Fit im modernen Marketing

Die Ankertechnik in der Apotheke


Emanuel Winklhofer

Kennen Sie das? Sie hören einen bekannten Song aus längst vergangenen Tagen und sind sofort wieder in der damaligen Zeit angekommen. Sie wissen, wo Sie damals an welchem Ort mit wem zusammen waren und was dieser Song für Sie bedeutet hat – der emotionale Anker!

Gerüche und Geschmack zeigen dieses Phänomen ebenfalls: Als ich vor einiger Zeit ein kleines Landhotel betrat, nahm ich einen Geruch war, den ich seit mehr als 40 Jahren unbewusst abgespeichert hatte, und sagte sofort: „Hier riecht es genauso wie damals bei uns im Internat.“

Im NLP (Neurolinguistisches Programmieren) ist das lange bekannt und wird aktiv eingesetzt. Es entspricht einer Weiterentwicklung der pawlowschen Konditionierung, bei der eine Reiz-Reaktions-Kopplung erzeugt wird. Diese Reize wirken auf uns von außen ein oder können intern erzeugt werden, und lösen so eine Emotion aus. Diese Anker können auf allen Sinneskanälen erfahren werden!

Im Verkauf wird diese Technik sehr bewusst eingesetzt: Geht man in die Fernsehabteilung eines Elektronikmarktes, steht ganz vorne der Super-Hightech-Nonplusultra-Fernseher mit gigantischer Auflösung, Riesenbild und Supersound. Man steht davor und ist vollkommen begeistert, sieht das Preisschild mit 21.000 € und weiß genau, dass man sich so einen Fernseher wohl nie anschaffen wird.

Was passiert allerdings im Gehirn? Die 21.000 € sind als Obermarke für das allerbeste Gerät abgespeichert. Wenn sich nun jemand einen neuen Fernseher kaufen will, wird er immer bewusst oder unbewusst vergleichen. Hatte man sich vorher ein Limit von 2.000 € gesetzt, so ist man durch diesen gesetzten Anker schneller bereit, auch 3.000 € oder sogar mehr auszugeben.

Der Ankereffekt ist ein Begriff aus der Kognitionspsychologie. Menschen werden bei einer bewusst getroffenen Wahl von Informationen der Umgebung beeinflusst, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst ist. Die Umgebungsinformationen haben sogar dann einen Einfluss, wenn sie für die zu treffende Entscheidung eigentlich irrelevant sind. Unsere Entscheidungen werden somit von Reizen beeinflusst.

Der High-End-Fernseher im Elektronikmarkt, der Mercedes SL 65 AMG V12 im Autohaus oder die teuerste Rolex beim Juwelier steuern uns sehr wohl, indem in uns eine positive Emotion erzeugt wird, die eine Messlatte legt. Das ist nicht verwerflich, sondern schafft Bedarf beim Kunden. Wenn er sich für ein hochwertigeres Wirtschaftsgut entscheidet, hat er ein gutes Gefühl.

Können wir diese Ankertechnik in der Apotheke nutzen? Und ob: In der Kosmetik kennen wir diesen Effekt gut. Es werden sehr hochwertige Serien für 250 € und mehr angeboten, deren Aufgabe gar nicht darin besteht, häufig verkauft werden zu müssen. Sie ziehen viel mehr das nächstfolgende Sortiment im Abverkauf nach oben. Hochwertige Produkte signalisieren zudem Kompetenz in Beratung und Verkauf.

Manchmal ist es Mitarbeitern unangenehm, einem Kunden den Preis für bekannte, teure Markenprodukte zu nennen, da sie diese für „zu teuer“ erachten. Billig oder teuer sind allerdings nur Konstrukte unseres Gehirns. Einem Verkäufer steht es nicht zu, seine eigenen Wertvorstellungen dem Kunden überzustülpen, sondern er hat die Aufgabe, gute Produkte anzubieten.

Bieten Sie sehr hochwertige eigene Vitaminmischungen an, die z.B. nach einer Haar-Mineralanalyse individuell gemischt werden, dürfte ein Preis im Bereich von gut 100 € angemessen sein. Dagegen sind ca. 60 € für ein bekanntes Markenprodukt sehr günstig!

Viel Erfolg bei der Suche nach weiteren Anwendungen ...

Apotheker Emanuel Winklhofer, 83197 Zeitlarn, E-Mail: coaching@winklho.de

3-Minuten-Video

Ein kostenfreies 3-Minuten-Video zum Thema finden Sie auf der Homepage des Autors unter der Rubrik AWA: www.winklho.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(06):8-8