Helmut Lehr
Während die Politik derzeit über die Abschaffung der Abgeltungssteuer diskutiert, müssen sich Steuerpflichtige bis auf Weiteres noch mit den Folgen (bzw. Unwägbarkeiten) der Einführung dieses besonderen „Besteuerungssystems“ für Kapitaleinkünfte „herumschlagen“. Bei Optionsgeschäften sind auch viele Jahre nach Einführung der Abgeltungssteuer längst nicht alle Fragen beantwortet. So hat die Finanzverwaltung bis vor Kurzem noch Verluste aus dem Verfall von klassischen Optionen steuerlich gar nicht berücksichtigt. Erst der Bundesfinanzhof musste den Kapitalanlegern zur Seite springen und klarstellen, dass verfallene Optionendie Einkünfte aus Kapitalvermögen mindern1).
Allerdings gibt die Finanzverwaltung natürlich immer nur insoweit nach, wie sie von den Gerichten dazu gezwungen wird. Deshalb vertritt sie nach wie vor die Auffassung, dass der von einem Stillhalter an den Optionsnehmer geleistete Barausgleich (Cash Settlement) nicht von seinen Einnahmen aus den Stillhalterprämien abgezogen werden kann. Nach Ansicht der Finanzverwaltung handelt es sich dabei um eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Zahlung (auf der privaten Vermögensebene)2).
Als Stillhalter bezeichnet man eine Person, die gegen eine Prämie Optionen emittiert bzw. verkauft. Sie wird Stillhalter genannt, da sie bis zur eventuellen Ausübung der Option durch den Käufer
- bei Kaufoptionen (Calls) den Basiswert stillhält und
- bei Verkaufsoptionen (Puts) Geld bereithält, um den Basis- wert erwerben zu können.
Hinweis: Beim Barausgleich zahlt der Stillhalter die Wertdifferenz, die sich aus Ausübungspreis und Marktpreis des Basiswertes am Ausübungstag ergibt, an den Optionsinhaber. Der umgekehrte Fall, in dem der Inhaber an den Stillhalter zahlt, sollte eigentlich selten vorkommen, da der Inhaber in diesem Fall die Option nicht ausüben wird.
Bundesfinanzhof hilft Anlegern erneut
Bereits zur Rechtslage vor Einführung der Abgeltungssteuer hatte der Bundesfinanzhof einen einkommensteuerrechtlichen Abzug des geleisteten Barausgleichs seitens privater Stillhalter bejaht3). Nun hat das oberste deutsche Steuergericht auch für die Zeit nach Einführung der Abgeltungssteuer entschieden, dass Verluste aus gezahlten Barausgleichen steuerlich abzugsfähig sind4). Damit ist die anderslautende Auffassung des Bundesfinanzministeriums überholt, die Finanzverwaltung wird nicht umhinkommen, ihre Verlautbarungen entsprechend anzupassen.
Hinweis: Auch einzelne Finanzgerichte hatten in der Vergangenheit diesbezüglich gegen die Kapitalanleger entschieden, sie müssen ebenfalls künftig die neuen Vorgaben des Bundesfinanzhofs beachten.
Neue Rechtsauffassung durchsetzen
Erfahrungsgemäß kann es etwas dauern, bis die Finanzämter flächendeckend die neue Rechtslage anerkennen bzw. umsetzen. Deshalb sollten betroffene Steuerpflichtige aktiv auf die Rechtsprechung hinweisen und die Verluste in ihrer Einkommensteuererklärung ggf. ausdrücklich geltend machen – im Rahmen der Abgeltungsbesteuerung wurden diese ja bislang nicht berücksichtigt.
Wer sich bereits in der Vergangenheit gegen die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zur Wehr gesetzt hat, war vermutlich mit einem Ruhen des Einspruchsverfahrens einverstanden. Nach dieser Entscheidung können solche Verfahren wieder aufgenommen und zugunsten der Steuerpflichtigen erledigt werden. Gegebenenfalls sollte dies nochmals gesondert angeregt werden.
1) Vgl. AWA-Ausgabe Nr. 21 vom 1. November 2016, Seite 17.
2) Vgl. Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 18. Januar 2016, Aktenzeichen IV C 1 - S 2252/08/ 10004 :017.
3) Vgl. Urteil vom 13. Februar 2008, Aktenzeichen IX R 68/07.
4) Vgl. Urteil vom 20. Oktober 2016, Aktenzeichen VIII R 55/13.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(09):17-17