Helmut Lehr
Apotheker gelten im steuerlichen Sinne als Gewerbetreibende und müssen deshalb Gewerbesteuer entrichten. Dies wird zum Teil als nicht besonders nachteilig empfunden, weil die Gewerbesteuer auf die zu zahlende Einkommensteuer angerechnet werden kann und sich deshalb unterm Strich „neutral“ verhält. Die Steuerneutralität der Gewerbesteuer ist allerdings nur Theorie – in der Praxis ergeben sich trotz der Anrechnungsmöglichkeit immer wieder endgültige Belastungen. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Finanzverwaltung die gesetzlich vorgegebenen „Anrechnungsformeln“ fiskalisch und damit teils zulasten der Steuerpflichtigen auslegt.
Die Anrechnungsmethode im Einzelnen
Nach §35 Einkommensteuergesetz vermindert sich die tarifliche Einkommensteuer, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt (Ermäßigungshöchstbetrag), um das 3,8-fache des jeweils für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags. Dieser ermittelt sich aus dem Gewerbeertrag (= ggf. modifizierter Gewinn, abzüglich eines Freibetrags von 24.500€), multipliziert mit der sogenannten Steuermesszahl (3,5%).
Die zuständige Gemeinde ermittelt die Gewerbesteuer nach einem „individuell“ festgelegten Hebesatz, sodass sich die tatsächliche Gewerbesteuer durch Multiplikation des Steuermessbetrags mit dem jeweiligen Hebesatz der Gemeinde ergibt.
Hinweis: Da sich die tarifliche Einkommensteuer (maximal) um das 3,8-fache des Gewerbeertrags mindert, kann zunächst einmal grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Gewerbesteuerbelastung bei einem Hebesatz von maximal 380% durch die Anrechnung auf die Einkommensteuer ausgeglichen wird. Weil die Anrechnung der Gewerbesteuer auch noch Entlastungswirkung beim Solidaritätszuschlag entfaltet, dessen Berechnung ja an die Einkommensteuer gekoppelt ist, kann selbst bei Hebesätzen bis annähernd 400% regelmäßig noch eine vollständige Entlastung von der Gewerbesteuer erreicht werden.
Verluste sind „gefährlich“
Leider ist die Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrags zum Teil recht kompliziert, insbesondere, wenn aus anderen Einkunftsquellen Verluste entstanden sind.
Beispiel (vereinfachte Darstellung): Apothekerin Seibold erzielte im Jahr 2014 einen gewerblichen Gewinn aus ihrer Apotheke in Höhe von 130.000€. Zudem verzeichnete sie aus einem Mietobjekt Verluste in Höhe von 60.000€. Ihr Ehemann erwirtschaftete mit seinem vermieteten Mehrfamilienhaus einen Überschuss von 80.000€. Die Einkommensteuer beträgt vor Berücksichtigung der Ermäßigung für gezahlte Gewerbesteuer 40.000€.
Der Höchstbetrag der Einkommensteuerermäßigung (Ermäßigungshöchstbetrag) berechnet sich gemäß den Vorgaben des Gesetzes nach folgender Formel: Summe der positiven gewerblichen Einkünfte geteilt durch die Summe aller positiven Einkünfte mal tarifliche Einkommensteuer.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind allerdings jeweils nur die positiven Einkünfte aus der jeweiligen Einkunftsquelle zu berücksichtigen; eine Saldierung von positiven und negativen Einkunftsquellen innerhalb einer Einkunftsart soll nicht möglich sein.
Man kann jedoch auch die Auffassung vertreten, dass im Nenner der Formel keine quellenbezogene Beurteilung zu erfolgen hat, sondern die Einkünfte aus allen Einkunftsarten in der Summe zu berücksichtigen sind, sofern diese jeweils positiv ist.
Die Berechnungen (siehe unten) zeigen, dass sich der Ermäßigungshöchstbetrag durch Saldierung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (in der Summe: +20.000€) um immerhin rund 10.000€ (34.666€ – 24.761€) erhöht!
Hinweis: Nach Ansicht des Finanzgerichts Münster1) ist die im Beispiel für den Steuerpflichtigen günstigere Berechnungsweise zutreffend. Die Finanzverwaltung hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt2). Weil die Rechtslage insoweit unsicher ist, sollte in geeigneten Fällen Einspruch eingelegt und ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung durch den Bundesfinanzhof beantragt werden.
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Komplizierte Berechnungen erforderlich
Generell haben Steuerpflichtige zu beachten, dass die Einkommensteuerermäßigung zusätzlich der Höhe nach auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer beschränkt ist. In der Praxis ist es daher durchaus möglich, dass selbst die ungünstigere Berechnungsweise der Finanzverwaltung bereits zur vollen Anrechnung der Gewerbesteuer führt und ein rechnerisch höherer Ermäßigungsbetrag ohne Wirkung bleibt. Die Höhe der tatsächlichen Gewerbesteuer hängt im Einzelfall wiederum von verschiedenen weiteren Faktoren ab.
Hinweis: Die Berechnung der Einkommensteuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte durch die Finanzverwaltung sollte aber grundsätzlich immer kritisch durch den Steuerberater geprüft werden. Das gilt insbesondere, wenn vergleichsweise hohe Verluste im Spiel sind bzw. weitere gewerbliche Einkunftsquellen existieren, wie etwa Beteiligungen etc. In solchen Fällen können nämlich weitere Besonderheiten zu beachten sein, die maßgeblichen Einfluss auf die Berechnung der Steuerermäßigung haben.
1) Vgl. Urteil vom 12. Dezember 2013, Aktenzeichen 13 K 4566/10 E.
2) Aktenzeichen des anhängigen Verfahrens: III R 7/14.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(17):18-18