Emanuel Winklhofer
Der Kunde, der vor Ihnen im HV steht, ist ein Mensch mit Bedürfnissen und Wünschen, mit Sorgen und Problemen. Ihn gilt es zunächst aufmerksam wahrzunehmen, er ist nicht nur die Nummer 87 des heutigen Tages. Diese Person will wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Menschen brauchen Annahme und Aufmerksamkeit. Ginge es nur um die Distribution von Arzneimitteln, dann könnte man ein Schmerzmittel, einen Hustensaft oder ein Nasenspray einfach aus dem Automaten ziehen. In einem persönlichen Kundengespräch findet jedoch mehr statt als nur die Übergabe von Arzneimitteln.
Die Apotheken befinden sich in einem gesättigten Wettbewerb und der Kunde hat genügend Auswahlmöglichkeiten, um seine Medikamente zu besorgen. Wenn er also Ihre Apotheke aufsucht, hat dies möglicherweise einige rationale Gründe (gute Beratung, Lieferfähigkeit etc.). Viel entscheidender bei seiner Auswahl der Apotheke ist aber sicher die emotionale Ebene und diese läuft hauptsächlich im Unterbewusstsein ab.
Jedes Gespräch läuft auf einer Inhaltsebene und auf einer Beziehungsebene ab. Letztere wird den Wohlfühlfaktor des Kunden bestimmen und irgendwo im Gehirn (es ist der Nucleus accumbens) werden positive Häkchen gesetzt, die dem Kunden signalisieren, dass alles in bester Ordnung ist und es ihm gut geht. Das Ziel besteht darin, dass sich der Kunde so wohl fühlt, dass er gern wieder in Ihre Apotheke kommt.
Der erste Eindruck
Der erste Eindruck, den ein Kunde von Ihnen gewinnt, läuft im Allgemeinen in 250 Millisekunden ab und für diesen ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Ausschlaggebend dafür sind Elemente der Körpersprache wie Mimik, Gestik, Blickkontakt, Haltung oder auch das Abstandsverhalten. Jemand nimmt das Geschlecht war, die Größe, die Haarfarbe, die Kleidung, den Schmuck und vieles mehr. Es gibt aber noch einen weiteren Bereich, der den ersten Eindruck prägt: Jeder Mensch hat in seinem Leben Erfahrungen gemacht und aus diesen Erfahrungen können auch Vorurteile entstehen.
Hat ein Mensch also einmal eine negative Erfahrung mit einem anderen Menschen gemacht, der ein bestimmtes Aussehen oder eine bestimmte Art zu sprechen hatte (und dies kann schon viele Jahre zurückliegen), dann kommt es gelegentlich vor, dass diese negative Erfahrung unbewusst auf das gerade ablaufende Gespräch projiziert wird. Diese Situation lässt sich nur durch besonders viel Freundlichkeit und eine gesteigerte Aufmerksamkeit lösen.
Es geht immer wieder um die Basics beim Umgang mit Kunden, die leider im Tagesgeschäft manchmal in Vergessenheit geraten. Prüfen Sie deshalb von Zeit zu Zeit, wie Sie und Ihre Mitarbeiter mit den Kunden verbal und auf der emotionalen Ebene umgehen.
Kunden wahrnehmen
Für Menschen ist es ein Grundbedürfnis, wahrgenommen zu werden. Zudem bedeutet Warten ein negatives Einkaufserlebnis. Angenehmer wird es, wenn der Wartende das Gefühl hat, bemerkt worden zu sein. Versuchen Sie deshalb, wenn immer es möglich ist, einen Kunden früh genug in der Apotheke wahrzunehmen, ihn zu (be)grüßen. Dies kann mit einem Blickkontakt geschehen oder tatsächlich verbal mit einem „Guten Morgen“, „Guten Tag“,„Grüß Gott“ oder „Moin“. Wenn Sie gerade einen Kunden bedienen, wird das Begrüßen eines hereinkommenden Kunden schon schwieriger, denn sie dürfen Ihr laufendes Gespräch maximal ein oder zwei Mal für dieses Wahrnehmen eines anderen Menschen unterbrechen.
Hält sich allerdings ein Mitarbeiter des Teams im Kundenraum auf und räumt Ware ein oder bearbeitet Listen, besteht dessen oberste Priorität darin, den Kunden zu bemerken. Vom Mitarbeiter ist es nicht unhöflich gemeint, wenn er konzentriert am Regal arbeitet. Für den Kunden ist es allerdings die Höchststrafe: „Der erste Repräsentant eines Unternehmens nimmt mich nicht einmal wahr“.
