Pharmazeutisches Personal

Händeringend gesucht!


Karin Wahl

Der Markt an pharmazeutischem Personal, besonders an Approbierten, scheint leergefegt zu sein. Apothekenleiter schalten Anzeigen in der Fachpresse und klagen, dass sich niemand meldet. Auch bei den guten PTAs scheint es immer schwieriger zu werden. Was kann man tun?

Zunächst muss man zwei Entwicklungen sehen. Zum einen streben Universitätsabsolventen nicht mehr wie früher in hoher Zahl in die öffentlichen Apotheken. Vor 20 Jahren ergab sich bei der Abfrage bei den begleitenden Unterrichtsveranstaltungen noch das Bild, dass 80 % der Befragten in die Offizin wollten und nur 20 % in Industrie, Forschung, Krankenhaus oder Verwaltung. Inzwischen hat sich das Bild gewandelt. Immer weniger Pharmaziestudierende geben an, einen Job in der öffentlichen Apotheke anzustreben.

Auf der anderen Seite scheiden viele Apothekerinnen in der Familienphase aus dem Beruf aus, ziehen womöglich aus beruflichen Gründen des Partners in eine andere Stadt und verlieren dann den Kontakt zum Beruf und zur Apotheke. Da sich im Apothekenbereich tatsächlich vieles sehr schnell ändert, trauen sie sich irgendwann die Arbeit in der Apotheke nicht mehr zu. Da Fachzeitschriften oft nicht weiter abonniert werden, sehen sie auch nicht die Stellenangebote, die für sie womöglich infrage kämen.

Und dann gibt es noch die Gruppe der älteren PTAs und Apotheker, die krankheits- oder altersbedingt den aktiven Beruf aufgegeben haben und sich erst einmal auskurieren oder nach vielen Arbeitsjahren regenerieren wollen.

Oft stellt man jedoch fest, dass nach einiger Zeit bei allen genannten Gruppen wieder die Lust erwacht, wenigstens als Teilzeitkraft oder Urlaubsvertretung wieder einzusteigen. Allerdings fehlen ihnen dann oft die Kontakte oder Ansprechpartner.Zudem sind sie selbstkritisch und glauben, dass durch den Fortschritt in der Apothekentechnologie der Zug für sie abgefahren sei.

Den Wiedereinstieg begleiten

Ein guter Pharmazeut oder eine gute, gewissenhafte PTA ist vielleicht nicht mehr 100 % firm in der Bedienung der neuen Kassensysteme und muss das Wissen im Bereich der neuesten Arzneimittel wieder auffrischen. Die Arbeitseinstellung und das pharmazeutische Grundwissen sind aber immer noch vorhanden! Deshalb rate ich den händeringend nach Personal suchenden Kollegen immer Folgendes:

  • Schalten Sie kleine Anzeigen im örtlichen Lokalanzeiger, in denen Sie Apotheker/innen und PTAs suchen, ausdrücklich gerne als Wiedereinsteiger.
  • Bieten Sie einen Einstieg in Teilzeit an und die Schulung und Förderung in allen apothekenrelevanten Bereichen.
  • Stellen Sie dem Bewerber dann einen Tutor aus dem Betrieb an die Seite, der den Wiedereinsteiger – besonders am Anfang – in allen Fragen unterstützt und ihm wieder Sicherheit bei der Arbeit gibt.
  • Entsenden Sie den Wiedereinsteiger zu EDV-Schulungsseminaren und Fachfortbildungen und übernehmen Sie diese Kosten als Investition in die Zukunft.
  • Bieten Sie ein angemessenes Gehalt mit Steigerungsmöglichkeit nach erfolgreicher Einarbeitung in prozentualen Stufen.

Besonders in Apotheken mit einem hohen Anteil an jungen Mitarbeiterinnen sind Schwangerschaften zu erwarten. Wenn es „ganz dick“ für den Inhaber kommt, werden drei bis fünf Mitarbeiterinnen fast gleichzeitig schwanger und gehen dann in Mutterschutz. Wer da nicht eine Reserve an ehemaligen Mitarbeitern oder Teilzeitkräften hat, die bereit sind, befristet ihre Arbeitszeit aufzustocken, steht an der Machbarkeitsgrenze!

Der Mix macht´s

Schon deshalb rate ich Apothekeninhabern ständig zum Diversity-Management. Es sollte ein Mitarbeitermix aus jungen und älteren sowie weiblichen und männlichen Mitarbeitern aufgebaut werden, um die Risiken der einzelnen Mitarbeiter-Gruppen auffangen zu können.

