Helmut Lehr
Der Erbschaft- und Schenkungsteuer-Kompromiss der Regierungskoalition passierte am 24. Juni 2016 mit großer Mehrheit den Bundestag. Nachdem der Bundesrat am 8. Juli der Reform wegen Bedenken von SPD und Grünen nicht zustimmte, wird nun ein Vermittlungsverfahren notwendig. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die nachfolgend dargestellten neuen Regelungen für kleinere Betriebe hierbei keine gravierenden Änderungen mehr erfahren werden.
Bisherige Vergünstigungen für Betriebsvermögen
Nach bisherigem Recht müssen die meisten Unternehmensnachfolger kaum bzw. keine Erbschaft- bzw. Schenkungsteuern zahlen, wenn sie den Betrieb lange genug weiterführen und die Arbeitsplätze erhalten. Nach dem sogenannten Regelmodell greift eine Steuerfreistellung von 85 % des übertragenen begünstigten Vermögens (gegebenenfalls zusätzlicher „Freibetrag“ von 150.000 €). Das sogenannte Optionsmodell sieht sogar eine vollständige Steuerfreistellung vor für den Fall, dass besondere Voraussetzungen erfüllt werden.
Im Mittelpunkt steht hier der „Lohnsummentest“, anhand dessen die Finanzverwaltung prüft, ob die Arbeitsplätze dauerhaft erhalten wurden. Beim Regelmodell musste die Lohnsumme bislang innerhalb von fünf Jahren 400 % der Ausgangslohnsumme im Zeitpunkt der Übertragung entsprechen, um die Steuervergünstigungen zu erhalten. Das Optionsmodell erforderte das Erreichen von 700 % der Ausgangslohnsumme innerhalb von sieben Jahren.
Hinweis: Für die meisten Apotheken kam es bislang allerdings gar nicht auf diese Voraussetzungen an, weil der Lohnsummentest bei Betrieben mit maximal 20 Mitarbeitern entfiel. Das Bundesverfassungsgericht hatte nicht zuletzt diese Erleichterung moniert.
Verschonungen bleiben erhalten
Nach dem nun gefundenen Regierungskompromiss bleiben die Steuerfreistellungen von 85 % (Regelmodell) bzw. 100 % (Optionsmodell) dem Grunde nach weiter erhalten. Während der erste Gesetzesentwurf vom 8. Juli 2015 Betriebe mit bis zu drei Mitarbeitern vom Lohnsummentest befreite, wird die Grenze nun auf fünf Beschäftigte („kleine Unternehmen“) angehoben. Für Unternehmen, die zwischen sechs und 15 Mitarbeiter beschäftigen, greift jetzt neu ein in zwei Stufen gestaffelter Lohnsummentest.
Einige Apothekeninhaber können ihren Betrieb womöglich gezielt „klein rechnen“, denn Mitarbeiter im Mutterschutz und in Elternzeit, Langzeiterkrankte, Auszubildende und Saisonarbeiter zählen hier nicht mit. Ein guter Teil der Apotheken, die künftig auf die nächste Generation übertragen wird, dürfte allerdings vom neuen Lohnsummentest „betroffen“ sein.
Hinweis: Hier kann sich dann womöglich die Frage stellen, ob Kinder als Approbierte tatsächlich vor der Übergabe im elterlichen Betrieb mitarbeiten sollten, da sie dadurch die Ausgangslohnsumme erhöhen, nach der Übertragung dann aber als „Inhaber“ nicht mehr beim Lohnsummentest berücksichtigt werden. Dies wäre dann bei der Prüfung zur Verschonungsregelung mit dem Abbau eines Arbeitsplatzes vergleichbar und deshalb möglicherweise steuerschädlich, eine gefährliche Falle.
Unternehmenswert wird nun etwas fairer berechnet
Schon bislang bestand die Möglichkeit, den Wert des Unternehmens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach einem „vereinfachten Ertragswertverfahren“ zu berechnen. Dabei wurde – vereinfacht dargestellt – der Durchschnittsertrag der letzten drei Jahre ermittelt (als Grundlage für die Annahme künftiger Geschäftsergebnisse) und mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert.
