Corona-Auswirkungen auf Preise und Portfolio

Sortimentsgestaltung in Pandemie-Zeiten


Andreas Kinzel

Corona hat vieles verändert. Will die Apotheke nah an Kunden bleiben, muss sie sich auf diese Veränderungen einstellen und diese in ihrer Sortiments- und Preisgestaltungangemessen berücksichtigen. Das gilt für das Vor-Ort-Angebot ebenso wie für digitale Services.

In der Corona-Krise haben die Kunden vermehrt dort gekauft, wo sie wohnen. Damit verschieben sich auch die Sortimentsanforderungen. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass Konsumenten in Krisen bevorzugt auf vertraute, starke Marken setzen: Diese bieten ihnen Halt und Erinnerungen an bessere Tage. Insofern ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um typische "Krisenartikel" gut in Szene zu setzen. So bleibt der Bedarf für pflegende Handcremes aufgrund der anhaltend wichtigen Hygienemaßnahmen hoch. Auch die unreine Haut unter der Maske sowie den Wunsch nach einem tadellosen Äußeren im Restaurant lohnt es sich bei der Sortimentsgestaltung in der Offizin zu berücksichtigen.

Zum "Neuen Normal" gehört auch, seltener und dafür mehr zu kaufen. Die Zeit scheint knapper geworden zu sein. Deshalb sollten wir unseren Apotheken ein ausreichend großes Sortiment bereitstellen. Falls dann doch nicht das Richtige auf Lager ist, nützt ein Bestellsystem über Internet oder Telefon. Dank der hohen Lieferfrequenz im Großhandel sind die Bestellungen zudem kurzfristig verfügbar. So kann die Apotheke dem Krisentrend, bequem auf dem Sofa im Internet zu bestellen, effektiv entgegenwirken – nur persönlicher und zumeist schneller. Dabei sollte sich Ihr Team bewusst sein, dass die Kunden heute viel besser vorinformiert in die Apotheke kommen als früher.

Ratsame Doppelstrategie

In der Finanzkrise 2008 hat sich gezeigt, dass die Kunden – bedingt durch den Wirtschaftseinbruch – verstärkt auf Premiummarken verzichtet und sparsamer eingekauft haben. Ein ähnliches Verhalten ist auch jetzt pandemiebedingt zu erwarten [1], wenngleich starke Marken den Verbrauchern andererseits Sicherheit vermitteln (siehe oben). Doch keine falsche Bescheidenheit: Gute Arbeit verdient gutes Geld! Als Premiumanbieter kann die Apotheke auch entsprechende Preise verlangen – vorausgesetzt, die Qualität stimmt. Dennoch sollten wir jetzt auch mehr im preiswerten Bereich beimischen: Im Idealfall bedienen wir so beide Kundensegmente. Diese Doppelstrategie zielt darauf ab, auch preiswerte Ware im hochwertigen Ambiente zu präsentieren. Wichtig dabei ist ein harmonisches Erscheinungsbild, wobei sich mit wenig Aufwand viel erreichen lässt: ordentliche Regale mit gut sichtbaren Artikeln, bestenfalls in Treppenform und stets mindestens drei Packungen nebeneinander. Achten Sie dabei auf Kontraste, ähnlich wie beim Schminken! Das zieht die Aufmerksamkeit auf die Produkte.

Aufsteller sollten hochwertig erscheinen und beispielsweise aus Acryl statt Pappe gefertigt sein. Dann lassen sich auch typische Mitnahmeartikel gut verkaufen. Entscheidend ist der Faktor Preissensibilität. Selbst wenn sprichwörtlich alles teurer wird und die Inflationsrate neue Höchststände erreicht, lohnt es sich, bei der Preisgestaltung Vorsicht walten zu lassen. Entscheidend ist es, bei allen Planungen zur Sortiments- und Preisgestaltung den Kunden im Blick zu behalten!

Wichtig ist in diesem Kontext auch, Persönlichkeit zu zeigen, und sich bewusst aus der Anonymität hervorzuheben. Bei einer persönlichen Ansprache, guten Betreuung und positiven Kommunikation sind die Kunden auch bereit, etwas mehr zu bezahlen.

Mittelfristig weiter an Bedeutung gewinnen wird der globale Trend zu sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit. Doch ohne das richtige Sortiment kann die Apotheke diesen Weg mit den Kunden nicht gehen. So bieten inzwischen auch viele Pharma-Hersteller weniger (Um-)Verpackungen sowie ökologisch nachhaltige Produkte an. Doch Nachhaltigkeit umfasst viel mehr und schließt unter anderem auch lokales Einkaufen sowie die persönliche Nähe zu regionalen Händlern mit ein. Arbeitet der Anbieter nach sozialen Richtlinien? Engagiert er sich gesellschaftlich? Sieht man dem Team – auch dem in Ihrer Apotheke – an, dass es gerne hier arbeitet? Nachhaltigkeit ist viel mehr als Umweltschutz.

Nur nicht im Krisenmodusverharren!

Entscheidend für den Erfolg im stationären Einzelhandel ist eine smarte Verzahnung von attraktivem Vor-Ort- und zeitgemäßem Web-Angebot. Damit kann die Apotheke ihren Kunden das volle Sortiment von Lager und Großhandel aus einer Hand anbieten. Dieses Prinzip hat in der Krise an Bedeutung gewonnen. Grundsätzlich profitieren lokale Geschäfte vom coronagetriebenen Homeoffice-Trend, wobei die Kunden auch anspruchsvoller werden und schnellere Lieferungen erwarten – z.B. mittels Click & Collect [2]. So haben viele Kunden in der Krise den Lieferdienst ebenso schätzen gelernt wie die bequeme Online-Bestellung auf dem heimischen Sofa.

Dieser Trend zur Digitalisierung wird sich weiter beschleunigen, auch in unserer Branche – Stichwort E-Rezept. Mit diesem werden sich Rezepte in absehbarer Zeit kontaktlos übermitteln und die verschriebenen Medikamente per Lieferdienst kurzfristig zustellen lassen. So kann die stationäre Apotheke nicht nur ein riesiges Sortiment anbieten, sondern gleich einen komfortablen Lieferservice mit dazu.

Wichtig ist, dass wir als Apotheker spätestens nach dem zweiten Corona-Winter einen Neustart wagen, zumindest in einigen Bereichen. Wenn wir im Krisenmodus verharren, haben wir die Kunden schnell verloren. Natürlich ist nicht alles schlecht, was gestern gut war. Auf der anderen Seite ist etwas heute längst kein Erfolgsgarant mehr, was vor 20 Jahren noch gut funktioniert hat.

Altes und Neues: Das neue Normal verändert...

  • die Apotheke hin zum logistikkompetenten Gesundheitsdienstleister, der den Kunden Zeit und Wege erspart,
  • die Apotheke zum sozialen Treffpunkt für den Dialog zwischen Team und Kunden,
  • die Homepage zum neuen Schaufenster zur Information und Kommunikation,
  • Bestellungen dank Click & Collect und einem organisierten Lieferservice anstelle Vorort-Bestellung und Abholung in der Offizin,
  • körperliche Nähe wie Händeschütteln zu neuen Umgangsformen wie einer empathischen verbalen Nähe ("Wir begrüßen Sie mit dem Herz, nicht mit der Hand").

Quellen

[1] Dr. Klaus Behrenbeck, McKinsey & Company: Akzente Sonderedition, Köln, Mai 2020
[2] Online, lokal und nachhaltig: Wie die Deutschen in der Pandemie einkaufen. PWC Mai 2021, Abruf 01.10.2021

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(02):10-10