Vertragsmanagement in der Apotheke

Pacta sunt servanda


Dr. Markus Rohner

In Apotheken werden zahlreiche Verträge mit Dienstleistern und Lieferanten geschlossen. Rechtlich handelt es sich dabei um unterschiedliche Vertragstypen. Nachfolgend werden die allgemeinen Vertragsgrundsätze vom Abschluss bis zur Beendigung beleuchtet.

Wirksam werden Verträge, wenn sie von dazu berechtigten Personen geschlossen werden. Das ist bei grundlegenden Verträgenwie z.B. dem Mietvertrag für die Apotheke in der Regel eindeutig: Diesen unterschreibt der Apotheker in Person sowie der Vermieter. Bei Vermietungsgesellschaften – insbesondere Fondsgesellschaften im Ausland – ist darauf zu achten, dass dort ausschließlich zur Vertretung berechtigte Personen zeichnen. Auch den Vertrag mit dem Steuerberater wird der Apotheker selbst unterschreiben.

Anders sieht es bei laufenden Bestellungen oder der Aufgabe von Inseraten aus: Hier werden häufig Mitarbeiter tätig. Im Innenverhältnis sollten dafür klare Regeln aufgestellt werden, wer zeichnungsberechtigt ist und wer nicht. Überschreitet ein Mitarbeiter seine Kompetenzen, kommt es für die Wirksamkeit des Vertrages darauf an, ob der Vertragspartner auf die Zeichnungsbefugnis vertrauen durfte oder nicht.

Übrigens müssen Verträge nicht immer schriftlich geschlossen werden. Auch mündliche Vereinbarungen sind wirksam. Werden solche vom Vertragspartner schriftlich bestätigt, muss man das so gegen sich gelten lassen (kaufmännisches Bestätigungsschreiben), wenn man nicht umgehend widerspricht.

Anfechtung und Widerruf

Das Gesetz sieht besondere Möglichkeiten vor, sich von einem Vertrag zu lösen. Da ist zum einen das Anfechtungsrecht: Bei einem Erklärungs- oder Inhaltsirrtum ist eine Lösung vom Vertrag möglich. Das ist z.B. der Fall, wenn eine namensähnliche Verwechslung oder erkennbare Zahlendreher vorliegen.

Von größerer Relevanz ist die Anfechtung des Vertrages wegen Täuschung. Werden dem Apotheker bei Vertragsschluss falsche Umstände vorgegaukelt, kann der Vertrag angefochten werden. Insbesondere bei Telefonverkäufern bewegen sich Vertragsabschlüsse häufig im Grenzbereich. Grundsätzlich gilt: Schließen Sie keine telefonischen Verträge ab, sondern lassen Sie sich immer ausgefertigte Verträge schicken, um in Ruhe den Inhalt zu prüfen. Liegen Anhaltspunkte für eine Täuschung vor, müssen Sie unverzüglich die Anfechtung erklären.

Die Widerrufsmöglichkeiten von sog. Fernabsatzverträgen – also Verträgen, die per Telefon oder E-Mail geschlossen werden – sind im Gesetz ausführlich geregelt. Allerdings handelt es sich dabei um Schutzvorschriften für Verbraucher. Unternehmern und damit Apothekern steht eine solche Widerrufsmöglichkeit nicht zu.

Wann sich Verträge vorzeitig beenden lassen

Grundsätzlich gilt: Pacta sunt servanda. Einmal wirksam geschlossene Verträge müssen grundsätzlich eingehalten werden. Bei Abschluss eines Kaufvertrages (z.B. über einen Kommissionierer), muss die Anlage abgenommen und der Kaufpreis bezahlt werden. Gleiches gilt bei der Bestellung von Arzneimitteln oder der Beauftragung einer Werkleistung. Ist eine feste Laufzeit vorgesehen – z.B. bei Miet- oder Leasingverträgen –, enden die wechselseitigen Verpflichtungen automatisch mit Ende des Vertrages, es sei denn, es sind Fortsetzungsklauseln vorgesehen.

Aber was ist zu tun, wenn ich mich als Apotheker vorzeitig von einem Vertrag lösen will – sei es bei Dauerschuldverhältnissen oder einmaligen Leistungen?

Hier gilt zunächst grundsätzlich: Sieht der Vertrag keine Kündigungsmöglichkeit oder Rücktrittsmöglichkeit vor, ist ein vorzeitiger Ausstieg nicht möglich. Bei Dauerschuldverhältnissen ist eine außerordentliche Kündigung zwar prinzipiell immer möglich. Eine solche setzt allerdings grobe Vertragsverstöße des Vertragspartners voraus. Die Messlatte liegt hier sehr hoch, die praktische Relevanz ist insofern gering.

