Prof. Dr. Reinhard Herzog
„Wir können schlicht nicht mehr bezahlen!“ „Unsere Honorare wurden lange nicht erhöht!“ „Die Aussichten sind schwierig, Versandhandel und Krankenkassen schnüren uns die Luft ab!“ Dies ist eine Auswahl häufig gehörter Antworten auf die Frage, warum in den typischen Apothekengehältern nur recht wenig Dynamik steckt. Tatsächlich ist es insgesamt gelungen, die Personalkostenquote umsatz- und auch rohertragsbezogen über Jahre hinweg halbwegs konstant zu halten. Die Unternehmensgewinne haben sich im Zuge des anhaltenden Marktwachstums der auf dem Markt verbleibenden Apotheken indes durchaus erhöht. Ist der Weg des Knauserns also am Ende doch der richtige? Kurzfristig vielleicht! Langfristig jedoch sehen wir eine schwindende Attraktivität der Apothekenberufe und damit Nachwuchsprobleme. Wenn auch nicht der einzige, so sind die Gehälter doch ein wichtiger Grund. Abbildung 1 zeigt die diesbezüglich begrenzten Weiterentwicklungsmöglichkeiten aus Mitarbeitersicht: Zieht man etwa den Tarifvertrag für Landesbeschäftigte [TV-L] Entgeltgruppe 8 [E8] für das Gehalt von PTAs und den TV-L E13 für das Gehalt von Apothekern im öffentlichen Dienst als Vergleich heran, scheint eine Beschäftigung selbst hier attraktiver als eine Anstellung in der öffentlichen Apotheke – zumal noch ein Wechsel in höhere Entgeltgruppen erfolgen kann.
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Wir sehen im heutigen Apothekenquerschnitt etliche Verlierer, die auf Dauer nicht auf dem Markt bestehen können, eine große Anzahl, die es knapp schafft, den Anschluss an den Markt zu halten, sowie das obere Viertel an Gewinnern, die Jahr für Jahr über dem Marktdurchschnitt wachsen. Eine entscheidende Rolle für den Erfolg einer Apotheke spielt auch eine kluge und für die Mitarbeiter attraktive Unternehmens- und Lohnpolitik. Abhängig von Standort, Zeithorizont und den wirtschaftlichen Möglichkeiten gibt es dafür drei Modelle:
- Im Modell „Knausern und Sparen“ orientiert man sich bei den Gehältern möglichst am Tarif oder nur ein wenig darüber, minimiert teure Zusatzleistungen, achtet „auf die Minute“ und auf jeden noch so kleinen Materialverbrauch. Der Arbeitseinsatz des Inhabers ist oft sehr hoch, „Feuerwehreinsätze“ infolge von Personalfluktuation sind nicht selten. Das kann sinnvoll sein bei einem begrenzten oder gar schrumpfenden Marktpotenzial vor Ort, einem engen Zeithorizont und absehbarer Unverkäuflichkeit der Apotheke: Ernten, was geht! Wer klug knausert – nämlich die monetäre Schmalkost geschickt durch emotionale Großzügigkeit zu kompensieren versteht –, kann mit diesem Ansatz sogar in erstaunlich vielen Konstellationen bestehen. Allerdings: Die Top-Mitarbeiter, mit denen der Weg zum Marktführer gelingen kann, bekommt man so in aller Regel nicht. Denn wer möchte schon bei einem knausrigen Apotheker angestellt sein – gerade wenn die Auswahl an Alternativen heutzutage immer größer wird?
- Typischerweise wird jedoch auf der Basis wirtschaftlicher Sacherwägungen über die Personalkosten entschieden. Man geizt nicht gerade, aber große finanzielle Sprünge für die Mitarbeiter sind nicht drin. Es gilt, das Optimum aus dem Bestehenden herauszuholen, auch wenn der Spielraum dafür nicht übermäßig groß ist.
- Das wachstumsorientierte Modell nimmt übergangsweise sogar Einbußen beim Gewinn hin, um mit erstklassigen, motivierten und entsprechend entlohnten Mitarbeitern im Markt „etwas zu reißen“ und den Wettbewerb um die Kunden für sich zu entscheiden. Wichtigste Voraussetzung hierfür: Das Marktpotenzial ist vorhanden, es gibt also genügend (schwächere) Konkurrenz im erreichbaren Umfeld.
„Mitarbeiter-Profiling“
Unabhängig vom gewählten Modell muss sich jede Apotheke der Herausforderung stellen, ihre vorhandenen Ressourcen zu optimieren. Bei der Lohnpolitik erweist sich eine übertarifliche Erhöhung der Gehälter nur dann als sinnvoll, wenn sie auf längere Sicht auch zu höheren Roherträgen führt und sich so nicht nur selbst refinanziert, sondern auch den Betriebsgewinn erhöht. Oftmals nicht wirtschaftlich erfolgreich ist die gern als Ausweg praktizierte „Aktionitis“: Hier werden übermäßig hohe finanzielle und eben auch personelle Ressourcen einfach in das Marketing investiert. Ständig werden neue Aktionen gestartet, Flyer gedruckt und Vieles mehr. Allzu oft übersteigt der Aufwand aber die Zusatzeinnahmen erheblich.
