Bildungsurlaub

Bezahlte Freistellung für die Weiterbildung


Jasmin Theuringer

Jüngst haben auch Baden-Württemberg und Thüringen die gesetzlichen Grundlagen für den Bildungsurlaub von Arbeitnehmern geschaffen. Nun können sich Arbeitnehmer nahezu im gesamten Bundesgebiet zum Zwecke der Weiterbildung von der Arbeit freistellen lassen.

Landesgesetze, die Arbeitnehmern einen Anspruch auf Gewährung von Bildungsurlaub geben, existieren in allen Bundesländern mit Ausnahme von Bayern und Sachsen.

Der Begriff Bildungsurlaub ist hierbei etwas irreführend. Es handelt sich zwar um einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht. Diese Freistellung soll aber nicht der Erholung dienen, sondern der Weiterbildung. In einigen Bundesländern ist begrifflich auch nicht von Bildungsurlaub, sondern von Bildungsfreistellung oder Bildungszeit die Rede. Gemeint ist stets das Gleiche: Der Arbeitnehmer kann von seinem Arbeitgeber eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht verlangen, um in dieser Zeit an einer anerkannten Weiterbildungsmaßnahme teilzunehmen.

Dieser Anspruch steht selbstständig neben dem Erholungsurlaub. Bildungsurlaub wird nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet, sondern stellt einen zusätzlichen Anspruch auf Freistellung dar.

Anspruchsvoraussetzungen

Der Anspruch auf Bildungsurlaub ist nicht bundeseinheitlich, sondern aufgrund der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer von diesen durch jeweils eigene Landesgesetze geregelt. Einen Anspruch auf gesetzlichen Bildungsurlaub kann also nur derjenige geltend machen, der in einem Bundesland arbeitet, in dem ein solches Gesetz existiert. Entscheidend ist hierbei nicht der Wohnort, sondern der Arbeitsort.

Sofern kein gesetzlicher Anspruch auf Bildungsurlaub besteht, sei es, weil kein Landesgesetz existiert oder weil die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des gesetzlichen Bildungsurlaubs nicht erfüllt werden, kann ein Anspruch auf Freistellung in tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen auch aus §12 des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter (BRTV) hergeleitet werden. Der Anspruch aus dem BRTV tritt anstelle des gesetzlichen Bildungsurlaubs (nicht zusätzlich), es werden also keine Doppelansprüche begründet.

Weitere Voraussetzung für einen Anspruch auf Bildungsurlaub ist eine Mindestbeschäftigungszeit. In der Regel sehen die jeweiligen Landesgesetze eine Wartezeit von sechs Monaten vor, in einigen Ländern auch ein oder sogar zwei Jahre, so zum Beispiel in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz. Auch der BRTV setzt eine Wartezeit von sechs Monaten voraus.

Geeignete Bildungsveranstaltung

Bildungsurlaub dient grundsätzlich der beruflichen oder politischen Weiterbildung der Arbeitnehmer. Häufig ist auch eine Weiterbildung zulässig, welche den Arbeitnehmer zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten qualifiziert. Einige Länder erweitern den Anspruch auf Bildungsurlaub und gewähren diesen auch zum Zwecke der allgemeinen oder kulturellen Weiterbildung, so zum Beispiel das Land Brandenburg. Andere Bundesländer wiederum, so etwa Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, stellen in den Landesgesetzen ausdrücklich klar, dass Veranstaltungen, die der Erholung, der Unterhaltung oder auch der künstlerischen oder handwerklichen Betätigung dienen, keinen Anspruch auf Freistellung gewähren können.

Die wenig konkreten gesetzlichen Formulierungen hinsichtlich der zulässigen Weiterbildungsmaßnahmen lassen einigen Auslegungsspielraum zu. Die Frage, ob die vom Arbeitnehmer ausgewählte Veranstaltung eine anerkannte Bildungsmaßnahme und damit geeignet zur Begründung eines Freistellungsanspruchs ist, kann stets nur in Abhängigkeit von der jeweiligen landesgesetzlichen Regelung beantwortet werden und ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Erforderlich, aber keinesfalls ausreichend, ist die Anerkennung der Bildungsmaßnahme durch die zuständige Behörde. Diese Anerkennung ersetzt nach ständiger Rechtsprechung nicht die Überprüfung der inhaltlichen Geeignetheit der Maßnahme durch ein Gericht. Eine Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung etwa muss nicht nur behördlich anerkannt sein, sondern zudem einen Bezug zu der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers haben. Besonders viel diskutiert wird dies im Zusammenhang mit Sprachkursen. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Schwedisch-Kurs eines Ingenieurs nicht für hinreichend berufsbezogen erachtet, umgekehrt wurde jedoch vom BAG ein Spanisch-Kurs sowohl für eine Flugbegleiterin als auch für eine Bankkauffrau als geeignete Weiterbildungsmaßnahme akzeptiert. Entscheidungsgrundlage der unterschiedlichen Urteile war dabei stets dasselbe Landesgesetz.

