Externe Betriebsvergleichszahlen 2021 der Treuhand Hannover

Corona-Effekte kaschieren strukturelle Defizite


Guido Michels

Pandemiebedingte Sonderumsätze haben 2021 zwar zu deutlich wachsenden Apothekenumsätzen geführt: Doch verschleiern diese den Blick auf das Kerngeschäft sowie die massiven Kostensteigerungen. Insofern könnte im nächsten Jahr ein herber Gewinnrückgang folgen.

2021 war für die deutschen Offizin-Apotheken das wohl ungewöhnlichste Jahr seit Langem. Von Januar bis Dezember mussten fast im Monatstakt neue Aufgabenfelder erschlossen werden: Maskenverteilung, Impfzertifikate, Testen, Impfen – die Apotheken waren sehr stark und engagiert in die Bekämpfung der Corona-Pandemie eingebunden.

Nicht nur, aber vor allem bedingt durch diese Sondereffekte sind die Apothekenumsätze in Deutschland im vergangenen Jahr stark gestiegen. Der Durchschnittsumsatz liegt inzwischen bei gut 3,0 Mio. €. Konkret haben die wichtigen GKV-Umsätze um 8,5% im Westen und 5,3% im Osten zugelegt (siehe Abbildung 1).

Kundenzahl und Rx-Packungszahl sind zwar leicht im Plus, das Gros dieses Wachstums erklärt sich jedoch mit Preissteigerungen bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Extrem zugelegt hat der Handverkauf (Privatrezepte, Selbstmedikation und Freiwahl) mit einem Plus von 11,4% im Westen bzw. 15,2% im Osten. Das ist ein typischer Corona-Sondereffekt, da hier die pandemiebedingten Zusatzumsätze – insbesondere durch die Verteilung der Corona-Schutzmasken – verbucht sind.

Reale Apothekenkennzahlen sind rückläufig

Die Sondereffekte durch die Corona-Pandemie sind hoch und verdecken den Blick auf die "wahre" Entwicklung der Apotheken. Daher sollte das Umsatzwachstum nicht zu positiv gesehen werden. Denn die entscheidenden "realen" Apothekenkennzahlen sind – verglichen mit der Vor-Pandemie-Zeit – negativ, wie Tabelle 1 nüchtern aufzeigt. Die Entwicklung macht deutlich: Die Apotheken haben in der Pandemie Kundenfrequenz und Absatz verloren, dies wird aber in der Gesamtschau überdeckt durch Preiseffekte bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sowie Corona-Sondererlöse.

Zum Halbjahr 2021 lag der Rohgewinn im Verhältnis zum Umsatz noch zwei Prozentpunkte über dem Vorjahreswert. Dieses Plus hat sich im weiteren Jahresverlauf zwar etwas abgebaut, dennoch ist die Entwicklung zum Jahresende positiv. Der relative Rohertrag im Verhältnis zum Umsatz lag für Januar bis Dezember 2021 in Westdeutschland bei 23,5% vom Umsatz (Vorjahr 22,8%), in Ostdeutschland bei 21,9% (Vorjahr 20,9%).

Grund dafür waren die vor allem im ersten Halbjahr anfallenden Erlöse aus der Maskenabgabe und den Corona-Tests. Wir schätzen für die Maskenverteilung eine Marge im Bereich von über 70%, was einen Rohgewinn von etwa 60.000 € für die Durchschnittsapotheke bedeutet. Allerdings war auch der dahinterstehende Personal- und Organisationsaufwand enorm, der sich auf der Kostenseite bemerkbar macht.

Für testende Apotheken gab es außerdem einen weiteren, temporären Umsatz- und Rohgewinnschub – allerdings auch hier mit einem hohen Mehraufwand verbunden. Die Gewinnschwelle für Corona-Tests lag nach unserer Kalkulation in den meisten Fällen bei fünf bis sechs Patienten je Mitarbeiter und Stunde. Gewinne erzielte, wer dank guter Prozesse (vor allem bei komplett digitalem Workflow) auf höhere Testfrequenzen kam. Dritter Grund für die Rohgewinnsteigerungen war ab April 2021 die Impfstoffversorgung. Die Vergütung pro Vial von 6,58 € (später 7,58 €), bedeutete im Durchschnitt einen Rohgewinn im höheren vierstelligen Euro-Bereich, allerdings auch hier – zumindest zu Beginn – verbunden mit einem hohen Aufwand.

