Arbeitsrecht

Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis


Jasmin Theuringer

Grundsätzlich hat in Deutschland jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Dieses Recht ist im Grundgesetz entsprechend verankert und gilt auch im Arbeitsverhältnis. Allerdings sind hier bestimmte „Spielregeln“ zu beachten, an die sich Arbeitnehmer halten müssen.

Im Juli dieses Jahres schrieb ein junger Mann aus Österreich unter das Bild eines Flüchtlingsmädchens, das an einem heißen Sommertag die Abkühlung aus dem Wasserwerfer der Freiwilligen Feuerwehr genoss, einen ebenso dummen wie hetzerischen Facebook-Kommentar: Seiner Ansicht nach seien „Flammenwerfer da die bessere Lösung“ gewesen. Sein Ausbildungsbetrieb, ein Porschehändler in Österreich, kündigte daraufhin das Ausbildungsverhältnis fristlos.

Wie gehen deutsche Arbeitsgerichte mit der Meinungsfreiheit von Arbeitnehmern um, seien es öffentliche Äußerungen im Internet oder am Arbeitsplatz selbst? Und welche Möglichkeiten haben Arbeitgeber, wenn es sich bei diesen „Meinungen“ um solche Äußerungen handelt, wie die des österreichischen Auszubildenden?

Meinungsfreiheit und ihre Grenzen

Das Grundgesetz (GG) garantiert in Artikel 5 Absatz 1 die Freiheit eines jeden, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern. Dieses Recht beschränkt sich nicht auf den Privatbereich eines Arbeitnehmers, auch am Arbeitsplatz herrscht grundsätzlich Meinungsfreiheit. Eine Äußerung fällt unter den Schutz des Artikel 5 Absatz 1 GG, unabhängig davon, ob sie rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für wertvoll oder wertlos gehalten wird (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. November 2005, Aktenzeichen 2 AZR 584/04).

Bereits in seinem zweiten Absatz beschränkt Artikel 5 GG jedoch die Meinungsfreiheit: Sie hat dort ihre Grenzen, wo die Meinungsäußerung das Gesetz oder das Recht der persönlichen Ehre verletzt. Auch ist nicht alles, was öffentlich geäußert wird, eine „Meinung“ im Sinne des Artikel 5 GG. So stehen etwa unwahre Behauptungen nicht unter dem Schutz der Verfassung.

Meinungsfreiheit versus Treuepflicht

Im Arbeitsverhältnis wird das Recht auf freie Meinungsäußerung durch die Treuepflicht des Arbeitnehmers eingeschränkt. Diese Treuepflicht ist als Gegenstück zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine ungeschriebene Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis und verpflichtet den Arbeitnehmer insbesondere zur Loyalität gegenüber seinem Arbeitgeber.

Ein Arbeitnehmer darf selbstverständlich sowohl Kollegen als auch seinen Arbeitgeber kritisieren. Dabei darf er auch unbequeme Meinungen kundtun. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo Äußerungen dazu führen, dass die Zusammenarbeit im Betrieb ernsthaft gestört wird.

Eine Grenze kann aber nicht nur durch den Inhalt der Äußerung überschritten werden, sondern auch durch die Art und Weise der Kommunikation. Es ist nicht notwendig, jede Kritik öffentlich zu äußern. Hält ein Arbeitnehmer eine Weisung des Arbeitgebers für unrichtig, sollte er seine Ansicht mit diesem diskutieren, und nicht mit den Kunden der Apotheke.

Politische Äußerungen

Von der Meinungsfreiheit umfasst sind ebenfalls politische Ansichten, mögen diese dem Arbeitgeber auch nicht gefallen. So hat das Bundesarbeitsgericht zum Beispiel im Jahr 2011 entschieden, dass die bloße Mitgliedschaft in der nicht verbotenen NPD selbst im öffentlichen Dienst keinen Grund für eine Kündigung darstelle (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. Mai 2011, Aktenzeichen 2 AZR 479/09). Als dann aber derselbe Angestellte in einem Rundschreiben zum gewalttätigen Volksaufstand und zur Revolution aufrief, musste sich die Oberfinanzdirektion als Arbeitgeber und Teil der öffentlichen Verwaltung dies nicht länger anhören – das Bundesarbeitsgericht sah eine „rote Linie“ als überschritten an (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 6. September 2012, Aktenzeichen 2 AZR 372/11).

