Helmut Lehr
Die vorzeitige Übertragung von Grundstücken an die nächste Generation erfolgt meist zu besonders „günstigen Konditionen“, der reguläre Verkehrswert wird selten eingefordert – zumindest nicht sofort in einer Summe. Häufig ist es so, dass die Kinder Ratenzahlungen leisten müssen, die sich zwar in der Summe am Verkehrswert orientieren, dafür aber keine Zinsen enthalten.
Beispiel: Apotheker Christmann überträgt seinem Sohn eine bislang vermietete Eigentumswohnung im Wert von 360.000 € zur Eigennutzung. Die zehnjährige Spekulationsfrist ist längst abgelaufen. Als Gegenleistung verpflichtet sich der Sohn, zwanzig Jahre lang monatliche Kaufpreisraten von 1.500 € an seinen Vater zu zahlen, in der Summe also 360.000 €. Beide gehen davon aus, dass der Übertragungsvorgang als solcher keine einkommensteuerlichen Auswirkungen hat und auch in der Folgezeit aufgrund der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken keine steuerlichen Besonderheiten zu beachten sind.
„Unsichtbarer“ Zinsanteil
Nach Ansicht der Finanzverwaltung, die sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stützt, sind in einer (an sich nicht steuerbaren) Kaufpreisforderung, die über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr gestundet wird, stets Zinsen enthalten. Bei der im Steuerrecht vorzunehmenden wirtschaftlichen Betrachtung sei nämlich davon auszugehen, dass der Schuldner bei alsbaldiger Zahlung einen geringeren Betrag hätte entrichten müssen, als bei späterer Zahlung, sodass der erst später gezahlte Betrag einen Zinsanteil beinhalte.
Daraus folgt: Wird der Sachverhalt dem zuständigen Veranlagungsbezirk des Finanzamts bekannt, errechnet das Finanzamt die Barwerte der Forderung/Verbindlichkeit zu Beginn und Ende eines Jahres, wertet die Differenz als Tilgung und beurteilt den die Tilgung übersteigenden Teil der laufenden Zahlungen als Zinsen. Die Zinsen muss der Empfänger der Zahlungen (hier: Apotheker Christmann) als Kapitaleinkünfte versteuern, während sein Sohn aufgrund der Nutzung des Objekts zu eigenen Wohnzwecken keine Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen kann.
Hinweis: Aus Sicht der Finanzverwaltung gilt dies auch dann, wenn die Beteiligten im Übergabevertrag eine Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen haben.
Finanzgerichtsurteil macht Hoffnung
Grundsätzlich hat der Bundesfinanzhof auch in den letzten Jahren wiederholt bestätigt, dass die Annahme eines Zinsanteils rechtens ist. Allerdings hat das Finanzgericht Düsseldorf mit Urteil vom 22. Oktober 20141) entschieden, dass Kaufpreisraten nicht in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen sind, wenn sich den Vereinbarungen der Parteien entnehmen lässt, dass in den ratierlichen Zahlungen kein zusätzliches Entgelt für die Stundung enthalten ist. Entspricht die Summe der Zahlungen im Wesentlichen dem Nennwert der Kapitalforderung, sei eine verzinsliche Kapitalüberlassung grundsätzlich zu verneinen.
Das Gericht argumentiert hier gerade anders als der Bundesfinanzhof: Hätten die Eltern den Wert des Grundstücks direkt in einem Betrag erhalten, hätten sie das Geld zinsbringend angelegt und am Ende der Laufzeit der Stundung einen deutlich höheren Betrag als den damaligen Grundstückswert bzw. die Kaufpreisforderung besessen. Wolle man also einen Zinsanteil unterstellen, hätten die monatlichen Zahlungen entsprechend höher ausfallen müssen.
Hinweis: Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil Revision eingelegt, sodass der Bundesfinanzhof nochmals konkret entscheiden muss, ob eine Zahlung von Kaufpreisraten auch Zinsanteile enthält, wenn sich der zu entrichtende Kaufpreis (Summe aller Raten) allein aus dem Verkehrswert berechnet2).
1) Aktenzeichen 7 K 41/14 E.
2) Aktenzeichen des anhängigen Verfahrens: VIII R 55/14.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(12):17-17