Extreme Mehrbelastung durch Corona-Zusatzaufgaben

Die Gesamtkosten der Apotheken sind 2021 um 7% bis 8% gestiegen, dies waren absolut etwa 30.000 € bis 40.000 €. Aufgrund der Umsatzzuwächse lagen die Gesamtkosten aber mit 17,1% im Westen und 14,6% im Osten wenige Zehntelprozentpunkte unter dem Niveau von 2020. Diese Steigerung ist zum einen auf höhere Personalkosten zurückzuführen: Für die zusätzlichen Aufgaben wurde mehr Personal benötigt, und aufgrund der Personalknappheit wird neues Personal meist übertariflich bezahlt. Zum anderen sind höhere operative Kosten angefallen, etwa für die IT-Infrastruktur (Telematik und E-Rezept-Vorbereitungen) oder den Betrieb von Testzentren.

Per Saldo verbleibt im Westen wie im Osten eine Verbesserung des Betriebsergebnisses vor Steuern um etwa 40.000 €. Dazu kommen im Durchschnitt noch rund 30.000 € zusätzliche Erlöse aus der Abrechnung von Testzertifikaten und 4.000 € durch die Botendienstvergütung.

"Die Sondereffekte durch die Corona-Pandemie sind hoch und verdecken den Blick auf die 'wahre' Entwicklung der Apotheken. Daher sollte das Umsatzwachstum nicht zu positiv gesehen werden. Denn die 'realen' Apothekenkennzahlen sind – verglichen mit der Vor-Pandemie-Zeit – negativ. Tatsächlich haben die Apotheken in der Pandemie Kundenfrequenz und Absatz verloren."

Die Zahlen des Jahres 2021 zeigen, dass die Apotheken wirtschaftlich zwar positiv durch die Corona-Zeit gekommen sind, dafür aber auch lange Extrameilen gegangen sind. Dass Maßnahmen wie Testen, Impfen und Maskenverteilung so kurzfristig neben dem laufenden Betrieb erfolgten, war eine große Leistung. Die Kehrseite der Medaille war eine extrem hohe Arbeitsbelastung, die diese Zusatzaufgaben für die Apothekenleitung und Teams gleichermaßen mit sich brachten. Nicht wenige kamen im letzten Jahr ans Ende ihrer Kräfte und brauchen dringend eine Rückkehr zur Normalität.

Gretchenfrage: Wie entwickelt sich das Offizin-Kerngeschäft?

Abbildung 2 zeigt schematisch die Gewinnentwicklung von 2019 bis heute. Der Gewinn aus dem Offizin-Geschäft mit Arzneimitteln und freiverkäuflichen Waren (grün) ist gesunken, dies konnte aber durch die Corona-Einnahmen (rot) überkompensiert werden.

Selbst wenn einige Corona-Aufgaben wie das Impfen oder Testen in diesem Jahr noch weitergeführt werden, dürften die Sondereffekte bald wegfallen. Die entscheidende Frage lautet dann: Wie entwickelt sich das Offizin-Kerngeschäft?

Beim Umsatz werden weiterhin die Preiseffekte im Rx-Segment ein Treiber der Entwicklung sein, wobei die Apotheke daran nur marginal verdient. Bei der wichtigeren Kundenfrequenz ist verhaltener Optimismus angesagt: So haben die Patienten in der Pandemie erfahren, welche wertvollen Dienste nur eine Vor-Ort Apotheke bieten kann. Es mag zwar der eine oder andere Kunde in den Arzneimittelversand abgewandert sein – das Gros wird aber wieder in die Apotheken kommen.

