Schlauer scheitern

Fehler fördern Fähigkeiten!


Ute Jürgens

Geht etwas schief, meinen viele, dies dürfe möglichst niemand merken. Handelt es sich dabei jedoch um immer wiederkehrende Fehler oder größere Fehler im Management, sollten Sie das besser auf positive Weise im Team diskutieren – und gemeinsam kluge Lösungen entwickeln.

Auch im Berufsleben geht einmal etwas schief. Dies fängt bei Rechen- und Abgabefehlern an und hört bei Missgriffen in der Personaleinstellung, Fehlkalkulationen im großen Ausmaß, Filialeröffnung am schlechten Standort oder gar einer Insolvenz auf. Sollten Sie nun den Kopf in den Sand stecken? Nein, behalten Sie ihn oben und gehen Sie mit mehr Überblick weiter voran!

Die „falsche“ Einstellung zu Fehlern ermöglicht leider neue. Scheitern bedeutet für die meisten Menschen eine ausschließlich unangenehme Erfahrung, die daher konsequent ausgeblendet wird. Viele von uns sind Meister im Verdrängen – wir vergessen den Lapsus, reflektieren ihn nicht und machen ihn so immer wieder. Verbietet man sich zu scheitern, kann man auch nicht daraus lernen und vergibt eine Chance zur Weiterentwicklung. Schlauer scheitern heißt daher:

  • Differenzieren zwischen Situation und Person – was hätte ich ändern können und was nicht?
  • Das Wissen über eigene Fähigkeiten und Grenzen einbeziehen.
  • Eine aufrechte Haltung einnehmen – das Scheitern als Entwicklungsschritt akzeptieren.

Absolute Fehlerfreiheit ist eine Illusion, ebenso wie die perfekte Kontrolle. In „Die Illusion der perfekten Kontrolle“ erklärt der Arzt und Autor Bernd Sprenger: „Das Leben entwickelt sich nur, weil Fehler geschehen und die Mutationen und Neuerungen bessere Anpassung ermöglichen.“ Diese biologische Tatsache gilt genauso für das Überleben von Betrieben. Eine gediegene Fehlerkultur im Betrieb ist paradoxerweise die beste Möglichkeit, um das Vorkommen von Fehlern zu minimieren und die Funktionsfähigkeit der Organisation zu maximieren. Die Organisationsberater Lars Burmeister und Leila Steinhilper betonen: „Basis ist eine Unternehmenskultur ... in der Fehler und Scheitern nicht bestraft und tabuisiert, sondern transparent und besprechbar gemacht werden ... Scheitern und Erfolg tragen die Quelle des jeweils anderen in sich ...“

Wenn wir eigene Fehler als menschlich ansehen, sie akzeptieren und uns zugestehen, können wir beginnen, an uns selbst zu arbeiten. Sehen wir die Fehler nur bei den Kollegen, haben wir natürlich keine Veranlassung, uns selbst anders zu verhalten. Im fairen Team weist allerdings niemand lauthals seine Kollegen zurecht! Ein Hinweis und die entsprechende Korrektur sind angebracht, mehr nicht.

Wie bemerkt man Fehler?

Natürlich fallen uns Fehler auf, wenn wir die Rezepte am Tagesende oder in der Mittagspause noch einmal durchsehen oder beim Protokollieren die Berechnung der Einzelstoffe einer Rezeptur noch einmal nachvollziehen. Nicht alles kontrollieren wir jedoch automatisch. Die Beratung der Kunden, der Umgang mit ihnen, das Bestellwesen von Büromaterial und Rezepturbehältnissen sowie der Umgang miteinander – hier wird man sich der Fehler erst offenbar, wenn das „Kind bereits im Brunnen liegt“.

Auf größerer Ebene sind es Irrtümer im Management: Eine groß eingekaufte Produktserie, die in den Regalen liegenbleibt, Unterbesetzung an einzelnen Tagen obwohl das Team groß genug ist, zu kurze oder zu lange Öffnungszeiten – es gibt genug Fallen, in die wir tappen können. Geld- und Zeitverluste sind eventuell ebenfalls ein Hinweis auf bisher noch unbekannte Mängel zum Beispiel im Hinblick auf schlechte Organisation.

