"Pechvogel des Monats"

Apothekenübergabe mit Hindernissen


Michael Jeinsen

In lockerer Folge stellen wir hier reale Fälle aus der Praxis vor. Tragisch, kurios, überraschend: Wie konnte es so weit kommen, und wie sah die Lösung aus? Das Motto dieser Serie lautet somit: "Mein (Miss-)Erfolg – Ihr Erfolg" oder "Klug aus der Erfahrung anderer."

Wie schwierig sich der Ausstieg aus dem Berufsleben gestalten kann – gerade auf dem Land –, musste ein älterer Apotheker aus dem Osten Deutschlands erfahren. Kommen dann noch eine Corona-Pandemie, die Insolvenz eines Rezeptabrechners und eine schwere Erkrankung dazu, wird es richtig eng. 30 Jahre lang betrieb der Mann eine Apotheke in einer grenznahen Kleinstadt. Ausgerechnet 2020 wollte er sein Traditionshaus – die Apotheke besteht seit Jahrhunderten – übergeben. Doch es kam Corona. Nun musste er urplötzlich alle Kräfte bündeln, um seine Apotheke überhaupt am Leben zu erhalten.

Nächster Tiefschlag

Da Mitarbeiter im nahen Nachbarland lebten und die Grenze wegen der Pandemie geschlossen wurde, war das Apothekenteam plötzlich stark ausgedünnt. Für den gesundheitlich angeschlagenen Inhaber war das eine besondere Herausforderung. Doch es kam noch schlimmer: Während der zweiten Pandemiewelle musste fast das gesamte Team samt Inhaber in Quarantäne. Eine Schließung der Apotheke schien unumgänglich, konnte aber letztlich gerade noch abgewendet werden, weil eine befreundete Apothekerin in dieser Notsituation mit Personal aushalf. Nachdem die Gefahr einer Schließung vorerst gebannt war, schien sich die Situation zu beruhigen. Doch dieser Eindruck täuschte. Denn nun folgte der nächste Tiefschlag: Wie bei vielen anderen Apotheken auch schlug die Insolvenz des Rezeptabrechners AvP voll durch – leider mit einer sehr hohen Summe. Und wieder stand die Apotheke auf der Kippe. Auch diesmal ließ sich das Aus gerade noch verhindern. Damit konnte sich der Apotheker endlich wieder seinem eigentlichen Ziel widmen: einer geregelten Nachfolge.

Die gestaltete sich allerdings nicht einfach: Eine Landapotheke – selbst ohne direkte Konkurrenz – in einer Grenzregion steht bei Gründern nicht unbedingt ganz oben auf der Wunschliste. Und Kollegen, die eine Filiale eröffnen wollen, überlegen es sich ebenfalls sehr genau, ob sie das Wagnis eingehen. Da half es auch nichts, dass die Apotheke mit speziellen Beratungen, Telesprechstunden, einer eigenen Website mit Online-Shop sowie moderner Technik samt Warenlagerautomat glänzen konnte.

Spätes Happy End

Zu allem Überfluss verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Inhabers abrupt, sodass ein längerer Krankenhausaufenthalt notwendig wurde. So mussten aus dem Stand erst einmal Vertreter gefunden werden. Da auch die Gemeinde ein Interesse am Fortbestand der Apotheke hatte, wurden nun auch Bürgermeister und Landrat aktiv. Es kam schließlich soweit, dass sich der Apotheker selbst eine Deadline setzte: Bis Sommer 2021 musste ein Nachfolger gefunden werden, ansonsten würde er die Apotheke schließen. Wohl für immer.

Um die Kommune mit 4.000 Einwohnern weiter versorgt zu wissen, schalteten sich Berater einer größeren Steuerberatung ein, die schließlich einen geeigneten Nachfolger finden konnten: einen Apotheker, der gerne wieder näher an seiner Heimat tätig werden wollte. Einige formale Hürden galt es zwar noch zu nehmen. Weil jedoch alle Beteiligten ein Interesse an der Fortführung der Apotheke hatten, konnte diese im Herbst 2021 tatsächlich in neue Hände übergeben werden. Happy End sozusagen, weil alle an einem Strang gezogen haben und nicht zuletzt auch deshalb, weil eine Apotheke am Ort für unverzichtbar angesehen wurde.

Michael Jeinsen, Diplom-Politologe und -Pädagoge, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), IHK-Dozent für Maklerfortbildung, 12209 Berlin, E-Mail: berlin@die-apothekerhelfer.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(09):9-9