„Cannabis-Gesetzgebung“

Erfahrungen aus der Apothekenpraxis


Dr. Bettina Mecking

Mit dem im März in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten zur Verschreibung von Cannabisarzneimitteln erweitert. Das wirft einige Fragen in der Apothekenpraxis auf.

Die pharmazeutische Abwicklung dieses neuen Versorgungsfeldes funktioniert in den Apotheken dem Vernehmen nach reibungslos. Während das verstärkte Patienteninteresse für diese Therapieform spürbar ist, kommen die zu erwartenden, entsprechend größeren GKV-Rezeptzahlen in den Apotheken nur mit einer erklärbaren zeitlichen Verzögerung an.

Bei einer Erstverordnung muss die Krankenkasse für die Erstattungsfähigkeit den Einsatz von Arzneimitteln auf Cannabisbasis erst genehmigen. Diese Genehmigung muss zeitnah durch die jeweilige gesetzliche Krankenkasse bearbeitet werden, d.h. innerhalb von drei Wochen. Holt hingegen die Kasse erst noch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes ein (was regelhaft geschieht), dann darf es sogar fünf Wochen dauern. Handelt es sich um eine Palliativversorgung, darf dagegen die Entscheidung nur drei Tage auf sich warten lassen.

Rein rechnerisch erreichen nun – zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes – vermehrt GKV-Rezepte die Apotheken. Mancherorts erfolgen Erstverordnungen auf Privatrezept, um eine sofortige Versorgung zu veranlassen, ohne die Kostenerstattungszusage abzuwarten.

Eine Ablehnung durch die GKV darf zwar nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen. Gleichwohl ist bekannt geworden, dass die Krankenkassen sehr strenge Maßstäbe an die Kostenübernahme für cannabisbasierte Medikamente anlegen. Apotheken sollten sich vergewissern, dass die Genehmigung der Krankenkasse vorliegt, um das eigene Retaxrisiko zu verringern. Die Apotheken haben diesbezüglich jedoch keine verbindliche Prüfpflicht!

Ärger um Kostenübernahme droht

Dem Vernehmen nach bezweifeln deutsche Krankenkassen, dass sie die Kosten von Cannabis-Therapien langfristig übernehmen müssen. Für einen dauer- und regelhaften Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung fehle der Nachweis der Wirksamkeit. Das Gesetz basiert auf der Annahme monatlicher Behandlungskosten von durchschnittlich 540 €.

Abrechnungsfragen stehen im Vordergrund

Nachfragen bei der Apothekerkammer Nordrhein drehen sich zumeist um die Abrechnung. Schwerkranke Patienten können auf Verschreibung entweder die cannabinoidhaltigen Fertigarzneimittel Dronabinol bzw. Nabilon, alternativ Medizinal-Cannabisblüten oder Cannabisextrakt als Kassenleistung erhalten. Verordnungen mit nur dem Wirkstoff Cannabidiol (CBD) werden hingegen nach derzeitigem Stand von der GKV nicht erstattet.

Bei den Medizinal-Cannabisblüten handelt es sich um die getrockneten Blüten der weiblichen Cannabispflanze. Der Cannabisextrakt ist ein Extrakt aus Bestandteilen der weiblichen Cannabispflanze in pharmazeutischer Qualität. Der Extrakt wird in der Apotheke zu einer üblichen Arzneimittel-Darreichungsform, wie etwa Kapseln oder Tropflösung, zur Einnahme durch die Patientinnen und Patienten verarbeitet.

Während der Zeit der Ausnahmeregelungen für die Cannabisabgabe konnten die Preise von den Apotheken mehr oder weniger selbst gestaltet werden. Mit dem neuen Gesetz gilt allerdings die Arzneimittelpreisverordnung. Cannabisblüten sind zumeist als Rezepturarzneimittel abzurechnen, wodurch der nicht unerhebliche Aufwand bei Prüfung, Umfüllung und Dokumentation entsprechend vergütet wird.

Preisbildung

Werden Cannabisblüten in unverändertem Zustand umgefüllt, abgepackt oder gekennzeichnet an den Patienten abgegeben, ist der Preis nach § 4 AMPreisV zu bilden.