Blickkontakt und Lächeln
Steht ein Kunde mit einem Rezept vor uns, sind wir darauf manchmal so fixiert und starren es an, als müssten wir es uns einverleiben. Die Medikamente auf diesem Rezept sind in diesem Moment noch vollkommen unwichtig. Der Kunde steht im Mittelpunkt und ihm wollen wir zunächst das Gefühl geben, er ist angekommen, angenommen und herzlich willkommen. Nehmen Sie sich bitte die Zeit, ihm einen Blickkontakt und ein freundliches Lächeln zu schenken. Dazu gehört eine Grußformel und wenn Sie den Kunden kennen, dann sprechen Sie ihn ruhig mit seinem Namen an.
Man meint manchmal, dies sei doch alles selbstverständlich und genau so laufe es bei uns doch sowieso immer ab. Doch ich weiß aus Erfahrung, dass gerade dieses Begrüßungsritual – geschuldet dem Zeitdruck, der Hektik, der geringen Besetzung, dem momentanen Kundenansturm oder dem sinkenden Insulinspiegel kurz vor der Mittagspause – auf ein kaum wahrnehmbares Minimum reduziert wird. Glücklicherweise sind die Zeiten endgültig vorbei, in denen ein ernst blickender Apotheker das Rezept gnädig in Empfang nahm und wortlos nach hinten verschwand...
Ein Dankeschön fürs Rezept
Es ist auch nicht selbstverständlich, dass ein Kunde mit dem Rezept zu Ihnen kommt. Es gibt noch weitere rund 20.200 Apotheken in Deutschland. Sagen Sie ihm deshalb ein freundliches „Dankeschön“, wenn Sie sein Rezept entgegennehmen. Natürlich zieht uns die EDV viel emotionale Energie vom Kunden weg. Wir müssen uns konzentrieren, die richtigen Eingaben machen, das passende Produkt auswählen, die Vorgaben der Krankenkassen prüfen, was die Rabattverträge betrifft usw. Informieren Sie bitte deshalb den Kunden über Ihr weiteres Vorgehen, bevor Sie sich der EDV zuwenden.
Information für den Kunden
Im einfachsten Fall könnte dies der Satz sein: „Vielen Dank, ich hole gerade Ihre Medikamente und bin gleich wieder für Sie da.“ Oder wenn sie mit einem Kommissionierautomaten arbeiten: „Vielen Dank, ich gebe gerade Ihr Medikamente ein, es kommt dann gleich automatisch.“ Oder der häufigste Fall, wenn sie die Rabattverträge prüfen: „Vielen Dank, ich sehe gerade nach, welche Vertragspartner Ihre Krankenkasse hat.“ Dann dürfen Sie sich gern Ihrem Computersystem zuwenden. Vermeiden Sie es bitte, sich mit dem Kunden zu unterhalten, während Sie am PC arbeiten. Sie werden hierbei, da Sie sich ja auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren müssen, einen sehr ernsten Blick haben.
Kommt man von hinten mit den Medikamenten wieder nach vorne oder holt man die Medikamente aus dem Automaten, dann leitet man die Fortsetzung des Verkaufsgesprächs oft mit einem langen „Sooo...“ ein, vielleicht noch verknüpft mit einem unsinnigen „und zwar...“. Diese Verlegenheitswörter signalisieren nun wirklich keine Professionalität! Es ist sinnvoller, nochmals einen freundlichen Blickkontakt aufzunehmen, um dann den nächsten Satz ohne irgendwelche Floskeln zu beginnen.
Das Lächeln und der Blickkontakt sind auch am Schluss eines Kundengesprächs sehr wichtig. So wie Sie einen Kunden verabschieden, so trägt er Sie im Gedächtnis und es sollte im modernen Marketing mehr sein, als nur das übliche: „Auf Wiedersehen“.
Stellen Sie sich also dieser Herausforderung und nehmen Sie sich bitte immer wieder die Zeit, den Einstieg in ein Kundengespräch als etwas ganz Besonderes anzusehen. Und wenn Sie glauben, es seien doch nur Kleinigkeiten – für die Kunden haben sie eine sehr große Bedeutung. „Like“ oder „Dislike“ wird durch das Bauchgefühl des Kunden entschieden!
3-Minuten-Video
Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zum Thema „Einstieg in das Kundengespräch“ finden Sie auf der Homepage des Autors unter
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(09):11-11