Helmut Lehr
Optionsscheine („warrants“) sind verbriefte, als Wertpapier gestaltete Optionen. Durch den Kauf einer Kaufoption (Long Call) oder Verkaufsoption (Long Put), z. B. auf Aktien, erhalten Optionsnehmer das Recht, vom Verkäufer eine bestimmte Anzahl von Aktien zu einem bestimmten Basispreis zu kaufen bzw. an ihn zu verkaufen. Für den Erwerb der Optionsrechte bezahlen die Optionsnehmer dem Optionsgeber eine Optionsprämie. Bei diesem Geschäft gehen „Anleger“ davon aus, dass der Börsenkurs der entsprechenden Aktie steigen bzw. fallen wird. Tritt der jeweilige Fall ein, wird die Option ausgeübt.
Schlägt der Aktienkurs allerdings entgegen der Erwartung eine andere Richtung ein, verliert das Optionsrecht im Zeitverlauf nach und nach an Wert und wird zum Schluss völlig wertlos. Wer also die Kaufoption bzw. Verkaufsoption am Ende der Laufzeit verfallen lässt, büßt faktisch seinen Kapitaleinsatz (gezahlte Optionsprämie und Nebenkosten) ein.
Hinweis: Die Finanzverwaltung ist bislang davon ausgegangen, dass dieser Verlust im System der Abgeltungsbesteuerung steuerlich nicht zu berücksichtigen ist1).
Rechtsprechung bestätigt Verlustabzug
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteilen vom 12. Januar 20162) entschieden, dass Verluste aus dem Verfall von klassischen Optionen die Einkünfte aus Kapitalvermögen mindern. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung nun ausdrücklich angeschlossen und das Anwendungsschreiben zur Abgeltungssteuer zwischenzeitlich geändert3). Dies gilt sowohl für den Verfall einer Kaufoption als auch für den Verfall einer Verkaufsoption.
Hinweis: Sollten Einspruchsverfahren zu dieser Problematik bislang geruht haben, kann die abschließende Bearbeitung zugunsten der Steuerpflichtigen nun erfolgen – gegebenenfalls sollte der zuständige Sachbearbeiter beim Finanzamt nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden.
Umstritten: Verfall von Knock-out-Produkten
Den Verfall von sogenannten Knock-out-Produkten beim Eintritt des Knock-out-Ereignisses beurteilt die Finanzverwaltung nach wie vor anders. Knock-out-Optionsscheine verfallen automatisch, wenn der zugrundeliegende Basiswert eine bestimmte Schwelle unter- oder überschritten hat. Die gezahlten Aufwendungen sind nach Verwaltungsansicht als Verlust auf der privaten Vermögensebene nicht abzugsfähig4).
Das Finanzgericht Düsseldorf hat dieser Rechtsauffassung bereits widersprochen5) und entschieden, dass auch Verluste aus verfallenen Knock-out-Zertifikaten steuerlich zu berücksichtigen sind. Das entsprechende Revisionsverfahren ist unter dem Aktenzeichen VIII R 37/15 beim Bundesfinanzhof anhängig.
Hinweis: Ablehnende Bescheide sollten mittels Einspruch angefochten werden. Die Finanzverwaltung muss die Rechtsbehelfe bis zur abschließenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs ruhen lassen.
Übrigens: Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann auch der von einem Stillhalter an den Optionsnehmer geleistete Barausgleich (Cash-Settlement) nicht von seinen Einnahmen aus den Stillhalterprämien abgezogen werden. Zu dieser Problematik gibt es ebenfalls bereits anderslautende Rechtsprechung6) und ein anhängiges Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (Aktenzeichen: VIII R 55/13).
1) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 15 vom 1. August 2013, Seite 18 und 19.
2) Aktenzeichen IX R 50/14, IX R 49/14 und IX R 48/14.
3) Vgl. Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 16. Juni 2016, Aktenzeichen IV C 1 – S 2252/14/10001 :005.
4) Vgl. Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen, Kurzinformation zur Einkommensteuer Nr. 27/2014 vom 28. Juni 2016.
5) Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2015, Aktenzeichen 9 K 4203/13 E.
6) Vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 28. August 2013, Aktenzeichen 2 K 35/13.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(21):17-17