Axel Witte
Klassisch betreibt ein Apotheker sein Geschäft als Einzelunternehmer. Gemäß §8 Apothekengesetz können Apotheken aber auch von mehreren Apothekern in der Rechtsform einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben werden, wobei Letzteres in der Praxis kaum noch von Bedeutung ist.
Die Gründung einer OHG erfordert kein Mindestkapital, allein der Wille der beteiligten Apotheker, gemeinsam eine Apotheke oder einen Filialverbund zu betreiben, ist ausreichend. Gut abwägen sollten die Beteiligten jedoch vorher die weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen, die sie als Gesellschafter einer OHG zu tragen haben.
Gläubigern gegenüber haftet jeder Gesellschafter unmittelbar, unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Unmittelbar bedeutet, dass jeder Gläubiger jeden Gesellschafter direkt zur Bezahlung einer offenen Rechnung in Anspruch nehmen kann, unabhängig davon, ob dieser den betreffenden Auftrag erteilt hat. Unbeschränkt heißt, jeder Gesellschafter der OHG haftet bis zur gesetzlichen Pfändungsgrenze sowohl mit seinem Geschäftsanteil als auch mit seinem gesamten Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Das geht sogar so weit, dass, wenn die anderen Gesellschafter vermögenslos sind, ein Apotheker allein, also gesamtschuldnerisch, für die Schulden der Gesellschaft eintreten muss.
OHGs mit steigender Tendenz
Strukturelle Veränderungen kennzeichnen die Entwicklung im Apothekenbereich. Kleine Apotheken sind i.d.R. nicht mehr veräußerbar und müssen häufig geschlossen werden. Verbleibende Apotheken absorbieren das freiwerdende Umsatzpotenzial und wachsen. Hinzu kommt der Trend zu größeren Strukturen in Form von Filialverbünden. Damit werden für große Einheiten, die wirtschaftlich gut aufgestellt sind, entsprechend hohe Kaufpreise aufgerufen. Etwa bei jeder zehnten Übernahme wechselt zwischenzeitlich ein Filialverbund den Besitzer – teilweise zu Preisen von deutlich mehr als 1 Mio. €. Die hohen Investitionskosten können durchaus eine Ursache für die Renaissance der OHG im Apothekenbereich sein.
Darüber hinaus greifen vor allem Apothekerinnen gerne auf die Rechtsform der OHG zurück: Diese kann es erleichtern, die beruflichen Ansprüche mit den familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen.
In praxi findet man auch OHGs als Übergangslösung für dieÜbertragung eines größeren Unternehmens auf die nächste Generation. Das heißt, der Apothekeninhaber nimmt z.B. seinen Sohn in sein Unternehmen auf und überträgt ihm einen bestimmten Anteil. Beide führen dann die Apotheke als OHG, nach einer gewissen Zeit überträgt der Vater dann seinen OHG-Anteil auf den Sohn. Hierbei handelt es sich quasi um die Übertragung eines Unternehmens in Etappen. Die temporäre Bildung einer OHG kann genauso unter fremden Dritten genutzt werden, um den Verkauf der Apotheke schrittweise zu realisieren. Solche komplexen Gestaltungen sollten verständlicherweise immer durch einen erfahrenen branchenspezialisierten Berater begleitet werden.
Im Hinblick auf die Veränderungen, die sich im Apothekenbereich abzeichnen, ist es auch denkbar, dass sich in Zukunft Apothekeninhaber zu einer OHG zusammenschließen, um einen wirtschaftlich starken Filialverbund zu führen. Dieser Weg hat jedoch seine Grenzen, denn auch eine OHG darf im Filialverbund insgesamt nur vier Apotheken betreiben. Allerdings kann ein OHG-Gesellschafter zugleich eine Filialleitung übernehmen.
Schließlich ermöglicht die Gründung einer OHG eine Arbeitsteilung und eine Entlastung im Vergleich zum Einzelunternehmer. Dabei ist jedoch eine OHG, in der jeder Gesellschafter teilzeitbeschäftigt ist, also nur jeweils einige Stunden arbeitet, apothekenrechtlich nicht gestattet.