Gerade ältere pharmazeutische Mitarbeiter, die die Familienphase hinter sich haben, sind in der Regel motiviert und zuverlässig. Sie sind häufig flexibel, weil sie weder Kinder aus dem Kindergarten abholen müssen, noch pünktlich zu einer bestimmten Zeit das Essen auf dem Tisch stehen muss. Wer unter Zeitdruck und mit Blick auf die Uhr arbeitet, ist oft fehleranfälliger und wirkt auf den Kunden unfreundlich und gehetzt. Das gleichen dann gelassene Kollegen aus.

Ältere Mitarbeiter wollen häufig keinen Acht-Stunden-Tag mehr, arbeiten aber gerne flexibel randständig und als Teilzeitkraft oder Urlaubsvertretung. Wenn sie wieder den Anschluss an die Apothekenarbeit gefunden haben und sich hier sicher fühlen, sind das die treuesten Mitarbeiter. Sie lernen jedoch im Gegensatz zu jungen Leuten, die die EDV oft intuitiv richtig bedienen, anders. Das heißt aber nicht, dass sie mit den Scannerkassen und den Kommissionierautomaten nicht richtig umgehen könnten. Sie müssen die Abläufe nur so erklärt bekommen, dass sie diese verstehen und sich zu den Vorgängen Notizen machen können. Wo junge Menschen oft mutig die „Enter-Taste“ drücken, bedenken ältere Mitarbeiter ohne die Arbeitsroutine erst einmal die Folgen einer solchen Aktion.

Mitarbeiter, die in der Familienphase wieder einsteigen oder ältere, langgediente Mitarbeiter, die sich einmal eine Auszeit genommen haben, bringen folgende positive Eigenschaften mit:

  • Lebenserfahrung.
  • Sie können zuhören.
  • Sie stellen sich auf die unterschiedlichen Kundentypen leichter ein.
  • Mütter beraten Mütter kompetenter als Mitarbeiter ohne Erfahrung mit Kindern.
  • Ältere Mitarbeiter haben sowohl Verständnis für die Sorgen und Nöte von Müttern mit Kindern als auch für ältere Menschen, die häuslich gepflegt werden müssen.
  • Sie sind resilient und stresserprobt, besonders wenn eigene einschlägige Erfahrungen gemacht wurden.
  • Sie haben Geduld mit älteren Menschen, die gerne einmal den Betrieb aufhalten.
  • Sie sind flexibel, wenn es die Situation erfordert und springen auch einmal für andere ein.

Geduld zahlt sich aus

Dabei sollte man den Wiedereinsteigern entgegenkommen, was ihre Stärken betrifft. Einer PTA, die fünf Jahre aus dem Job war, würde ich anfänglich nicht unbedingt die schwierigste Rezeptur aufzwingen. Da fühlt sie sich schnell überfordert und wirft das Handtuch. Manche PTAs übernehmen dagegen gerne das Labor oder den Handverkauf und arbeiten sich dort schnell in die Dermopharmazie, die Diabetikerberatung oder die Beratung zum Inkontinenzbedarf ein.

Je sicherer jemand wieder im Job ist, umso mehr Aufgaben können ihm übertragen werden. Das heißt also, dass sowohl der Chef als auch das restliche Stammteam zumindest am Anfang Geduld aufbringen sollten. Die am Anfang investierte Zeit, die dem Wiedereinsteiger Sicherheit gibt, zahlt sich später aus.

Dabei muss angemerkt werden, dass sich die Apothekerkammern und -verbände vermehrt dieses Themas annehmen sollten, damit die flächendeckende Existenz der Apotheken gesichert wird. Dass solche Aktionen gelingen können, wurde vor Jahren mit Erfolg in Baden-Württemberg bewiesen. Dort haben interessierte Kollegen und Kolleginnen an mehreren Wochenenden in ihren Apotheken sog. Tutorenkurse angeboten für Wiedereinsteiger und Menschen mit Migrationshintergrund und abgeschlossener Ausbildung. Die Teilnehmer zahlten an den jeweiligen Inhaber als „Tutor“ eine Gebühr. Die Teilnehmer mit Migrationshintergrund waren danach sogar in der Lage, das Dritte Staatsexamen zu schaffen und in den deutschen Arbeitsmarkt einzusteigen.

Wie eingangs erwähnt, gibt es genügend Personen, die dem Arbeitsmarkt wieder zugeführt werden können. Man muss sie nur finden und auf dem richtigen Kanal ansprechen. Ältere Mitarbeiter erreicht man eher mit Inseraten in den ihnen zur Verfügung stehenden Printmedien, jüngere sind über Social Media zu erreichen. Je lokaler das Medium, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es eine infrage kommende Person liest.

Laden Sie mit einer gelungenen Anzeige zu einem Vorstellungsgespräch ein und nehmen Sie den Bewerbern die Angst des Scheiterns. Eine schrittweise Eingliederung hat die größte Aussicht auf dauerhaften Erfolg!

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(07):13-13