Prof. Dr. Reinhard Herzog
Ob im Jahr 2000 oder auch 2007: Immer wenn sich Privatanleger für den Aktienmarkt begeistern konnten, platzte die Spekulationsblase, zahlreiche Kleinsparer verloren viel Geld und scheuten von da an die Aktienanlage. Auch Manager etwa der Lebensversicherungen mieden nach jedem Kursrückschlag die Börse.
Und so waren es diesmal wiederum in erster Linie ausländische Investoren, die zur richtigen Zeit Vertrauen in die deutsche Wirtschaft hatten und damit gut verdienten. Allein zwischen 2009 und 2014 kletterte der DAX um mehr als 175% und selbst der kurzzeitige Einbruch im Jahr 2011 um rund 30% war innerhalb weniger Monate wieder aufgeholt. Bis heute halten sich deutsche Privatanleger jedoch vom Markt fern und verweisen dabei in erster Linie auf die – vermeintliche – Überbewertung nach der Hausse in den vergangenen sechs Monaten.
Tatsache ist, dass die deutschen Aktien mit Kursgewinnen von mehr als 40% kräftig zugelegt haben. So ungewöhnlich sind derartige Steigerungen freilich nicht. Immer wieder kam es zu ähnlichen Zuwachsraten, etwa 1996, 1999 und 2006. Und nachdem der DAX 1996 um knapp 40% gestiegen war, erzielte er im Folgejahr weitere 70%, um erst dann für ein halbes Jahr eine Seitwärtstendenz einzunehmen.
Sicher wäre auch jetzt eine solche Seitwärtsbewegung vorteilhaft. Mehr noch: Ein Indexrückgang auf zeitweise sogar unter 11.000 Punkte würde dem Markt erst neuen Auftrieb geben. Denn der Aufwärtstrend als solcher ist zweifellos weiter intakt. Positiv stimmen insbesondere charttechnische Signale – etwa das Durchbrechen der psychologisch wichtigen Widerstandsmarken von zunächst 8.000 und später 10.000 Punkten oder das erneute Drehen des Gleitenden 200-Tage-Durchschnitts nach oben.
Wirtschaftsboom hält an
Als zusätzliches Konjunkturprogramm ersten Ranges wirkt der niedrige Ölpreis, der dem Verbraucher mehr bringt als jede Senkung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen.
Hauptgrund für den bisherigen Boom – und daran wird sich so bald auch nichts ändern – ist jedoch der Mangel an Anlagealternativen: Die Anleihezinsen sind mit durchschnittlich weniger als 1,0% auf historischem Tiefstniveau und dies wird angesichts der Politik der EZB vorerst wohl so bleiben. Sachwertanlagen wie Immobilien sind vielfach überteuert und die Edelmetalle sind zum Spielball der Spekulanten geworden. Sicherlich spielen auch gewisse Ängste eine Rolle: Sollte z.B. der Euro scheitern, würden Aktien wesentlich mehr Sicherheiten bieten als alle Formen der zinsorientierten Geldanlage in der Eurozone.
Für Anleger bedeutet dies, dass deutsche Aktien auch weiterhin interessant bleiben. Begrüßenswert wäre jetzt ein deutlicherer Rückschlag in eine Bandbreite zwischen 10.000 und 11.000 Punkten, der eine neue Basis für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends bieten würde. Risiken drohen erst, wenn auf fundamentaler Seite die Zinsen nachhaltig steigen und Anleihen damit wieder zu einer ernst zu nehmenden Alternative zu Aktien werden. Charttechnisch beginnt die Risikozone bei einem Unterschreiten der 10.000-Punkte-Marke, das weitere Kursverluste zur Folge haben dürfte. Aber auch in diesem Fall zeigt der Blick auf die vergangenen 30 Jahre, dass selbst größere Verluste mittelfristig wieder aufgeholt werden können.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(09):13-13