Prof. Dr. Reinhard Herzog
Cashflow, EBITDA oder schlicht das effektiv erwirtschaftete Einkommen nach Steuern – am Ende zählen solche Zahlen. Und doch sind sie nicht mehr als das Resultat vieler Einzelfaktoren. Zudem verbinden sich damit keinerlei Zukunftsaussagen. Gute Zahlen können sogar schnell blind dafür machen, dass es im Betrieb bei Licht betrachtet gar nicht gut läuft und der künftige Erfolg auf tönernen Füßen steht.
Umgekehrt spiegeln schwache Zahlen nicht unbedingt eine schlechte Betriebsführung wider; so gibt es Situationen, in denen selbst bestgeführte Apotheken auf keinen grünen Zweig mehr kommen können, weil schlicht das Marktpotenzial vor Ort fehlt und die objektiven Standortfaktoren nicht (mehr) stimmen. Es reicht also nicht, zusammen mit den Mitarbeitern eine gute Arbeit abzuliefern – Sie benötigen einen „Resonanzboden“. Fehlendes bzw. perspektivisch wegfallendes Markt- und Standortpotenzial ist einer der häufigsten Gründe für Frustration: Die ganzen Anstrengungen werden nicht belohnt, und können es auch gar nicht! Bevor Sie also die „grüne Welle des Erfolgs“ reiten können, steht die Einschätzung des lokalen, mit Ihren Möglichkeiten bespielbaren Apothekenmarktes an. Dieser ergibt sich aus den Größen Einwohnerzahl und erzielbarer Pro-Kopf-Umsatz. Letzterer beträgt im Schnitt 600 €, auf dem Land eher 350 € bis allenfalls mal 500 €, in Metropolen auch über 700 € hinausgehend.
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Unabhängig davon gibt es jedoch eine positive Botschaft: Für die große Mehrzahl der Apotheken beträgt das prinzipiell erschließbare Marktpotenzial ein Mehrfaches des eigenen Umsatzes – weil einfach eine Überlappung mit etlichen Konkurrenzapotheken stattfindet. Nur singuläre Lagen (am extremsten bei der „einzigen Dorfapotheke auf weiter Flur“) stoßen in der Tat an enge Grenzen; nicht wenige schöpfen schon 90 % oder mehr ab, können also machen was sie wollen – es gibt kaum Steigerungsmöglichkeiten. „Grüne Welle“ heißt hier, in diesem eng umrissenen „Teich“ glücklich zu werden und diesen, falls weitere Austrocknung droht, notfalls ganz zu verlassen. Doch woran erkennen Sie, ungeachtet dieser Randbedingungen, dass Sie richtig liegen?
Ebene Kunden
Hier zeigt sich der Erfolg am deutlichsten. Die Kundenzahl ist der zuverlässigste Indikator. Deshalb verwundert es immer wieder, dass viele Kollegen die Kundenzahlentwicklung nicht exakt verfolgen. Es empfiehlt sich, die Kundenzahl relativ zum Kundenpotenzial zu betrachten. Verliert Ihr Ort z.B. 1,5 % der Einwohner pro Jahr und Ihre Kundenzahl bleibt gleich, ist das schon ein relativer Gewinn. Wächst dagegen Ihr Stadtteil immer weiter, aber Ihre Kundenzahl stagniert, sollte das zu denken geben.
Doch das ist nur der nüchterne, statistische Teil, im Grunde bereits die Quittung für Vorangegangenes. Mindestens ebenso wichtig ist daher die feine Beobachtung der Kundenreaktionen. Sie liegen goldrichtig, wenn …
Sie häufig (mehrmals am Tag) Aussagen wie diese zu hören bekommen: „Zu Ihnen komme ich immer wieder gerne …“, „Hier kann man auch schwierige Fragen stellen und bekommt immer gute Antworten …“, „Ja, wenn Sie das nicht haben, dann brauche ich woanders gar nicht mehr zu schauen …“, „Hier fühle ich mich gut aufgehoben …“, „Sie sind immer so nett und herzlich …“,
Kunden Sie weiterempfehlen (und Ihnen das kundtun) bzw. Kunden von sich aus sagen: „Mein Nachbar, meine Freundin … hat Sie wärmstens empfohlen, deshalb komme ich jetzt auch hierher!“,
Sie auch Lob von Ihren Ärzten einheimsen bzw. indirekt von Ihren Kunden hören, indem sich die Ärzte den Patienten gegenüber positiv über Ihre Apotheke äußern und Empfehlungen aussprechen (Sie sollten den Ball dann elegant aufnehmen und zurückspielen).