Erfolgversprechender scheint es, die vorhandenen Personalressourcen zu überprüfen, besser zu verteilen und anschließend die Löhne daran anzupassen. Mit anderen Worten: Jeder Mitarbeiter sollte möglichst entsprechend seiner Stärken und Interessen eingesetzt und entsprechend seiner Leistungen entlohnt werden. Das ist der schnellste und kostengünstigste Weg, um die Produktivität, Arbeitszufriedenheit, Wertschöpfung und am Ende die Erträge mit dem vorhandenen Personal zu steigern. Voraussetzung dafür ist es, die Stärken-Schwächen-Profile der einzelnen Mitarbeiter zu erfassen, was jedoch in praxi selten systematisch geschieht. Hierfür können Sie einfache aufgabenorientierte Raster wie z.B. das in Tabelle 1 dargestellte verwenden.
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Wie enorm die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitarbeitern sein können und welches Wertschöpfungspotenzial in diesen Unterschieden schlummert, zeigt die beispielhafte Arbeitsprofil- und Wertschöpfungsanalyse in Tabelle 2. Solch eine Auswertung erhalten Sie, wenn Sie über einen repräsentativen Zeitraum hinweg die täglichen Tätigkeiten dokumentieren. Abverkaufsdaten liefert das Kassensystem, und die relative Leistungseinschätzung in Prozent nehmen Sie durch einen Mitarbeitervergleich vor.
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Optimierung des Mitarbeitereinsatzes
Die einzelnen Werte der Mitarbeiter weisen im Beispiel auf ein erhebliches Steigerungspotenzial im Hinblick auf Wertschöpfung, Stärkenausnutzung und Rohertrag (im fünfstelligen Eurobereich pro Jahr!) hin. Dieses Potenzial lässt sich z.B. durch die folgenden Maßnahmen ausschöpfen:
- Die „Verkaufs-Queens“ Frau Lustig und Frau Esprit schaffen die höchsten Werte für den Kundendurchsatz sowie Deckungsbeitrag je Stunde und Ertrag je Kunde. Deswegen werden sie zukünftig stärker im HV-Betrieb eingesetzt, wo sie derzeit nur 50 % bzw. 55 % ihrer Arbeitszeit verbringen. Verwaltungsaufgaben werden auf Frau Pingelig (Leistungsbewertung: 150 %) und Frau Kugelrund verlagert.
- Frau Esprit erledigt Rezepturen schnell und gut, Frau Kugelrund hingegen benötigt deutlich mehr Zeit. Wen von beiden man zukünftig damit betraut, muss im Einzelfall abgewogen werden. So könnte Frau Esprit in den 20 Minuten, in denen sie eine Rezeptur herstellt, 4,67 Kunden mit je 9,75 € Rohertrag bedienen und somit insgesamt gut 45,50 € erwirtschaften. Frau Kugelrund bedient in den 30 Minuten, die sie ansonsten für eine Rezeptur benötigt, 4,5 Kunden mit je 9,00 € Rohertrag. Sie erwirtschaftet somit im HV nur 40,50 €, ist aber eben auch in der Rezeptur weniger effektiv. Deswegen sollten in die Überlegungen zusätzlich noch andere Faktoren einfließen, z.B. die Bedeutung von Labor und Rezeptur für den gesamten Apothekenbetrieb.
Lohnfindung und Prämien
Diese Aufgabenoptimierung sollte erhebliche Ertrags- und damit Lohnspielräume eröffnen. Im Beispiel ist Frau Esprit im Grunde unter-, Frau Kugelrund überbezahlt. Bei den Approbierten ist Frau Lustig die weitaus wertschöpfendere Kraft und wird trotzdem niedriger honoriert.
Um die Leistungen weiter zu erhöhen, sollten individuelle Prämien- und Bonusmodelle bevorzugt für Frau Lustig und Frau Esprit angeboten werden. Dabei kann durchaus bis zu einem Drittel des zusätzlich vom Mitarbeiter erwirtschafteten Rohertrages ausgeschüttet werden. Inwieweit und mit welchem Ausschüttungsschlüssel sich dies allerdings bei Frau Pingelig und Frau Kugelrund „lohnt“, lässt sich nur durch eine persönliche, unvoreingenommene Beurteilung von vielleicht bislang unentdeckten Potenzialen herausfinden. Möglicherweise ist aber schlicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Das muss man dann auch nicht weiter bonifizieren.
Dennoch lässt sich nicht alles auf die Wertschöpfung im Verkauf fokussieren. Das Team im Backoffice ist für das Funktionieren des Apothekenbetriebes gleichermaßen essenziell. Durch allgemeine Gruppenprämien je nach Gesamtbetriebserfolg lässt sich diese Leistung ebenfalls honorieren.
Oftmals günstiger und dennoch wirkstärker ist es, bei betriebsklimafördernden Kleinigkeiten großzügig zu sein: Spendieren Sie Getränke, auch mal Kuchen und Eis oder Nebenleistungen wie Tankgutscheine! Zudem kosten ein Lob, ein Lächeln oder auch ein Witz nichts außer etwas Selbstüberwindung. Der Effekt übersteigt oft den manch einer beachtlichen Geldprämie!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(17):4-4