Dr. Bettina Mecking
Krisenmanagement liegt in der Verantwortung eines jeden Apothekenleiters. Aber wie heißt es so schön: "Notfallvorsorge ist immer unpopulär, außer im Notfall selbst". Zwei Fragen, die sich jeder – nicht nur zu Corona-Zeiten – stellen sollte:
- Was wird aus mir, wenn ich einmal nicht mehr für mich entscheiden kann?
- Was wird aus meiner Apotheke?
Im Zuge der vor knapp einem Jahr auf den Weg gebrachten Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts ist klar geworden: In aller Regel gehen Menschen intuitiv davon aus, dass ihre Ehepartner oder die nächsten Verwandten im Notfall für sie zuständig sein würden. Insofern gibt die Neuregelung Anlass zu ungläubigen Nachfragen.
Um Betroffenen eine Übergangszeit einzuräumen, in der sie sich auf die Neuerungen einstellen können, tritt die Reform erst zum 1.1.2023 in Kraft. Die Vertretungsmöglichkeiten des Ehepartners in gesundheitlichen Notsituationen werden deutlich erweitert. In Fällen, in denen ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit vorübergehend nicht in der Lage ist, die Angelegenheiten seiner Gesundheitssorge zu regeln, erhält der andere Ehegatte ein zeitlich auf drei Monate begrenztes gesetzliches Vertretungsrecht (§1358 BGB-neu).
Dieses umfasst:
- die Einwilligung in Untersuchungen und Heilbehandlungen,
- die Einwilligung in ärztliche Eingriffe,
- den Abschluss von Behandlungs- und Krankenhausverträgen,
- den Abschluss von Verträgen über eilige Maßnahmen zur Rehabilitation
- sowie weitere dringliche Regelungsbefugnisse (§1358 Abs.1 Ziff. 1-4 BGB-neu).
Darüber hinaus sind Ärzte dem Notvertreter gegenüber gemäß §1358 Abs.2 BGB-neu für die Dauer des Notvertretungsrechts von der Schweigepflicht entbunden. Gemäß §1358 Abs.3 BGB-neu besteht das Vertretungsrecht jedoch nicht bei getrenntlebenden Ehegatten, oder wenn dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehepartner eine Vertretung durch den anderen Ehegatten nicht wünscht, bereits eine andere Person zu seiner Vertretung bevollmächtigt hat oder eine gerichtliche Betreuung bestellt wurde.
Um es vorwegzunehmen: Es ist nach wie vor sehr wichtig, im Rahmen der persönlichen Vorsorge eine Vollmacht und Patientenverfügung zu erstellen. Tatsächlich können Eheleute nach derzeit noch geltendem Recht keinerlei Entscheidungen für ihren Partner bei medizinischen Belangen treffen, sollte dieser gesundheitsbedingt nicht mehr selbst dazu in der Lage sein.
Mit der Neuregelung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wird auch gleich einem möglichen Missbrauch entgegengewirkt: So wird eine Ehegattenvertretung für den Fall ausgeschlossen, dass die erkrankte Person zuvor einen gegensätzlichen Willen geäußert oder in einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung individuell eine andere Person ermächtigt hat. Ebenfalls nicht zur Anwendung kommt das neue Notvertretungsrecht bei in Trennung lebenden Ehepartnern.
Damit der Ausfall des Chefs nicht zum Desaster wird
Laut einer aktuellen Umfrage der IHK Köln haben nur 33% der Unternehmen in der Region die zur Fortführung des Betriebs wichtigsten Unterlagen für Vertrauenspersonen griffbereit zusammengestellt. Deshalb ist die Ausarbeitung eines Notfall-Vorsorgepakets – bestehend aus Gesamtvollmacht mit Unternehmervollmacht und Betreuungsverfügung – eine unbedingt lohnende, wenngleich komplexe Aufgabe.
Gerade in kleinen und mittleren Apotheken kommt es nicht selten vor, dass der Apothekenleiter schon aufgrund seiner apothekenrechtlichen Stellung der einzig Handlungsbevollmächtigte für das Unternehmen ist. Fällt dieser durch einen Unfall oder eine plötzliche Krankheit für längere Zeit oder sogar dauerhaft aus, kann dies für das Unternehmen existenzbedrohlich sein. Zwingend erforderliche Unterschriften, Jahresabschlüsse und Bilanzen können nicht vorgenommen, Gehälter nicht ausgezahlt werden.