Zu weniger Diskussionen gibt der tarifliche Anspruch auf Bildungsurlaub Anlass: Der Anspruch nach dem BRTV besteht nur für fachlich-wissenschaftliche Fortbildungen. Allgemeine, politische oder kulturelle Fortbildungsmaßnahmen kommen daher nicht in Betracht.

Ausnahmen für Kleinbetriebe

Viele Landesgesetze schränken den Anspruch auf Bildungsurlaub für kleinere Betriebe ein, wobei die Regelungen sehr uneinheitlich sind. So sieht zum Beispiel das Landesgesetz in Nordrhein-Westfalen vor, dass in Betrieben mit weniger als 10 Arbeitnehmern gar kein durchsetzbarer Anspruch auf Bildungsurlaub besteht und in Betrieben mit bis zu 50 Arbeitnehmern der beantragte Bildungsurlaub abgelehnt werden darf, wenn bereits 10 % der Beschäftigten im laufenden Jahr Bildungsurlaub erhalten haben. Thüringen schließt den Anspruch in Betrieben mit weniger als 5 Arbeitnehmern ganz aus, Berlin erst ab 25 Arbeitnehmern.

Der tarifliche Anspruch hingegen gilt unabhängig von der Betriebsgröße in jeder tarifgebundenen Apotheke.

Ablehnungsgründe

Neben der Berufung auf die jeweilige landesgesetzliche Kleinbetriebsklausel kann der Arbeitgeber Bildungsurlaub auch dann ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe dem entgegenstehen. Solche Gründe können saisonal bedingt sein oder einfach in der Tatsache, dass zu dem Zeitpunkt des beantragten Bildungsurlaubs bereits mehreren Arbeitnehmern Erholungsurlaub gewährt worden ist. Die Landesgesetze regeln die Form- und Fristvorschriften für eine Ablehnung unterschiedlich, regelmäßig ist jedoch eine schriftliche und begründete Ablehnung erforderlich.

Inhalt des Anspruchs

Der Anspruch auf Bildungsurlaub beinhaltet stets nur die bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht für die Dauer der Weiterbildungsmaßnahme. Die Dauer beträgt in der Regel eine Arbeitswoche jährlich, in einigen Bundesländern kann der Anspruch von zwei Jahren zusammengefasst werden mit der Folge, dass bis zu zwei Arbeitswochen Freistellung beantragt werden können.

Der tarifliche Anspruch auf Bildungsurlaub differenziert zwischen den einzelnen Berufsgruppen. Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte, Apothekenhelfer, Apothekenfacharbeiter und Pharmazeutische Assistenten haben Anspruch auf drei Werktage innerhalb von zwei Jahren. Apotheker, Apothekerassistenten, Pharmazie-Ingenieure und Pharmazeutisch-technische Assistenten haben Anspruch auf sechs Werktage innerhalb von zwei Jahren. Keinen tariflichen Anspruch auf Bildungsurlaub haben Auszubildende, dazu gehören auch Pharmazeuten im Praktikum und PTA-Praktikanten.

Die Kosten der Weiterbildung einschließlich der An- und Abreise sowie eventuell erforderlicher Übernachtungen trägt stets der Arbeitnehmer selbst.

In Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz erstattet das Land dem Arbeitgeber pauschal einen Teil der Lohnfortzahlungskosten. In den übrigen Bundesländern trägt der Arbeitgeber allein die Lohnfortzahlungskosten. Hiervon zulasten des Arbeitnehmers abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.

Jasmin Theuringer, Rechtsanwältin, Bellinger Rechtsanwälte und Steuerberater, 40212 Düsseldorf, E-Mail: theuringer@bellinger.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(07):15-15