Dieser Faktor errechnete sich bisher aus einem von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Basiszins (Anfang 2016: 1,10 %) und einem Zuschlag von 4,5 %. Der Kehrwert dieses Kapitalisierungszinssatzes ist der Kapitalisierungsfaktor (für 2016 bislang: 17,86).
Zur Vermeidung von Überbewertungen durch das derzeit geringe Zinsniveau wird der Kapitalisierungsfaktor auf einen Korridor von 10 bis maximal 12,5 abgesenkt. Ob dies für Apotheken zu einem sachgerechten Wert führt, muss im Einzelfall entschieden werden.
Hinweis: Mittel aus einem Erbe, die gemäß einem vorgefassten Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod für Investitionen in das Unternehmen verwendet werden, sind zusätzlich begünstigt.
Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen bleibt
Bislang haben sich die betrieblichen Vergünstigungen auf das begünstigte Betriebsvermögen und nicht auf etwaig vorhandenes „schädliches“ Verwaltungsvermögen bezogen. Die Regelungen sind im Einzelnen sehr komplex, für Apotheken haben sich hierdurch zumeist allerdings keine zusätzlichen Hindernisse für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen ergeben.
Auch im „neuen Recht“ wird es bei der Abgrenzung zwischen „verschonungswürdigem“ und „nicht verschonungswürdigem“ Vermögen bleiben. Allerdings sind 10 % des Verwaltungsvermögens grundsätzlich begünstigt.
Regelungen für „große Mittelständler“
Die uneingeschränkte Regel- bzw. Optionsverschonung (85 % bzw. 100 %) wird nur noch für Betriebsvermögenbis zu 26 Mio. € gewährt. Beim Erwerb großer Vermögen über 26 Mio. € wird ein Wahlrecht zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung und einem Verschonungsabschlageingeführt. Wegen der 26-Mio.-€-Grenze werden sich vermutlich nur wenige Apothekeninhaber mit diesen Sonderregelungen beschäftigen müssen.
Bei der Verschonungsbedarfsprüfung hat der Erwerber nachzuweisen, dass er nicht in der Lage sein würde, die Steuerschuld mit anderem als Betriebsvermögen zu zahlen. Kurzum: Er muss sein Privatvermögen offenlegen.
Beim Verschonungsabschlagsmodell verringert sich der Verschonungsabschlag um je einen Prozentpunkt für je 750.000€, die der Erwerb oberhalb der Schwelle von 26 Mio. € liegt. Die Verschonung entfällt daher beim Regelmodell ab einem Erwerb von 89,75 Mio.€. Bei der Optionsverschonung gilt eine „Erwerbsgrenze“ von 90 Mio. €.
Hinweis: Entscheidet sich der Erwerber für die Bedarfsprüfung, kommt es nur insoweit zu einer Erhebung der Erbschaftsteuer, als die Steuer aus der Hälfte des Privatvermögens gedeckt werden kann (Möglichkeit eines Steuererlassantrags).
Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen wird bereits angezweifelt
Wie lange das „neue Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht“ Bestand haben wird, lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt nur schwer vorhersagen. Die neuen Regelungen haben mit einer grundlegenden Reform wenig zu tun und führen zu einer weiteren deutlichen Verkomplizierung der Materie.
So war sich Brandenburgs Finanzminister Görke bereits kurz nach Bekanntwerden des Steuerkompromisses sicher, dass dieser vor dem Bundesverfassungsgericht erneut keinen Bestand haben werde.
Hinweis: Man wird sicherlich davon ausgehen können, dass die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Rahmenbedingungen für Apothekenmittelfristig gesehen keineswegs besser werden, als dies derzeit der Fall ist. Sofern auch die Neuregelung vor dem Bundesverfassungsgericht landet, dürften die betrieblichen Verschonungsregelungen nochmals überprüft und eventuell als immer noch „zu weitgehend“ beurteilt werden.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(14):15-15