Der wesentliche Unterschied zwischen der Mitgliedschaft in der NPD, welche für sich allein die Kündigung nicht rechtfertigen konnte, und dem Aufruf zur Revolution ist, dass der Angestellte sich mit Letzerem auch gegen seinen Arbeitgeber gestellt und damit jede Loyalitätspflicht missachtet hat.

Weiterhin wird zu beachten sein, wer welche Meinung kundtut. Trägt die PKA, die sich fast ausschließlich im Backoffice aufhält, einen Button mit politischem Inhalt an ihrem Kittel, so sehen das vor allem ihre Kollegen. Wenn der Button nicht geeignet ist, durch eine unnötig polarisierende Äußerung den Betriebsfrieden zu stören, so ist gegen das Tragen desselben nichts einzuwenden.

Anders kann es aber durchaus zu beurteilen sein, wenn die Filialleiterin ein politisches Symbol an ihrem Kittel trägt. Denn als Filialleiterin repräsentiert sie durch ihr Auftreten die Apotheke. Der Apothekenleiter aber muss es nicht akzeptieren, dass eine von ihm nicht gebilligte Meinung ihm und seinem Betrieb zugerechnet wird.

Privatbereich

Äußerungen, die im Privatbereich des Arbeitnehmers fallen, haben grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis kommen nur dann in Betracht, wenn durch diese Äußerungen gleichzeitig arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden.

Soziale Medien

Hatten sich die Gerichte früher mit offen zur Schau gestellten Atomkraft-Nein-Danke-Plaketten zu beschäftigen, so sind es heute die Äußerungen von Arbeitnehmern in sozialen Medien wie Facebook, Twitter und XING. Äußerungen in sozialen Medien sind vor allem dann nicht mehr reine Privatangelegenheit des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber identifizierbar ist, also beispielsweise im Profil des Arbeitnehmers benannt ist oder durch andere Hinweise ein Bezug zum konkreten Arbeitgeber herzustellen ist.

So hatte zum Beispiel ein Arbeitnehmer in seiner Facebook-Chronik seine Freunde – darunter viele Arbeitskollegen – wissen lassen, dass er seinen Vorgesetzten „kaputt“ mache und diese Äußerung mit einer Reihe von Schimpfworten garniert, die das Arbeitsgericht Hagen als „in ihrer Derbheit kaum noch steigerungsfähig“ bezeichnete. Die daraufhin ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses sah das Gericht als gerechtfertigt an (Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 16. Mai 2012, Aktenzeichen 3 Ca 2597/11).

Hat also ein Apothekenmitarbeiter in seinem Facebook-Account eine Verbindung zu seinem Arbeitgeber, sei es, weil er mit sämtlichen Kollegen auf Facebook vernetzt ist oder die Apotheke dort als Arbeitgeber angegeben hat, sind seine Äußerungen dort nicht mehr reine Privatangelegenheit. Eine „Unterhaltung“ in sozialen Medien ist mit einem „Plausch“ am Arbeitsplatz nicht vergleichbar, sondern unterliegt aufgrund der Vervielfältigungsmöglichkeiten einer ganz eigenen Dynamik. Deshalb kann eine an sich noch zulässige Äußerung wegen dieser nicht beherrschbaren Öffentlichkeit im Einzelfall als Verstoß gegen die Treuepflicht angesehen werden.

Vergleichsweise harmlose Äußerungen wie „Bei uns bekommt der Begriff Apothekenpreis einen Sinn“ können als allgemeine Kritik am Arbeitgeber und an den betrieblichen Verhältnissen noch zulässig sein. Dies gilt auch, wenn diese allgemeine Kritik überspitzt und polemisch ausfällt (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. September 2011, Aktenzeichen 16 Sa 212/11).

Die Bezeichnung des Arbeitgebers auf Facebook als „Menschenschinder und Ausbeuter“ hingegen rechtfertigt eine Kündigung (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10. Oktober 2012, Aktenzeichen 3 Sa 644/12).

Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40213 Düsseldorf, E‑Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2015; 40(19):11-11