Erfahrung ist die Summe aller Fehler, die wir gemacht haben. Und deswegen sollten wir uns beeilen, „unsere ersten 1.000 Fehler möglichst schnell zu machen“ (Ralph Senftleben in www.zeitzuleben.de) oder sie bei Kollegen beobachten. Wenn im Betrieb etwas schief läuft, können wir uns fragen, ob es unter diesen Umständen nicht jedem passiert wäre und ehrlich antworten sowie zusammen auf Abhilfe sinnen, wie sich etwas anders organisieren lässt etc.

Es gibt „alte Hasen“, die schon viel gesehen und erlebt haben und deren Erfahrung eine wahre Fundgrube ist. Fragen Sie nach Ideen, übernehmen Sie Bewährtes, interviewen Sie neue Teammitglieder oder auch Außenstehende mit unverfälschtem Blick – dann probieren Sie Neues aus.

Übrigens: Ihr QM-Ordner ist hungrig, Fehlerprotokolle sind vermutlich kaum vorhanden. Nutzen Sie die Gelegenheit und schreiben Sie die im Team verabredeten Maßnahmen auf, der Ordner ist eine gute Quelle, falls etwas in Vergessenheit geraten sollte.

Die Bewertung von Fehlern

Fallen einzelne Mitarbeiter dadurch auf, dass sie mehr Fehler als andere machen? Das ist nicht unbedingt negativ. Vielleicht sind es gerade diejenigen, die Neues anpacken, wo andere sich vornehm zurückhalten? Oder diejenigen, die besonders schnell sind oder es versuchen? Vielleicht handelt es sich um Mitarbeiter, die anderen beständig hinterherarbeiten und ihre ureigenen Aufgaben nur noch unvollständig oder gar nicht mehr schaffen? Gehen sie immer fleißig als erste in den HV und nehmen bei der Rückkehr unkonzentriert den Faden wieder auf, während andere sich gar nicht von den Kunden „stören“ lassen? Ist die betreffende Person mit der Rolle des Sündenbocks behaftet und wird daher „automatisch“ für alles verantwortlich gemacht, was schief läuft?

Wenn Sie überhöhte Erwartungen an jemanden oder an bestimmte Dinge wie zum Beispiel Verkaufszahlen stellen, ist ein Scheitern anders zu bewerten als ein nicht erreichtes realistisches Ziel.

Angst kann lähmen

Ein häufig vorkommendes Manko ist es, vor lauter Angst gar nichts zu tun. Dadurch kommen wir nicht weiter, die Situation bleibt bestehen oder wird von anderen Kollegen gelöst. Wenn diese Arbeit das nächste Mal ansteht, sind wir genauso schlau wie zuvor und müssen wieder delegieren. Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter, Fragen zu stellen, auch wenn sie Angst haben, andere damit zu nerven. Bei Antworten wie „Was? Das können Sie immer noch nicht?“ oder „Das habe ich Ihnen doch schon erzählt!“ greifen Sie ein und klären. Falls der angesprochene Mitarbeiter keine Anleitung gibt, gilt es herauszufinden, warum dies so ist.

Wir wissen alle, wie viele Versuche und Forschung es benötigt, bis ein Arzneimittel auf den Markt kommt, von der Zeit in Jahren einmal ganz abgesehen. Auch dort geschehen Fehler, „Learning by Doing“ ist normal.

Wenn wir uns wegen unserer „Vergehen“ selbst fertigmachen, richten wir unseren Blick nur auf das, was wir nicht tun wollen und stecken damit ganz viel Energie in genau dieses Verhalten. Wer es hingegen schafft, die Gedanken auf das zu richten, was er oder sie das nächste Mal anders machen möchte, investiert seine Energie in Veränderung.

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Buch-Tipp

Lars Burmeister, Leila Steinhülper: Gescheiter scheitern. Eine Anleitung für Führungskräfte und Berater. Carl-Auer Verlag. 2015. 19,95€

Bernd Sprenger: Die Illusion der perfekten Kontrolle. Kösel Verlag. 2009. 17,95€

zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag (Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E‑Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de).

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(09):13-13