  • Bei „Reinstoffabgabe“ (z.B. 20g Cannabisblüten):

Stoffpreis: AEP + 100 %

+ Gefäß: AEP +100 %

+ MwSt. auf diese Summe

+ BtM-Gebühr (Bruttowert).

Werden Cannabisblüten gemäß NRF-Vorschriften zu einem Rezepturarzneimittel verarbeitet, beispielsweise durch Zerkleinern, Sieben und Abpacken der Droge in Einzeldosen, gilt § 5 AMPreisV.

  • Bei „Rezepturherstellung“:

Stoffpreis: AEP + 90 %

+ Gefäß: AEP +90 %

+ jeweiliger Arbeitspreis

+ MwSt. auf diese Summe

+ BtM-Gebühr (Bruttowert).

Die Betäubungsmittelgebühr gemäß § 7 AMPreisV betrug bisher 0,26 € einschließlich Umsatzsteuer. Dieser Betrag wird bekanntlich auf 2,91 € (brutto) erhöht und darf ab Inkrafttreten des Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AMVSG) abgerechnet werden.

Patienten müssen grundsätzlich für Cannabisblüten – ebenso wie für andere Arzneimittel mit Cannabinoiden – die gesetzliche Zuzahlung nach § 31 Absatz 3 SGB V leisten.

Kostenübernahme durch die private Krankenversicherung

Für privat Krankenversicherte richtet sich die Erstattung von Cannabis aus der Apotheke nach den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung. Danach werden zunächst nur schulmedizinisch überwiegend anerkannte Arzneimittel erstattet, wenn diese ärztlich verordnet und aus einer Apotheke bezogen wurden.

Darüber hinaus zahlt die PKV aber auch für Therapien, die sich in der Praxis bewährt haben oder die angewendet werden, weil die Schulmedizin keine andere Lösung bietet. Abhängig vom jeweils vereinbarten Versicherungsumfang sind die Kosten für medizinische Cannabisprodukte also in der PKV grundsätzlich erstattungsfähig. Es empfiehlt sich, auch hinsichtlich der vereinbarten Selbstbeteiligungen, stets ein Blick in die individuellen Tarifbedingungen.

Inhalation als weitere Applikationsmöglichkeit

Einige Patienten bevorzugen die Inhalation. Die Vorteile hierbei sollen der rasche Wirkungseintritt und die genaue Dosierbarkeit sein. Dies ermögliche eine Reduktion der Nebenwirkungen und eine optimale individuelle Einstellung. Von Nachteil sei die kürzere Wirkungsdauer im Vergleich zu oral aufgenommenen Cannabisprodukten sowie die schwierigere Anwendung im Vergleich zu Kapseln oder einer Sprayform.

Somit sollten Patienten nur solche Verdampfer verwenden, die verlässlich arbeiten und als Medizinprodukt in Verkehr sind, beispielsweise der Volcano Medic® oder Mighty Medic®.

Im Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes sind Vaporisatoren für Cannabis bislang nicht aufgeführt. Sobald diese aufgeführt sind, kann an den GKV-Hilfsmittelversorgungsverträgen nur teilnehmen, wer die Voraussetzungen für eine ausreichende, zweckmäßige und funktionsgerechte Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel erfüllt (§ 126 Absatz 1 Satz 2 SGB V). Die Präqualifizierung bestätigt das Vorliegen dieser Voraussetzungen.

„Cannabis als Medizin“ fordert den Sachverstand der Apotheker, aber auch die Fähigkeiten und das Interesse der Ärzte. Dies ist eine gute Möglichkeit, die interdisziplinäreZusammenarbeit weiter zu stärken. Wenn Arzt und Apotheker in diesem sich entwickelnden Bereich zusammenarbeiten und Synergieeffekte entstehen, können im Ergebnis sicher alle Beteiligten profitieren.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Buch-Tipp

Klaus Häußermann, Franjo Grotenhermen, Eva Milz:

Cannabis

Arbeitshilfe für die Apotheke.

Deutscher Apotheker Verlag (2017). 19,80 €

gern zu bestellen beim Deutschen Apotheker Verlag Telefon: 0711/2582 341, Telefax: 0711/2582 290, E‑Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(10):11-11