Karin Wahl
Es darf dabei erstaunen, dass Arztpraxen diese Pflichtvorschrift so nicht haben. Oft liegen sie im ersten Obergeschoss ohne Aufzug und sind damit für Patienten mit Rollatoren oder Rollstühlen sowie für gehbehinderte Patienten ein unüberwindliches Hindernis. Ärzten wird es somit selbst überlassen, wie und wo sie ihre Praxisräume haben und dem Patienten wird es überlassen, sich einen Arzt für seine Bedürfnisse zu suchen.
Bei den Apotheken greift der Gesetzgeber in einer Art ein, die einer Enteignung gleichkommt. Denn eine traditionelle Apotheke im denkmalgeschützten Fachwerkhaus, nur über Treppen zu erreichen, ist damit unverkäuflich geworden, sofern die Gemeinde und ggf. Denkmalbehörde keiner baulichen Veränderung zustimmen. Gegebenenfalls wird eine Ausnahmegenehmigung für den derzeitigen Inhaber ausgestellt. Diese ist aber leider nicht auf einen Nachfolger mit langfristiger Sicherheit übertragbar.
Üblicherweise endet dann mit dem Ruhestand des Inhabers die Fortführung der Apotheke in diesen Räumen. Wer mit aufmerksamem Blick durch Deutschland mit vielen Flüssen, Bergen und Tälern fährt, stellt schnell fest, dass der Anteil betroffener Apotheken sehr hoch ist. Früher wurden die Apothekenräume als Schutz gegen Hochwasser ins Hochparterre verlegt und waren nur über Treppen zu erreichen. Ebenso wurden Apotheken an Straßen mit Steigungen mit ausgleichenden Treppen versehen.
Der Fortschritt in der Medizintechnik erlaubt es, heute Menschen zu mobilisieren, die früher ihre Wohnungen krankheitsbedingt nicht verlassen konnten. Daher muss sich der lokale Handel auf diese neue Situation einstellen. Jeder Kaufmann wird schon im eigenen Geschäftsinteresse versuchen, Lösungen für diese Klientel zu finden – etwa Gegensprechanlagen unter einer Überdachung für Rollstuhlfahrer oder Rampen, sodass Kunden mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator in das Geschäft gelangen können. Das setzt aber voraus, dass der Hausbesitzer und die Gemeinde die Erlaubnis für diese baulich verändernde Maßnahme geben.
Vorausschauend handeln
In den letzten Jahren herrschte diesbezüglich zäher Schriftwechsel zwischen Apothekeninhabern in denkmalgeschützten Gebäuden aus vorigen Jahrhunderten, denen Veränderungen verwehrt werden, und den Behörden. Was ist also tun? Einen Streit mit den Behörden wird man selten gewinnen. Da es darum geht, die Existenz des Unternehmens über die Zeit des derzeitigen Inhabers hinaus zu gewährleisten, sind vorübergehendeAusnahmegenehmigungen nur bedingt hilfreich. Guten Gewissens kann man keinem potenziellen Käufer raten, ein Objekt mit solchen Unwägbarkeiten zu erwerben, besonders wenn er das über Kredite finanzieren muss.
In der Praxis gibt es daher verschiedene Lösungsansätze. Entscheidend ist, rechtzeitig und zwar möglichst fünf bis zehn Jahre vor einer geplanten Apothekenveräußerung eine Strategie zu entwickeln.
Bürgermeister ansprechen
Eine Option ist, in ländlichen Bereichen zum Bürgermeister zu gehen. Ihm ist es erfahrungsgemäß ein großes Anliegen, dass im Ort weiter eine Abdeckung durch eine lokale Apotheke besteht. Immer wieder werden in Ortschaften durch die Gemeinde neue Immobilien errichtet. Schließt man sich rechtzeitig mit dem Bürgermeister kurz, werden bei einem Neubau gleich Verkaufsräume für die Apotheke mitgeplant. Manchmal entstehen dann als Prestigeobjekte auch kleine Ärztehäuser, denn Ärzte schließen sich gerne solchen Projekten an, um ebenfalls barrierefreie Räume mit Aufzug zu bekommen.
In enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde werden auch die besonderen Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung an die Apothekenräume beim Bau gleich mitberücksichtigt. Auf diese Weise kann eine maßgeschneiderte Apotheke entstehen – bei fertigen Räumlichkeiten muss man häufig Umbauten vornehmen oder mit Kompromissen leben. So kommt der Inhaber der Apotheke sogar noch einige Jahre in den Genuss moderner, barrierefreier Räumlichkeiten, kann mit diesen noch einmal durchstarten, um dann nach angemessener Zeit die Apotheke an einen Nachfolger mit höherem Umsatz und Gewinn zu veräußern.
Nachfolger einbeziehen
Eine weitere Option kann es sein, dass man in der Familie oder im Mitarbeiterkreis einen potenziellen Nachfolger hat, der bereit ist, mit dem bisherigen Inhaber auf die Suche nach neuen, geeigneten Räumen zu gehen. Bis diese gefunden sind, wird die geplante Nachfolge in die Wege geleitet. Dieses Vorgehen verlangt eine sehr gute und loyale Zusammenarbeit und auch die gegenseitige Wertschätzung der Beteiligten.
In einem Vorvertrag werden dabei die Modalitäten festgelegt. Man vereinbart einen angemessenen Kaufpreis und legt fest, wie entstehende Kosten später aufgeteilt werden und ggf. den Kaufpreis beeinflussen.
Besondere Überlegungen sind in puncto Mietvertrag anzustellen, sofern sich die Apotheke in gemieteten Räumen befindet. Abhängig von der Restlaufzeit des Mietvertrags sollte mit dem Vermieter vereinbart werden, dass der Mieter aus besonderen Gründen – nämlich der fehlenden, gesetzlich geforderten Barrierefreiheit – aus dem Mietvertrag entlassen wird, sobald neue, geeignete Räume gefunden werden.
In der Praxis hat es sich bewährt, diesen Umzug dann als Verlegung der bestehenden Apotheke auszuführen, besonders wenn die neuen Räume in der Nähe der alten Räumlichkeiten liegen. Eine Verlegung durch den bisherigen Inhaber ist bürokratisch einfacher als eine Neugründung. Häufig können Labor und Rezeptureinrichtungen weiter verwendet werden, ebenso wie Technik oder andere Inventarteile. Erst später nach der Revision der verlegten Apotheke wird dann der Vorvertrag zu einem Kaufvertrag umgewandelt. So hat der Käufer auch die Garantie, eine revisionierte Apotheke zu übernehmen und kann sich gleich dem Apothekenbetrieb widmen.
Müssen die alten Räumlichkeiten nicht taggenau geräumt werden, sondern werden sie beispielsweise noch einen Monat länger gemietet, können die Waren und Übervorräte in Ruhe vollends umgezogen und Altes gleich entsorgt werden.
Diese Vorgehensweise hilft dem älteren Kollegen, der alleine nicht mehr die Kraft gefunden hätte, diese Maßnahmen umzusetzen. So wird das Lebenswerk weitergeführt und er erzielt noch einen den Umständen angemessenen Kaufpreis, anstatt die Apotheke mit Verlusten zu schließen. Der Nachfolger wiederum lernt auf diese Weise sehr viel für seine zukünftige Arbeit. Das setzt aber wie bereits oben betont voraus, dass sich Verkäufer und Käufer voll vertrauen und fair miteinander umgehen.
Kleine Umbauten
Bei Apothekenräumen, die sich an nicht zu steilen Hanglagen befinden, lässt sich mit einem guten Architekten und einem versierten Handwerker ein Teil der ein oder zwei Stufen so schleifen, dass die Apothekenräume von oben stufenlos befahren werden können und nur von unten die Stufe zu nehmen ist. Das sind dann kleine, nicht sehr teure Umbauten, die helfen, den Weiterbetrieb und die Zukunftsfähigkeit der Apotheke zu sichern.
In den Fällen, in denen keine Lösung gefunden wird, werden viele, besonders kleine Apotheken mit älteren Inhabern bei deren Eintritt in den Ruhestand die Türen für immer schließen müssen. Jeder, der schon einmal an der Abwicklung von Apotheken, die nicht mehr verkäuflich waren, beteiligt war, weiß, wie schmerzhaft das mühsame Veräußern von Inventar und Warenlager unter großen Verlusten ist. Es geht nur noch darum, dass die Räume fristgerecht besenrein sind. Liebgewonnene Dinge landen auf dem Müll oder werden verschenkt, nur damit alles leer wird.
Somit kann man nur jedem Kollegen raten: Tun Sie sich das nicht an, sondern handeln Sie rechtzeitig und kämpfen Sie für den Erhalt Ihres Lebenswerkes!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(09):9-9