheinungen wie das Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten erst viel später und in weit geringerem Maße als angenommen auftreten, heutzutage erst bei Personen jenseits der 65. Wenn Chefs ihren älteren Arbeitskräften über 50 nicht mehr so viel zutrauen und sie nicht fördern, entsteht jedoch leicht der Teufelskreis, dass auch die Angestellten selbst sich unterschätzen und gar nicht mehr den Versuch machen, Neues zu lernen. Es ist letztlich eine Frage der Unternehmenskultur, ob Apothekenleiter die Potenziale ihrer älteren Mitarbeiter voll ausschöpfen möchten oder nicht.

Dabei bevorzugen ältere Menschen häufig eher informelles Lernen, gerne am Arbeitsplatz mit direktem Praxisbezug und selbst organisiert. Sie möchten keine Anweisungen und nicht „irgendwo hingeschickt“ werden.

Wichtig sind oft Fortbildungen in computertechnischen Dingen. Wie nutzt man zum Beispiel das Internet, wenn man abends oder am Wochenende erfahren will, ob das vorliegende Rezept gestohlen wurde?

Auch nehmen manche Kunden Bezug auf Gesundheitsberichte im Fernsehen, die man selbst nicht gesehen hat. Da ist es gut zu wissen, wie man sich nachträglich über das, was dort gesagt wurde, informieren und das Ganze in den richtigen Zusammenhang stellen kann. Denn allzu häufig entstehen Missverständnisse, der Kunde setzt sein „hochgefährliches“ Medikament, vor dessen Nebenwirkungen gewarnt wurde, ab etc.

Am Arbeitsplatz kann eine Liste aushängen, in der laufend entsprechende Links vermerkt werden. Die schnellere Variante: Eine „Seite“ im Computer wird dafür reserviert und jeder Mitarbeiter bekommt ausreichend Zeit, um sich an seinem ersten Arbeitstag in der Woche die wichtigsten Informationen anzuschauen.

Dasselbe gilt für Aktualisierungen bei der Software. Für Teilzeitkräfte mit geringer Stundenzahl ist es eine große Erleichterung, Neuerungen nachlesen zu können, anstatt sie nur einmal schnell erklärt oder in Windeseile zwischendurch gezeigt zu bekommen. Mitunter vergehen Tage oder Wochen, bis die Neuerungen konkret angewendet werden, da sind kurze mündliche Erklärungen längst vergessen.

Das Lernen nicht vergessen

Lernkompetenzen sollten schon von Anfang an gefördert werden, sodass wir das Lernen als sol- ches gar nicht erst vergessen. Direkt nach der Ausbildung besitzen wir noch eine gute Merkfähigkeit. Wie alles, was man nicht regelmäßig trainiert, werden wir auch schwächer in der Lernkompetenz, wenn wir lange aussetzen. Der Chef sollte also auch junge Mitarbeiter ständig ermuntern. Korte: „Wer im Alter von 75 Jahren noch ein optimal leistungsfähiges Gehirn haben will, sollte schon vor dem 50. Lebensjahr damit anfangen, etwas dafür zu tun. Spätestens ab dann heißt es: Gewicht regulieren, sich regelmäßig bewegen, gesund ernähren und das Gehirn trainieren.“

Neues Wissen aus Fortbildungen gibt man wenigstens mündlich, am besten aber schriftlich an die Kollegen weiter, die nicht selbst zu einem Vortrag mitgekommen sind. Oft stehen auch nach einer Veranstaltung noch einige Skripte in Restexemplaren zur Verfügung.

Vorteile durch gleiche Förderung für alle

Werden alle Mitarbeiter gleichermaßen gefördert, ergeben sich, so Stamov-Roßnagel, bei älteren gegenüber jungen Menschen folgende Vorteile: ein besseres strategisches Denken, eine stärkere sachlogische Argumentation und ein höheres ganzheitliches Verständnis für die Arbeit. Im Team sind sie gelassener und besser in der Zusammenarbeit mit den Kollegen.

Einen Leistungsschub provozieren kann der Apothekenleiter durch regelmäßige Entwicklungsgespräche, in denen der Mitarbeiter selbst Ziele für sich findet und in der Folge umsetzt. Dadurch gewinnt er Perspektiven und neue Motivation. Wie immer ist es höchst wirkungsvoll, die Betreffenden selbstständig und eigenverantwortlich ihren Weg finden zu lassen und auf Nachfrage Informationen oder andere Hilfen zur Verfügung zu stellen. Die Lernlust der Älteren kann sich dabei auf Pharmazeutisches, Kommunikation mit Kunde und Team, die eigene Persönlichkeit, Betriebswirtschaft, besseres Verständnis und Nutzen der Software, das Erlernen einer häufig bei Kunden vorkommenden Fremdsprache und andere Gebiete beziehen.

Dabei ist es eventuell sinnvoll, wenn Mitarbeiter den ihnen zustehenden Bildungsurlaub nutzen. Hierbei handelt es sich um einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht zum Zwecke der Fortbildung, die nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet wird. Dieser ist auf Länderebene geregelt und beträgt meist fünf Arbeitstage im Jahr bzw. zehn Arbeitstage in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Tariflich gebundenem pharmazeutischen Personal stehen sechs Tage Bildungsurlaub in zwei Jahren zu.

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed, 28865 Lilienthal, E‑Mail: KomMed@freenet.de

Buch-Tipp

Martin Korte: Jung im Kopf. Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden. Deutsche Verlags-Anstalt 2013. 19,99 €

zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E‑Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(06):8-8