Helmut Lehr
Über den Erbschaft- und Schenkungsteuer-Kompromiss des Bundestags wurde an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet (vgl. AWA-Ausgabe Nr. 14 vom 15. Juli 2016, Seite 15 und 16). Nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens und Verabschiedung des Gesetzes haben sich die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Übertragung einer Apotheke nicht mehr wesentlich verändert. Sie werden nachfolgend nochmals kurz skizziert, wobei die Regelungen zur Übertragung großer Vermögen von über 26 Mio. € außer Betracht bleiben.
- Die bislang schon geltende Grundkonzeption der Steuerfreistellungen für begünstigtes Unternehmensvermögen mit der Gewährung eines Verschonungsabschlags von 85 % (Regelmodell) bzw. von 100 % (Optionsmodell) und eines „Freibetrags“ von 150.000 € bleibt bestehen.
- Der Gesetzgeber hält auch weiterhin am „Lohnsummentest“ fest, anhand dessen geprüft wird, ob die Arbeitsplätze dauerhaft erhalten bleiben. Künftig werden Unternehmen nur dann vom Lohnsummentest verschont, wenn sie maximal fünf Arbeitnehmer beschäftigen. Daher wird für sehr viele Apotheken der Lohnsummentest jetzt die wesentlichste Voraussetzung für die Steuerbefreiungen des Betriebsvermögens darstellen.
- Bei der Ermittlung des Unternehmenswerts nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ergibt sich eine spürbare Erleichterung. Während bislang beispielsweise für das Jahr 2016 ein Kapitalisierungsfaktor von 17,86 anzuwenden war, hat man sich nun auf einen einheitlichen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 verständigt, der folglich zu niedrigeren Unternehmenswerten bei der Bemessung der Erbschaft- und Schenkungsteuer führt.
Hinweis: Im Kompromiss der Regierungskoalition vom 24. Juni 2016 war allerdings zunächst eine noch deutlichere Minderung des Faktors auf einen Korridor zwischen 10 und 12,5 vorgesehen.
Details zum Lohnsummentest
Das Gesetz enthält jetzt eine Staffelung der Lohnsummenhöhe nach der Anzahl der Mitarbeiter:
- Bei mehr als 15 Beschäftigten muss die Lohnsumme 400 % der Ausgangslohnsumme in den ersten fünf Jahren (Regelmodell) bzw. 700 % in den ersten sieben Jahren (Optionsmodell) nach der Übertragung erreichen,
- bei mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Beschäftigten muss die Lohnsumme 250 % bzw. 500 % betragen und
- bei mehr als zehn bis zu 15 Beschäftigten 300 % bzw. 565 % – andernfalls werden die Freistellungen für das Betriebsvermögen (85 %/100 %) nicht gewährt.
Enthalten ist nun auch eine ausdrückliche Aufzählung derjenigen Arbeitnehmer, die bei der Lohnsumme nicht hinzugerechnet werden. Es handelt sich dabei insbesondere um Beschäftigte im Mutterschutz, Auszubildende sowie Kranken- und Elterngeldbezieher.
Hinweis: In Bezug auf den Lohnsummentest kann sich die Frage stellen, ob Kinder als Approbierte tatsächlich vor der Übergabe im elterlichen Betrieb mitarbeiten sollten. Denn sie erhöhen dadurch die Ausgangslohnsumme, werden dann aber nach der Übertragung als „Inhaber“ nicht mehr beim Lohnsummentest berücksichtigt. Dies wäre bei der Prüfung zur Verschonungsregelung mit dem Abbau eines Arbeitsplatzes vergleichbar und deshalb möglicherweise steuerschädlich – eine gefährliche Falle!
Neue Grenze für Verwaltungsvermögen
Die sehr komplexe Unterscheidung von begünstigtem Betriebsvermögen und nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen wird grundsätzlich beibehalten. In letzter Sekunde wurde im Vermittlungsausschuss durchgesetzt, dass die Steuerfreistellung im Optionsmodell (100 %) nur gewährt wird, wenn das Verwaltungsvermögen (quasi nicht produktives Vermögen) maximal 20 % des Unternehmenswerts ausmacht.
