Prof. Dr. Reinhard Herzog
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Wir geben Ihnen praxisnahe Tipps an die Hand, wie sie als Apothekenleiter durch einen professionellen Einkauf viel Geld einsparen können. (© AdobeStock/Maksym Yemelyanov)
Verhandlungen haben einen strategischen Teil ("was will ich am Ende erreichen") und einen taktischen ("wie erreiche ich meine Ziele").
Taktik
Unterschätzen Sie nie die "Soft-Faktoren" Atmosphäre, Sympathie, Umgebung und Zeit. Kluge Verhandler machen es ihren Gegenübern möglichst angenehm, boshaft gesagt, sie lullen sie ein Stück weit ein. Allenfalls wer aus der Position totaler Überlegenheit agiert, kann seine Lieferanten nach Belieben "antanzen lassen", wie das in anderen Branchen mit Zulieferern gern geschieht. Ob das wirklich so zielführend ist – man sieht sich gern mehrfach im Leben – sei dahingestellt.
Also: Nehmen Sie sich Zeit (denken Sie an den "Stundenlohn" für das, was Sie herausholen können!), sorgen Sie für gute Atmosphäre und signalisieren Sie, dass Ihrem Gegenüber die ungeteilte Aufmerksamkeit gehört. Unterbrechungen durch Telefon, Mitarbeiter oder gar Ausklinken, weil Sie Feuerwehr spielen müssen, fallen negativ auf Sie zurück: Wie steht es um Ihre Managementfähigkeiten, wenn Sie nicht mal eine Stunde freimachen können, in der es um viel geht?
Der Smalltalk am Anfang nimmt die Spannung; von Außendienstlern erfahren Sie zudem meist was zum aktuellen Geschehen.
Strategie
Ein "Beutegreifer" hat sein Ziel stets im Auge und fasst bei passender Gelegenheit präzise zu. Nun kommt die Erkenntnis zum Tragen: 90% des Erfolges sind Vorbereitung. Schauen Sie in unseren letzten Beitrag (AWA 4/2022).
Sie kennen Ihre Einkaufsvolumina, Sie wissen um Ihre Marktbedeutung und das Lieferantenumfeld. Sie wissen, wo Sie großzügiger sein können und strenger sein müssen. Sie schauen auf die Tausender-Beträge und nicht die Hunderter oder Zehner. Sie haben sich eine Checkliste erstellt, die alle für Sie wichtigen Kriterien und Volumina tabellarisch zusammenfasst. Diese füllen Sie während des Gesprächs sorgfältig aus – und gleichen Sie am Ende mit dem "Konditionenblatt" des Lieferanten ab (wichtig!).
Sie achten grundsätzlich darauf, Komplexitäten und Intransparenz möglichst weitgehend einzudämmen: Lieber eine "ehrliche" Zusatzgebühr als versteckte oder nur mit hohem Aufwand nachvollziehbare Kosten, die zudem von Parametern abhängen, auf die Sie gar keinen Einfluss haben (z.B. Packungspreise).
Sie denken in Szenarien und Alternativen auch mit den Augen des Gegenübers. Können Sie z.B. das für den Großhandel margenstärkere OTC-Geschäft zugunsten besserer Rx-Konditionen umschichten? Im Grunde ist der Großhandel eine Art Rabatt-Durchleitemaschine; er lebt – ähnlich wie die Apotheke – von selbst erhaltenen Nachlässen, mit den gesetzlichen Honoraren könnte er kaum etwas erreichen.
Die Auswahl behalten …
Der Profi hat immer mindestens eine Alternative. Klopfen Sie also auf den Busch und bestellen Sie alle infrage kommenden Lieferanten zeitnah ein. Wer den Spannungsbogen hoch halten möchte, legt alles auf einen Tag im Abstand von einer oder anderthalb Stunden – und lässt im Gespräch durchblicken, dass heute noch mehr Bewerber um den Auftrag anstehen. Idealerweise sind Sie soweit vernetzt (z.B. in Erfa-Gruppen), dass Sie wissen, wie die Marktlage ist. Nebenbei: Diese Prozedur gilt es, regelmäßig alle ein bis zwei Jahre zu wiederholen.
Ein Thema für sich ist das geschickte Splitten Ihres Einkaufsvolumens auf Erst- und Zweit-Lieferanten. Mit geringen Einkaufsvolumina bekommen Sie kaum Nachlässe oder vielleicht nur auf bestimmte Artikel. Eigentlich gibt es nur zwei sinnhafte Varianten: Sie "leisten" sich einen Zweit-Großhandel auf Minimalniveau. Oder Sie splitten Ihr (großes!) Volumen etwa gleichmäßig und schauen, dass Sie nur ein wenig schlechtere Bedingungen bekommen als bei einer Konzentration auf einen Händler – ein Rechenexempel, aber gut für etliche tausend Euro.
