Carolin Skiba
In Apotheken herrscht seit Langem ein spürbarer Mangel an qualifizierten Fachkräften. Die Fachkräfte-Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit 2020 geht sogar davon aus, dass sich die Situation zukünftig noch weiter zuspitzen wird [1]. Längst ist klar: Finanzielle Anreize sind zwar notwendig, aber bei weitem nicht ausreichend, um Mitarbeiter zu halten. Insbesondere in den Großstädten bezahlen Apotheken ihren Mitarbeitern häufig Gehälter, die weit über den üblichen Tarifen liegen – und mit mäßigem Erfolg.
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Warum ein gutes Gehalt allein nicht ausreicht
- Wenn alle Apotheken in ähnlicher Höhe über Tarif bezahlen, ist das keine Besonderheit mehr und die Mitarbeiter wissen, dass sie leicht an einem anderen Arbeitsplatz ebenso viel verdienen können. Das Gehalt stellt im „War for Talents“ kein Alleinstellungsmerkmal mehr für die einzelne Apotheke dar.
- Der Effekt einer Gehaltserhöhung nutzt sich schnell ab, es tritt bereits nach kurzer Zeit ein Gewöhnungseffekt ein. Gehaltserhöhungen sind also nicht nachhaltig wirksam. Sie haben damit nur einen minimalen Effekt auf die Motivation und Bindung der Mitarbeiter. Umgekehrt führt es aber zu einer deutlichen Demotivation, wenn das Gehalt aus Sicht der Mitarbeiter einfach „nicht stimmt“.
- Nach der Maslowschen Bedürfnispyramide (siehe Abbildung 1) dient Geld in erster Linie dazu, die unteren beiden Stufen (physiologische und Sicherheitsbedürfnisse) abzudecken. Sind diese grundsätzlich befriedigt, folgen weitere Bedürfnisse (soziale Bedürfnisse, Anerkennung und Wertschätzung, Selbstverwirklichung), die nicht mit Geld allein befriedigt werden können.
Wie Mitarbeiterbindung gelingen kann
Wie also können Apotheker bei dem Versuch, Mitarbeiter langfristig an ihr Unternehmen zu binden, nachhaltig punkten? Dies kann gelingen, wenn Sie die unterschiedlichen Stufen der Maslowschen Bedürfnishierarchie richtig ansprechen. Hier einige praktische Anregungen dazu:
Gehalt
Geben Sie nicht einfach mehr Geld, sondern suchen Sie nach individuellen Bausteinen, die das Gehalt ergänzen. Schauen Sie z.B., ob für den einzelnen Mitarbeiter ein Monatsticket für den ÖPNV, ein Jobrad oder Tankgutscheine eine sinnvolle Ergänzung sein können. Decken Sie einen Teil des Gehalts z.B. über Einkaufsgutscheine ab. Falls es interessante Geschäfte in nächster Nähe gibt (Friseur, Fitnessstudio, Restaurants mit Mittagstisch etc.), schließen sie mit diesen Kooperationen, um ihren Mitarbeitern vergünstigte Preise oder Gutscheine anbieten zu können. So binden Sie die Mitarbeiter nicht nur an die Apotheke, sondern auch an deren Standort.
Äußerst wichtig ist außerdem, Gehaltserhöhungen nicht erst dann zu geben, wenn bereits Hinweise aufkommen, dass ein Mitarbeiter unzufrieden ist oder Kollegen bereits gekündigt haben. Denn dann entsteht leicht der Eindruck, dass man als Chef den Mitarbeiter „kaufen“ möchte – und das kommt nicht gut an!
Soziale Bedürfnisse
Menschen sind soziale Wesen und möchten ihre Zeit mit anderen Menschen verbringen, in deren Nähe sie sich wohlfühlen. Die tägliche Arbeit nimmt häufig den größten Teil des Tages in Anspruch, und daher möchte jeder gerne in einem Team arbeiten, in dem eine gute Atmosphäre herrscht. Die Arbeit sollte einfach Spaß machen, und dafür ist das Klima im Team ein entscheidender Faktor. Veranstalten Sie regelmäßig Teamtage oder informelle Treffen, bei denen das Team gemeinsam den Arbeitstag ausklingen lässt. Solche Events sind auch eine schöne Gelegenheit, die Mitarbeiter einmal einzuladen.
Anerkennung und Wertschätzung
Menschen wünschen sich, als Individuum mit ihren einzigartigen Stärken und Talenten gesehen zu werden. Dann haben sie auch das Gefühl, dass sie am richtigen Ort sind und fühlen sich nicht austauschbar. Insbesondere Führungskräfte haben hier eine wichtige Funktion. Studien belegen, dass die Beziehung der Mitarbeiter zu ihrer Führungskraft entscheidend deren Bindung an das Unternehmen und die Zufriedenheit beeinflusst. Umgekehrt können Führungskräfte sehr viel Schaden anrichten, wenn sie nicht angemessen mit den Mitarbeitern umgehen. Es heißt nicht umsonst: „Mitarbeiter kommen in ein Unternehmen wegen des Unternehmens und verlassen es wegen der Führungskraft“.
Last but not least: Gewöhnen Sie sich als Führungskraft einen stärkenorientierten Blick auf Ihre Mitarbeiter an (siehe AWA 11/2022). Anerkennung sollte aber nicht nur einmal im Jahr beim Mitarbeitergespräch gegeben werden und muss auch nicht zwangsläufig in eine Gehaltserhöhung münden. Viel wichtiger ist die Anerkennung im Alltag – ein ehrlich gemeintes Danke, ein Lob, wenn man gerade zufällig ein gutes Gespräch des Mitarbeiters mit einem Kunden mitbekommen hat, eine kleine Karte mit anerkennenden Worten etc. Genauso lohnt es sich auch, als Führungskraft dem gesamten Team Anerkennung zu geben, wenn gemeinsame Anstrengungen zum Erfolg geführt haben (z.B. hohen Arbeitsausfall aufgrund von Corona erfolgreich kompensiert).
Selbstverwirklichung
Gerade motivierte und engagierte Mitarbeiter möchten sich beständig weiterentwickeln. Fehlt diese Möglichkeit, ziehen sie weiter zu Arbeitgebern, wo sie diese Chancen erhalten. Ein wichtiger Baustein in diesem Kontext sind Fortbildungen und Zertifizierungen. Zum Beispiel können Mitarbeiter Zusatzausbildungen im Bereich Kosmetik, Nahrungsergänzungsmittel, Social-Media-Marketing für Apotheken, aber auch in Softskills wie Konfliktmanagement absolvieren, die ihren Interessen entsprechen und der Apotheke einen Mehrwert bieten.
Fort- und Weiterbildungen sollten dann erweiterte Verantwortungsbereiche nach sich ziehen und Aufstiegschancen bieten, sofern das möglich ist. Auch in kleineren Apotheken können einzelne Verantwortungsbereiche an engagierte Mitarbeiter abgegeben werden. Beispielsweise können diese mit der Erstellung der Dienstpläne betraut oder als Kontaktpersonen für Pharmavertreter ausgewählt werden. Damit senden Sie als Führungskraft ein klares Signal an den jeweiligen Mitarbeiter: „Ich schätze Dich mit Deiner Persönlichkeit und Deinen Kompetenzen, Du bist mir wichtig!“
Quelle
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(13):10-10