Karin Wahl
Beide Modelle kommen beim Team nicht besonders gut an. Dabei gibt es den Königsweg der individuellen Motivation der Mitarbeiter, der zwar etwas aufwendiger, aber dafür durchaus erfolgversprechend ist.
Heterogenes Team bietet Vorteile
Mitarbeiter sind keine homogene Gruppe, was für den Apothekenbetrieb sehr zu begrüßen ist. Gerade die Individualität macht ein lebendiges Team aus, bei dem jeder Kunde einen für ihn geeigneten Ansprechpartner findet. So gibt es in den Apotheken männliche und weibliche, ältere und jüngere Mitarbeiter sowie solche mit und ohne Migrationshintergrund.
Ferner finden sich hier Mitarbeiter, die eine Familie mit kleinen Kindern haben, aber auch Singles, die ungebunden und unabhängig sind. Manche Mitarbeiter sind sportlich, schlank und gesundheitsbewusst, andere halten es eher mit Churchill und seinem Spruch „no sports“. Es gibt außerdem extrovertierte Mitarbeiter, die sofort mit jedem Kunden zurechtkommen, aber auch introvertierte Mitarbeiter, die lieber weit weg vom Kunden im Labor oder in der Rezeptur glücklich sind. Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.
Jede der genannten Personengruppen mit ihren Stärken und Schwächen ist jedoch wertvoll für das Team und muss vom Chef auch individuell gefördert werden. Die unterschiedlichen Mitarbeiter stellen das Kapital der Apotheke dar, da sie die Vielfalt in der Gesellschaft widerspiegeln. Die Heterogenität eines Teams macht eine Apotheke erfolgreich und stark, sofern es der Chef versteht, allen gemeinsame Grundwerte zu vermitteln, zu allen loyal zu stehen und jedem eine gerechte, aber individuelle Förderung zukommen zu lassen. Dazu gehören auch die üblichen Incentives.
Unter den oben genannten Bedingungen erkennt man rasch, dass der einheitliche Geburtstagsstrauß, die Schachtel Pralinen zu Weihnachten oder der Schokoladeosterhase sicher nicht die ungeteilte Freude aller wecken werden. Ebenso wenig wie ein Weihnachtsessen beim Chinesen oder ein Besuch des örtlichen Musikanten-Stadels alle zur Begeisterung hinreißen wird – es sei denn, alle wären im Vorfeld gefragt worden und damit einverstanden gewesen.
Natürlich ist es gut, wenn die Mitarbeiter und der Chef sich ab und zu abseits des laufenden Apothekenbetriebs treffen, um sich besser kennenzulernen. Denn Menschen, die sich bei solch einem Treffen einmal ausgiebig unterhalten können, haben dann bei der Arbeit mehr Verständnis für den anderen. Wenn man beispielsweise weiß, dass die Kollegin gerade eine Familienkrise durchlebt und auch ohne Apotheke bereits am Anschlag ist, kann sie vielleicht für eine gewisse Zeit einmal aus der Schusslinie eines stressigen HVs genommen und eher mit Verwaltungsaufgaben betraut werden.
Solche rücksichtsvollen Maßnahmen verringern auch den Krankenstand. Denn jemand, der zu einer persönlich schwierigen Situation noch eine belastende Tätigkeit „aufgebrummt“ bekommt, wird womöglich in die Krankschreibung flüchten, um einer Überlastung oder gar folgenschweren Fehlern bei der Arbeit vorzubeugen. Das ist dann für alle die schlechteste Variante.
Die Kunst einer Führungskraft besteht somit darin, ihre Mitarbeiter ganz genau zu kennen, zu wissen, was sie gerne und damit gut machen und womit man sie individuell fördern kann. Das verlangt eine Stärken- und Schwächen-Analyse jedes Mitarbeiters und die Kenntnis der persönlichen Situation, in der er sich befindet. Natürlich ist dies diskret zu behandeln und nicht an die große Glocke zu hängen. Menschen, die ein solches Verständnis und die Hilfe ihres Chefs erfahren, werden in Zukunft dankbare, loyale und treue Beschäftigte sein!
Das nachfolgende Beispiel ist zugegeben etwas extrem, beleuchtet aber alle Facetten: Eine Mitarbeiterin trennt sich im Streit von ihrem Partner. Die Kollegen und der Chef bemerken eine Unkonzentriertheit und die Zunahme von Fehlern, ebenso ihr launisches Verhalten den Kunden und Kollegen gegenüber, was das Betriebsklima nachhaltig belastet.