Alternative Direkteinkauf?
Betriebswirtschaftlich zählt die "Nutzenkennziffer" (= Aufschlagsatz mal Umschlagshäufigkeit pro Jahr). Kaufen Sie günstiger ein, steigt insoweit der Aufschlagsatz auf den effektiven Einkaufspreis je Packung (EK). Der EK steigt durch Zusatzkosten indes wieder an, dies sind zusätzliche Handlings- und Prozesskosten, ggf. noch Lager- und Finanzierungskosten. Die Nutzenkennziffer sollte selbstredend für jeden Artikel möglichst hoch sein.
Praktisch sieht es so aus, dass eine Vorrats-Direktbestellung aus finanziellen Erwägungen erst bei einer Preisdifferenz jenseits 20 € je Auftrag sinnvoll ist – und dies auch nur, wenn die Prozesse der Warenabwicklung optimiert, Lagerplatz reichlich vorhanden und die finanzielle Liquiditätslage gut sind. Das läuft bei den meist nur wenigen Prozentpunkten Rabattdifferenz auf hohe Mindestbestellwerte jenseits 500 € hinaus. Die gerade bei Generikaherstellern attraktiven Angebote der Saison-Direktbevorratung für Schnelldreher (gern als "Überweiser") erfüllen diese Kriterien aber so gut wie immer.
Verhandeln lassen?
Es liegt nahe, sich den Aufwand der Verhandlungen zu ersparen und auf die Macht des gemeinsamen Einkaufs zu setzen, mit Verhandlungsprofis an der Spitze. Gerade große Apotheken haben sich in mehr oder minder bekannten Verbünden organisiert. Auf regionaler Ebene gibt es Aktivitäten gern unter der Leitung von Steuer- und Unternehmensberatern. Der Gedanke, "nur gemeinsam sind wir stark", ist dennoch ambivalent – das Stichwort ist der "Regressionseffekt zum Mittelwert". Aus Lieferantensicht multipliziert sich nämlich jedes Zehntelprozent mehr Rabatt mit der Zahl der Apotheken. Typischerweise unterscheiden sich diese Apotheken zudem teils beträchtlich hinsichtlich Größe und – fast noch wichtiger – in ihrer Absatzstruktur.
Höchste pauschale Gießkannen-Rabatte für alle sind somit für einen Lieferanten nur schwerlich darstellbar, erst recht, wenn die Betriebe noch weit auseinander auf völlig unterschiedlichen Liefertouren liegen. Starke Apotheken holen deshalb mit Geschick regelhaft mehr für sich heraus. Groß sind die Differenzen jedoch erfahrungsgemäß nicht. Wer das Einkaufsthema entspannt abhaken will, ist also in einem professionell gemanagten Verbund ganz gut aufgehoben, muss allerdings mit der einen oder anderen "Wundertüte" (wie so manche "Kick-back"-Vereinbarungen und allerlei Gutschriften) leben, deren wirkliche prozentuale Bedeutung sich nur schwer beziffern lässt.
Gerne bedient man sich noch externer Rechnungskontrolleure. Dieses "Vollkaskopaket" mag Sie auf den Olymp des bequemen Einkaufs heben, doch allzu oft gehen Transparenz und Übersicht weitgehend verloren, und bald könnte es heißen: "Wer sich nur auf andere verlässt, ist ganz schnell selbst verlassen
At a glance: Einkaufsverhandlungen
Achten Sie auf diese Punkte, und Sie sind bereits der Mehrzahl Ihrer Kollegen voraus:
- Gute Taktik: Atmosphäre, Zeit, Aufmerksamkeit, nett und zuvorkommend – aber präzise zupackend, wenn es ans "Eingemachte" geht.
- Sie wissen, worauf es ankommt (Priorisierung) und nutzen dafür eine Checkliste während der Verhandlung.
- Sie denken konstruktiv in Szenarien und Alternativen, auch mit den Augen Ihres Verhandlungspartners. Gibt es für beide Seiten interessante Kompromisse (z. B. bei der Sortimentsstruktur)?
- In Alternativen denken heißt auch: Alle infrage kommenden Lieferanten kommen lassen und strukturiert vergleichen.
- Nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern regelmäßige "Updates" vornehmen.
- Vermeiden Sie Komplexität und Intransparenz, wo immer möglich. Ihre Abrechnungen sollten mit einfachem Dreisatz mindestens zu 95 % verständlich sein. Allfälliger "Schwund" sollte sich auf verschmerzbare Kleinbeträge reduzieren.
Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(05):4-4