Mit offenen Karten spielen

Was ist also zu tun? Grundsätzlich besteht immer die Möglichkeit, einen Vertrag einvernehmlich aufzuheben. Es kann z.B. sein, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Apotheke verändert hat. Das ist zwar grundsätzlich kein Grund, von einem einmal geschlossenen Vertrag Abstand zu nehmen oder Konditionen anzupassen. Allerdings können solche Umstände durchaus als Begründung dienen, mit dem Vertragspartner in Verhandlungen zu treten, um eine Aufhebung oder Vertragsanpassung zu erreichen. Dabei sollte der Apotheker immer mit offenen Karten spielen, d.h. im Zweifel BWA-Zahlen und Bestätigungen des Steuerberaters vorlegen.

Liegen die Ursachen für eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht im Einflussbereich des Apothekers, kann auf die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage zurückgegriffen werden. Diese Vorschrift des BGB sieht im Kern vor, dass bei veränderten Umständen, die Grundlage eines Vertrages sind, die Parteien eine Anpassung oder Aufhebung des Vertrages verlangen können.

Dieses Rechtsmittel ist vielfach in der Pandemie eingesetzt worden, wenn es um die Anpassung von Mietzahlungen von Apotheken in Einkaufszentren ging: Durch den Lockdown waren die Kundenströme abgeschnitten, und es stellte sich die Frage, in wessen Risikosphäre das fällt – die des Vermieters oder Mieters. Hierzu gab es eine Reihe von Gerichtsentscheidungen mit unterschiedlichen Ergebnissen. Der BGH hat nunmehr klargestellt, dass die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage auf Mietzahlungen in der Pandemie Anwendung finden können, dass aber keine pauschale Zuordnung des Risikos (z.B. 50:50) erfolgen darf. Vielmehr muss dieses im Einzelfall geprüft und begründet werden.

Ein vorzeitiges Lösen vom Vertrag ist auch immer dann möglich, wenn Leistungsstörungen auftreten. Wird nicht rechtzeitig oder das falsche Produkt geliefert, oder funktionieren Softwarelösungen nicht, kann am Ende ein Rücktritt vom Vertrag möglich sein. Dass setzt allerdings – je nach Vertragstyp – unterschiedliche Schritte voraus. In der Regel ist dem Vertragspartner immer die Möglichkeit zu geben, eine Nachlieferung oder Nachbesserung vorzunehmen. Erst dann kann ein Rücktritt vom Vertrag erfolgen. Hierbei sind die vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben genauestens zu beachten.

Übrigens: Werkverträge können vom Auftraggeber jederzeit auch ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Er bleibt dann nur verpflichtet, den entgangenen Gewinn zu ersetzen – ein Quell für lange Streitigkeiten.

Warum nicht eigene AGBs festlegen?

Grundsätzlich ist immer auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu achten. Lieferanten legen diese dem Vertragsschluss häufig zugrunde. Sind solche wirksam vereinbart, muss sich der Apotheker daran halten. Gerade in jüngster Zeit – beispielsweise bei Großbestellungen von COVID-Tests oder Masken – müssen sich Apotheker mit den AGBs ihrer Lieferanten auseinandersetzen. Zwar gab es immer schon solche Bedingungen der Großhändler oder Softwarehäuser. Allerdings waren und sind diese Handelsbeziehungen über Jahre eingespielt. In den neuen Handelsbeziehungen bei Großbestellungen muss der Apotheker sich neu mit den AGBs befassen. Dabei könnte man durchaus überlegen, auch mit eigenen Einkaufsbedingungen der Apotheke zu operieren und diese zur Vertragsgrundlage zu machen. Das kann vor bösen Überraschungen schützen.

Eine besondere Gattung sind Dienstleistungsverträge, in denen ein besonderes, persönliches Vertrauensverhältnis eine Rolle spielt. Das ist z.B. der Vertrag mit dem Steuerberater oder Rechtsanwalt. Diese sind immer dann kündbar, wenn das Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben ist. Sollten längere Laufzeiten vereinbart sein, muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob und wann eine vorzeitige Vertragsbeendigung möglich ist.

Praxistipp

Verträge werden über Jahre in unterschiedlichen Bereichen geschlossen. Sie sollten zentral verwaltet werden – wenn möglich digital und in Papierform. Und es ist unbedingt ratsam, einen Fristenkalender zu führen, um Laufzeiten, Verlängerungsoptionen und Kündigungsmöglichkeiten stets im Blick zu behalten.

Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, RST Dr. Rohner & Partner mbB, 45128 Essen, E-Mail: mrohner@rst-beratung.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(07):10-10