Je nach Verschreibungsverhalten der Ärzte, Ausgestaltung des E-Rezepts und dem Auftreten von Erkrankungswellen geht diese Entwicklung schneller oder langsamer vonstatten. Gleichzeitig war die Pandemie der Einstieg in (bezahlte) Dienstleistungen und damit in ein mögliches neues Wachstumsfeld der Offizin-Apotheke. Sobald die Schiedskommission eine Entscheidung in Sachen Pharmazeutische Dienstleistungen getroffen hat, liegen im Dienstleistungsfonds rechnerisch rund 8.000 € je Apotheke bereit.

"Es ist gut möglich, dass die Apotheken 2022 wirtschaftlich schlechter abschneiden als in der Vor-Corona Zeit. Damit rücken die Themen Effizienz und Rentabilität wieder mehr in den Vordergrund."

Wenig erfreuliche Entwicklung bei den Ausgaben

Während also auf der Einnahmenseite weniger Dramatik herrscht, ist auf der Ausgabenseite Pessimismus angesagt:

  • Der Wareneinsatz wird sich verteuern, weil Lieferanten die Bedingungen verschlechtern. Viele Großhändler haben in den letzten Monaten bereits Konditionskürzungen und neue Gebühren durchgesetzt.
  • Die allgemeine Inflation sowie die Preissprünge bei Gas, Strom und Benzin werden einige tausend Euro an Mehrausgaben bedeuten.
  • Der Tarifabschluss bedeutet rund 20.000 € Mehrausgaben für die Durchschnittsapotheke 2022, wenn die Gehälter aller Mitarbeiter voll angehoben werden. 2023 kommt eine weitere Steigerung um 3% hinzu, was nochmals 8.000 € je Betrieb an Mehrkosten ausmacht.

Dazu kommen noch der grassierende Personalmangel, die Unwägbarkeiten rund um den E-Rezept-Start und das drohende Spargesetz aus dem Gesundheitsministerium. Gut möglich ist daher, dass die Apotheken in diesem Jahr wirtschaftlich schlechter abschneiden als in der Vor-Corona-Zeit. Damit rücken die Themen Effizienz und Rentabilität wieder mehr in den Vordergrund.

Machen Sie es doch wie die Automobilindustrie: Dort wurden trotz Absatzkrise und Chipmangel Rekordgewinne eingefahren, indem die knappen Ressourcen konsequent dort einsetzt wurden, wo es sich am meisten lohnt.

Wie Sie Ihre knappen Ressourcen bestmöglich einsetzen

  • Werden Sie sich des Kundenwertes bewusst: An Rx-Arzneimitteln verdient man das Zwei- bis Dreifache wie an Non-Rx-Ware. Bei teuren Präparaten bleibt in Euro ein zwei- bis dreistelliger Deckungsbeitrag je Packung. Sprechen Sie diese Kunden gezielt mit Service und Marketing an.
  • Digitalisieren Sie sinnvoll: Technik hilft sparen, wenn man auch die dazugehörigen Prozesse entsprechend umstellt. Arbeitet man so weiter wie vorher, hat man außer Kosten nichts erreicht. Verändern Sie gemeinsam mit Ihrem Team die Aufgaben und Arbeitsweisen, damit Sie Telematik, Kommissionierer und Co. effizient nutzen.
  • Achten Sie auf Kostendisziplin: Hinterfragen Sie Ihre Ausgaben zum Beispiel in Sachen Werbung oder Kooperationen. Nutzen Sie auslaufende Verträge zur Neuverhandlung.
  • Rechnen Sie nach, welches Geschäft sich tatsächlich lohnt: die weit entfernte Filiale, die teure Verblisterung oder das eigene Sanitätshaus …? Fragen Sie sich konsequent nach dem Deckungsbeitrag jeder Aktivität, also dem Gewinn nach Abzug der variablen Kosten. Dieser lag über die letzten Jahre im Durchschnitt bei 10 % bis 12 % vom Umsatz und bei etwa 9 € je Kunde. Warum sollten Sie Ihre knappen Ressourcen in Aktivitäten stecken, mit denen Sie deutlich weniger verdienen?

Guido Michels, Diplom-Ökonom, Treuhand Hannover GmbH, 30519 Hannover, E-Mail: guido.michels@treuhand-hannover.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(10):6-6