Hier sollte dringend Vorsorge getroffen werden – durch folgende Maßnahmen:
- Benennung eines Stellvertreters,
- Vollmachten,
- Unternehmer-Testament,
- Notfallkoffer.
Der Apothekenleiter muss zunächst für sich überlegen, wem er so vertraut, dass er ihn/sie als Stellvertreter benennen kann. Dies sollte mit dem potenziellen Stellvertreter besprochen werden. Nicht selten kommt es vor, dass jemand zum Stellvertreter berufen wird, ohne davon Kenntnis zu haben und dies überhaupt zu wollen. Eine entsprechende Regelung muss schriftlich niedergelegt werden, und dem Stellvertreter müssen Kontovollmacht sowie Handlungsvollmacht oder Prokura erteilt werden.
Häufig wird dies durch eine Vollmacht für den Ehepartner gelöst. Das ist aber nicht immer als alleinige Regelung zu empfehlen: So sind Ehepartner häufig gemeinsam unterwegs, und ein Ausfall aufgrund eines Unfalles kann deshalb beide betreffen. Die Vorsorge-Unterlagen können z.B. bei einem Rechtsanwalt des Vertrauens hinterlegt werden.
Besonderheiten des Apothekenrechts beachten
Die Benennung eines Stellvertreters allein genügt indes nicht. Daneben muss unbedingt ein Unternehmertestament erstellt werden, in dem geregelt wird, wer die Apotheke erhalten soll. Die gesetzliche Erbfolge ist für Apotheken meist nicht die beste Lösung. Hier ist unbedingt eine Beratung durch einen im Apothekenrecht erfahrenen Rechtsanwalt erforderlich, da hier individuelle Lösungen erarbeitet werden müssen. Denn die Apothekenbetriebserlaubnis ist eine personenbezogene Erlaubnis und erlischt im Todesfall, was den Hinterbliebenen ggf. einen starken Handlungsdruck auferlegt.
Die Ausarbeitung eines Notfallplans (Details siehe Info) ist ein zeitaufwändiges Thema, mit dem sich niemand gerne befasst. Die grauen Monate zum Jahresanfang bieten sich geradezu ideal dafür an. Steht der Notfallplan, dann bringt er eine erhebliche Erleichterung – sowohl für den Apothekenleiter als auch für die Mitarbeiter, die wissen, dass für den Notfall vorgesorgt ist.
Da sich ein Apothekenbetrieb stetig weiterentwickelt, sollte das Notfall-Handbuch in regelmäßigen Abständen – einmal im Jahr oder bei konkreten Anlässen – überprüft und aktualisiert werden. Detailfragen sollten mithilfe eines Rechtsanwalts ergänzend geklärt werden.
Das "Notfall-Handbuch für Unternehmen", welches die IHK zur Verfügung stellt, hilft bei einer kurzfristigen Umsetzung. Es lotst Sie Schritt für Schritt durch den Prozess und stellt sicher, dass nichts Wichtiges vergessen wird. Online finden Sie dieses im Downloadbereich auf den Internetseiten der jeweiligen IHK.
Weitere Infos finden Sie unter dem Stichwort "Vorsorge und Patientenrechte" auf den Webseiten des Bundesministeriums der Justiz.
Info: Überlebenswichtig - der Notfallkoffer
Um den Betrieb vor unnötigem Schaden zu bewahren, sollte jede Apotheke einen "Notfallkoffer" haben. Das kann ein physischer Ordner oder auch eine digitale Akte sein. Dort sollten alle Informationen hinterlegt werden, die ein Stellvertreter benötigt, um das Unternehmen im Falle des Falles nahtlos fortführen zu können.
Dies sind im Wesentlichen:
- eine Adressliste mit Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern
- Kontaktdaten von Rechtsanwalt und Steuerberater
- Aufstellung wichtiger Fristen
- Versicherungspolicen
- Informationen zu Passwörtern und PIN
- eine Schlüsselliste
- Informationen darüber, wo sich die wichtigsten Geschäftsunterlagen befinden
- Notfallplan mit den ersten Schritten
- Aufbewahrungsort von Testament, Gesellschaftsvertrag und Patientenverfügung
Dr. Bettina Mecking, M.M., Fachanwältin für Medizinrecht, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(04):14-14