Der Chef nimmt die Probleme zwar wahr, scheut aber die Intervention und hofft, dass sich das von alleine wieder gibt. Ein kleiner Nervenzusammenbruch bei einem Disput mit einer Kollegin zeigt jedoch, dass sich das Problem durch Weiterlaufenlassen nicht erledigen wird. Daher entschließt sich der Chef, nach Feierabend das Gespräch in ruhiger Atmosphäre zu suchen. Er befragt die Mitarbeiterin und fordert sie freundlich auf, alle Probleme darzulegen, damit er ihr helfen kann.
Ergebnis des Gesprächs ist, dass die Mitarbeiterin eine Auszeit braucht, um wieder zu sich selbst zu finden. Da das Team nicht sehr groß ist, stellt dies den Chef und die Kollegen vor eine Herausforderung. Eine Lösung wird dennoch gefunden, denn alle sind daran interessiert, dass die Kollegin dem Team erhalten bleibt. Diese Lösung sieht folgendermaßen aus: Es ist Mitte April. Man vereinbart, dass die Kollegin circa ein halbes Jahr Auszeit ab dem 1.Mai nimmt, dabei wird der noch nicht genommene Jahresurlaub angerechnet. Die verbleibende Zeit wird als unbezahlter Urlaub gewährt. Eine Teilzeitkraft bietet an, über die Sommermonate etwas mehr zu arbeiten, zudem wird eine Pharmaziestudentin, die sowieso im Herbst ihr Praktikum beginnen will, schon vorher als Aushilfskraft engagiert.
Die betroffene Mitarbeiterin erfüllt sich einen Herzenswunsch und macht einen ausgiebigen Segeltörn im Mittelmeer. Am 1.Oktober kommt sie völlig erholt und glücklich wieder zurück. Sie wird das dem Chef und den Kollegen nie vergessen.
Besondere Verhältnisse erfordern besondere Maßnahmen. Es ist nicht immer einfach, Probleme in dieser Form zu lösen, aber hier zeigt sich die soziale und emotionale Kompetenz von Chef und Team!
Die Wünsche der Mitarbeiter ergründen
Wie viel einfacher ist es somit, auf die kleinen Wünsche und Besonderheiten von Mitarbeitern einzugehen. Dazu sollte man sie befragen zu ihren ...
- Interessensschwerpunkten bei Fortbildungen wie Ernährung, Kosmetik, Homöopathie, Diabetes/Stoffwechselerkrankungen, Taxation, Rezeptur etc.,
- zeitlichen Präferenzen – manche arbeiten familienbedingt lieber randständig, andere arbeiten gerne samstags oder haben kein Problem, einen Notdienst am Wochenende zu übernehmen,
- persönlichen Interessen, wie Hobbys und Sport (ggf. lassen sich über diesen Weg sogar Kunden für die Apotheke gewinnen),
- Präferenzen für verschiedene Seminarformen – die einen bevorzugen Präsenzseminare in einem Hotel, andere, wie z.B. Mitarbeiter mit Familie, wollen lieber Webinare, an denen sie von zu Hause aus teilnehmen können,
- Wünschen für kleine Geschenke wie Blumen, Schokolade oder lieber ein Buch,
- Urlaubspräferenzen – die einen sind leidenschaftliche Skifahrer, die anderen eher Sonnenanbeter. Schnell werden dann Urlaubswünsche erfüllbar, die sonst womöglich zu Zwist geführt hätten.
Diese Beispiele zeigen, dass die absolute Gleichbehandlung aller Mitarbeiter durch den Chef nicht bei allen im Team auf Begeisterung stößt. Der Chef wähnt sich damit zwar auf der sicheren Seite, weil er allen das Gleiche mit identischem Wert schenkt, er macht aber nicht allen gleichermaßen Freude. Daher ist bei einem heterogenen Team eine individuelle, gezielte „Ungleichbehandlung“ sogar förderlicher für die Motivation der Teammitglieder als eine „Gleichbehandlung“. Der eine mag Pralinen, der andere lieber ein Buch oder eine CD und der nächste bevorzugt eine Kinokarte. So sind alle zufrieden und freuen sich, dass der Chef sie als Individuum wahrnimmt. Persönliche Wertschätzung äußert sich in individuellem Schenken, wobei der absolute Wert nicht das Wichtigste für den Beschenkten ist, sofern sich alle Geschenke für die Mitarbeiter finanziell im gleichen Rahmen bewegen.
Mit ein wenig Zeitaufwand und emotionaler Intelligenz sichert man so die Motivation und Freude bei der Arbeit im Team!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(05):13-13