Weichen werden im Gesellschaftsvertrag gestellt
Auch bei einer OHG gilt der Grundsatz: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet.“ Eine OHG sollte nur mit absoluten Vertrauenspersonen gegründet werden. Wichtige Regelungen, z.B. zu den Gesellschaftern, den Anteilen, dem Kapital, der Gewinnverteilung oder auch für den Fall des Todes eines Gesellschafters oder der Auflösung der OHG sind im Gesellschaftsvertrag zu fixieren. Festgelegt werden sollte auch, welche Entscheidungen nur gemeinsam getroffen werden dürfen (z.B. Investitionen ab 5.000 €; Aufnahme/Gewährung von Darlehen, Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern). Je klarer und konkreter der Gesellschaftsvertrag gestaltet ist, desto geringer das Konfliktpotenzial. Empfohlen wird für den Gesellschaftsvertrag die Schriftform sowie die fachmännische Begleitung u.a. durch einen erfahrenen Anwalt.
Ein in der täglichen Beratung zu wenig beachtetes Problem stellt die Behandlung der Kapitalkonten dar: Im Gesellschaftsvertrag sollten Festlegungen zum regelmäßigen und zeitnahen Ausgleich der Kapitalkonten der Gesellschafter getroffen werden. Wenn sich über mehrere Jahre große Unterschiede zwischen den Kapitalkonten herausbilden, entstehen Konflikte beim Verkauf des Unternehmens oder von Anteilen. Besonders kritisch wird es, wenn sich bei einem Gesellschafter, aus welchem Grund auch immer, ein negatives Kapital aufgebaut hat.
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Die Entwicklung der Kapitalkonten der Gesellschafter wird vom Steuerberater im Rahmen der Finanzbuchhaltung korrekterweise miterfasst. Die Auswertung der Kapitalkontenentwicklung sollte jährlich zusammen mit dem Jahresabschluss für die OHG erfolgen. Zweckmäßigerweise werden hierbei gleichzeitig die jeweils auszugleichenden Beträge für das abgeschlossene Wirtschaftsjahr festgelegt. Im Beispiel unten links hat sich im Laufe des Wirtschaftsjahres das Kapital (gesamt 151.000 €) auseinanderentwickelt. Der Eigenkapitalanteil von Apotheker A ist um 15.000 € höher als von B. Es wird empfohlen, dass Apotheker B 7.500 € einlegt und Apotheker A dann diesen Betrag entnimmt, sodass beide wieder mit dem gleichen Eigenkapital (75.500 €) beteiligt sind.
Der Steuerberater sollte jedes Jahr ein solches Tableau vorlegen, besprechen und auf den entsprechenden Ausgleich hinwirken. Geschieht dies nicht, erleben die Gesellschafter nach Jahren eine große Überraschung wegen unterschiedlicher Kapitalkontenanteile und des dann notwendigen Ausgleichs, der mühselig recherchiert werden muss.
Ein weiteres Konfliktthema ist häufig das unterschiedliche Ausgabeverhalten der Gesellschafter. So nutzt z.B. Apotheker A nur Weiterbildungen im Netz, Apotheker B fährt gerne zu Kongressen ins Ausland. Ähnliche Unterschiede sind evtl. bei den Fahrzeugen zu verzeichnen. Diese Sachverhalte sind am besten mit dem Steuerberater zu besprechen.
Fazit: Die OHG kann, insbesondere für große Apotheken, durchaus als eine mögliche Rechtsform gesehen werden. Damit sie langfristig Bestand hat, sollten wichtige Voraussetzungen erfüllt sein: Bei allen Gesellschaftern gleiche Arbeitseinstellung, hohes Vertrauen, Akzeptanz der Stärken und Schwächen der anderen Gesellschafter, Arbeiten auf Augenhöhe sowie klare Regelungen im Gesellschaftsvertrag, auf die aber hoffentlich keiner pochen muss, weil man alles vorher einvernehmlich vereinbart hat. Der Kern der Probleme liegt also mehr in der zwischenmenschlichen Beziehung und dem Miteinander als an der Rechtsform selber.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(09):9-9