Zur Vermeidung von „Gestaltungen“ hat der Vermittlungsausschuss den Verwaltungsvermögenskatalog, der bisher schon Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine beinhaltete, nochmals erweitert.
Hinweis: Jetzt zählen ausdrücklich beispielsweise auch Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise zur privaten Lebensführung gehörende Gegenstände dazu – es sei denn, die Herstellung oder der Handel damit sind Hauptzweck des Betriebs.
Vorab-Abschlag bei qualifizierten Familienunternehmen
Für besondere Brisanz im Gesetzgebungsverfahren hat ein neu eingeführter 30%iger Abschlag für Familienunternehmen gesorgt, der bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen vor der Anwendung anderer Begünstigungen gewährt wird. Diese Regelung kompensiert die zunächst im Regierungsentwurf vorgesehene, aber dann verworfene Erhöhung der Schwelle von Großunternehmen im Bereich der Familienunternehmen von 26 Mio.€ auf 52 Mio. €.
Der Abschlag wird nur gewährt, wenn im Gesellschaftsvertrag bestimmte Entnahme- und Ausschüttungsbeschränkungen, Verfügungsbeschränkungen über die Anteile am Familienunternehmen sowie Abfindungsbeschränkungen enthalten sind.
Nach derzeitigem Stand der Dinge werden Einzelunternehmen die Regelungen des Vorab-Abschlags (§13a Absatz 9 ErbStG-neu) per se nicht nutzen können, da für diese keine Gesellschaftsverträge existieren und sie damit nicht die geforderten Voraussetzungen erfüllen können.
Hinweis: Hierin kann man eine beachtliche Diskriminierung von Einzelunternehmen sehen, sodass in geeigneten Fällen über Rechtsmittel nachzudenken ist. Unabhängig davon ist natürlich davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung alsbald nochmals gesonderte Anwendungsregelungen zur neuen Gesetzeslage erlassen wird.
Zinslose Stundung eingeschränkt
Entgegen ursprünglichen Planungen hat man die Möglichkeit einer zinslosen Stundung größtenteils nicht umsetzen können/wollen. Bei Erwerben von Todes wegen ist nun vorgesehen, die Erbschaftsteuer, die auf das begünstigte Unternehmensvermögen entfällt, auf Antrag bis auf sieben Jahre zu stunden. Dabei wird nur der Betrag für das erste Jahr zinslos gestundet, die Zahlungen für das zweite bis siebte Jahr werden mit 0,5 %/Monat (!) verzinst.
Hinweis: Da der Gesetzestext in diesem Bereich nicht ganz eindeutig ist, wird womöglich die Auslegung der Vorschrift durch die Finanzverwaltung weitere Klarheit bringen.
Apothekenübertragung nicht verschieben
Experten gehen bereits jetzt vielfach davon aus, dass auch die teilweise hochkomplexen Neuregelungen des Erbschaft- und Schenkungsteurrechts einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten werden. Daher ist über kurz oder lang wieder mit anhängigen Verfahren zu rechnen.
Als Apotheker sollte man aber nicht darauf spekulieren, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen für die Übertragung von Betriebsvermögen künftig nochmals verbessert werden, vermutlich wird das Gegenteil der Fall sein. Ein Hinausschieben anstehender Übertragungen ist aus steuerlicher Sicht nicht zu empfehlen.
Hinweis: Bei Übertragungen, die nach dem 30. Juni 2016 und vor der Verabschiedung des neuen Gesetzes stattgefunden haben, ist die gesetzlich angeordnete Rückwirkung zumindest zweifelhaft, da laut Bundesverfassungsgericht bis zur Neufassung eigentlich die alten Regelungen weiter gelten sollten. Hier könnte ein Einspruch in Erwägung gezogen werden, insbesondere wenn der Lohnsummentest nach neuem Recht nicht mehr bestanden wird und die „alte“ Nichtanwendungsgrenze von maximal 20 Beschäftigten erfüllt wurde.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(21):7-7