Schön ist es, wenn Kunden Ihre Parkplätze vor dem Haus loben oder dass es immer ein kleines Präsent gibt; doch ist das schon nicht mehr ganz so hoch einzuschätzen wie obige Aussagen, welche Sie wirklich adeln und herausheben.
Ebene Mitarbeiter
Das Verhalten und die Stimmung der Mitarbeiter sind die empfindlichsten Seismografen, ob es „rundläuft“. Aber man muss eben fein beobachten und hinhören. Sie liegen gut, wenn …
Ihr Team richtig mitzieht, eine positive, lebendige (Aufbruch-)Stimmung herrscht, eine liberale Diskussionskultur gepflegt (und angenommen) wird, und das alles in eine gesunde Leistungskultur mündet,
sich das in einem entsprechenden Betriebsklima widerspiegelt (wie oft wird bei Ihnen herzhaft gelacht?),
sich das Team im Tagesgeschäft überwiegend selbst organisiert und nicht stets auf „Befehle von oben“ wartet, sondern selbst Lösungen findet und Verantwortung übernimmt (was nebenbei vor allem Sie entlastet!),
Ihre Apotheke etliche Blindbewerbungen bekommt bzw. Interessenten spontan vorsprechen, „weil sie gehört haben, dass es in Ihrer Apotheke so nett zugeht, Ihr Betrieb so modern ist, sie schon Bekannte in der Apotheke haben ...“ usw.,
die Mitarbeiterfluktuation niedrig ist, Teammitglieder typischerweise die Apotheke aus externen Gründen mit einem weinenden Auge verlassen und Ehemalige immer noch gerne Kontakt zur Apotheke halten,
Sie freiwillig mehr von Ihren Mitarbeitern erfahren als die Bewerbungsunterlagen verraten, und Ihr Betrieb ein Stück weit eine große Familie ist, in der eine Vertrauenskultur herrscht.
Interessanterweise weisen solche gesunden Teams eine erstaunliche Selbstorganisations- und Selbstreinigungskraft auf. Intriganten, Low-Performer oder Unehrliche können sich dort in aller Regel gar nicht dauerhaft halten und verlassen von sich aus alsbald den Betrieb, ohne dass Sie kündigen müssten. Sie brauchen nur als positiver Verstärker der Teamgedanken wirken – und dürfen das nicht wegen Nichtigkeiten oder eigener Stimmungsschwankungen leichtfertig aufs Spiel setzen. Denn allzu schnell kann man als Chef ein solches fein austariertes „soziales Ökosystem“ ins Ungleichgewicht bringen. Hier zeigen sich echte Führungsqualitäten.
Betriebskennzahlen
Wir möchten hier nicht die ganzen Kennzahlen wiederkäuen – eine Übersicht finden Sie z.B. im AWA Nr. 14/2016 vom 15. Juli. Hier soll das Augenmerk auf die Gewichtung gelegt werden: Reiten Sie auf der „grünen Welle“, sind Sie gut beraten, diese Situation zu erhalten. Das verlangt Großzügigkeit an diversen Stellen, an anderen aber müssen Sie genauer hinschauen – stets ein Balanceakt und wiederum eine Führungsaufgabe!
Sie liegen gut im Rennen, wenn das Kennzahlen-Gesamtbild stimmt und am Ende z.B. die Gesamtkosten und der Cashflow je Kunde „im grünen Bereich“ sind. Sie können sich durchaus etwas höhere Personalkosten für ein wirklich tolles Team gönnen, dafür aber an anderen Stellen die Schrauben anziehen (z.B. den „Technikwahn“ im Zaum halten oder die zahlreichen „kleinen Kostenfresser“ genauer unter die Lupe nehmen).
Den betriebswirtschaftlichen Ritterschlag erhalten Sie freilich, wenn es Ihnen gelingt, Ihre Gewinne regelhaft stärker zu steigern als die Umsätze. Was bei der Bewertung von börsennotierten Unternehmen ein wichtiger Erfolgsindikator ist, fällt in den meisten Apotheken leider extrem schwer, weil Sie hinsichtlich Ihrer Absatz- und Preisstruktur (z.B. Thema Hochpreiser) großteils fremdbestimmt sind.
Umgekehrt sollten zwar empfindliche, aber noch nicht allzu dramatische Umsatz- und Spannenrückgänge (10 % Umsatzminus oder bzw. verschärft und 1 bis 2 Prozentpunkte Spannenverlust) nicht gleich in eine Insolvenzgefahr führen bzw. ohne allzu harte, den Betrieb oder die Belastbarkeit des Inhabers überstrapazierende Einschnitte kompensierbar sein. Die Stichworte lauten hier: „Krisenresistenz“, „Härtetest“, „Sensitivitätsanalyse“. Auch dies gehört dazu, wenn Sie mit Ihrer Apotheke ruhig schlafen und diese gut aufgestellt sehen möchten.
Schulden im Griff
Niedrigzinsen, Expansionsgelüste, gesteigerte Ansprüche an die eigene Wohnumgebung, das Ganze umrahmt von scheinbar endlos günstigen gesamtwirtschaftlichen Randbedingungen: Selten war es so verlockend, sich zu übernehmen. Dabei deuten sich bereits empfindliche Eintrübungen der immer noch heiteren Großwetterlage an. Damit können sich Schulden zum „Gamechanger“ schlechthin selbst für „gesunde“ Betriebe auswachsen. Anhand der persönlichen Situation (v.a. Zeithorizont, Vermögenslage, Ertragskraft auch unter „Stresstest-Bedingungen) sollten Sie nur so weit ins Obligo gehen, dass Sie auch ein „Schlechtwetter-Szenario“ achtbar überstehen könnten. Suchen Sie hier ggf. kompetenten Rat von außen.
Ihre Qualitäten
Man kann es nicht oft genug betonen: Die gefährlichste und gleichzeitig gefährdetste Person im Unternehmen sind Sie selbst, denn Sie haben die größte Gestaltungs- bzw. auch Zerstörungsmacht und schädigen (oder beglücken) sich am Ende selbst am meisten.
Sie mögen es dem „faulen Mitarbeiter“ mal richtig gegeben haben oder dem „unverschämten Arzt“ endlich die Meinung gegeigt haben: Verständlich, doch die Welt um Sie herum dreht sich weiter, Menschen ändern sich zudem nicht durchgreifend. Sie sollten immer schauen, welchen Schaden bzw. Vorteil Sie selbst davontragen, und nicht so sehr die Verluste des anderen betrachten. Viele vermeintliche Siege entpuppen sich nämlich als veritable Verlierer-Verlierer-Situationen. Probleme möglichst elegant und reibungsarm zu lösen, ist eine hohe Kunst.
Das fällt Ihnen viel leichter, wenn Ihre Augen nach vorne gerichtet sind, Sie sich über das Gedanken machen, was morgen passieren wird, vielleicht noch, was heute geschieht. Menschen, die Ziele haben, die begeistert von etwas sind, die „für etwas brennen“ (um diese abgedroschene Phrase zu zitieren, aber es ist etwas dran …), gehen die Führung eines Unternehmens ganz anders an als bloße Sachverwalter, Angsthasen, Zukunftsverweigerer oder Experten für Abschottung und Einigelung.
Entsprechend spiegelt sich dies bei Ihren Mitarbeitern – diese orientieren sich im Guten wie im Schlechten am Chef (oder orientieren sich ganz um, wenn die Differenzen zu groß sind). Und es färbt, noch schlimmer, auf die Kunden ab, denn die spüren die jeweilige Einstellung auch. Diese stimmen jedoch noch viel leichter als Ihre Mitarbeiter mit den Füßen ab.
Deshalb hier abschließend mein Tipp: Lassen Sie sich nicht von außen, insbesondere von der Politik und den ganzen nervigen Diskussionen zu negativ beeinflussen. Noch besser: Dosieren Sie gemäß dem uns bestens vertrauten Spruch „Die Dosis macht das Gift“ Ihren Informationszufluss sorgfältig, saugen Sie nicht alles auf. Es bringt Sie nicht weiter!
Wir bewegen uns nach wie vor in einem der besten Märkte – Gesundheit und Pharma. Es wird sicher viele Veränderungen geben, doch das Potenzial bleibt. Wer hier vorn mitmarschiert, eben mehr Kreativität, Ideen, Tatkraft und ansteckenden Optimismus an den Tag legt, wird immer ein gutes Auskommen haben. Das kann man beinahe garantieren.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(23):4-4