Dr. Uwe Schlegel
Warum sind Aufhebungsverträge so beliebt?
Der Aufhebungsvertrag ist vielfach einer der ersten Gedanken, der einem Arbeitgeber in den Kopf kommt, wenn es um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geht. Warum ist das so? Es gibt eine Reihe von Gründen, die für einen solchen sprechen – manche sind durchaus vernünftig, andere weniger.
Zunächst: Der Aufhebungsvertrag ist im Vergleich zum Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung deutlich weniger konfrontativ. Ein reichlich abgenutzter juristischer Kalauer: Vertrag kommt von vertragen. Auch nicht viel besser: Ein guter Vertrag kann in der Schublade verschwinden. Und genau darum geht es. In zahlreichen Fällen ist das mit dem Vertragen nämlich keine dauerhafte Sache, und der (Aufhebungs-)Vertrag verschwindet gerade nicht für immer in der Schublade. Vielmehr fällt er dem betroffenen Arbeitgeber auf die Füße.
Ein Beispiel aus der Praxis
Arbeitgeber X beschäftigt Arbeitnehmer Y. Immer wieder fällt Y durch unsorgfältige Arbeit auf, an manchen Tagen kommt er zu spät zur Arbeit, mal meldet er sich verspätet krank. Zudem ist Y unfreundlich zu Kunden, was auch schon mehrfach zu Beschwerden geführt hat. Mit anderen Worten: Y ist ein Arbeitnehmer, den kein Arbeitgeber braucht. Nachdem Arbeitgeber X zu der endgültigen Erkenntnis gelangt ist, dass auch noch so gutes Zureden die Situation nicht dauerhaft verbessert, sucht er das Gespräch mit seinem Mitarbeiter. In dessen Verlauf überschüttet X den Y mit Vorwürfen, wird laut und droht schließlich seinem inzwischen völlig verängstigten Mitarbeiter mit dem Ausspruch einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung, für den Fall, dass man nicht heute zu einer Lösung in Form eines Aufhebungsvertrages komme. Dabei führt X dem Y die damit verbundenen finanziellen Nachteile bis hin zur sogenannten Sperrfrist beim Bezug von Arbeitslosengeld vor Augen und erreicht schließlich, dass Y den Aufhebungsvertrag – immer noch eingeschüchtert durch X – mit zitternder Hand unterschreibt.
So weit, so gut, werden Sie vielleicht sagen. Ergebnis erreicht. Arbeitsverhältnis beendet. Fall abgeschlossen. Ja, das wäre natürlich schön gewesen, aber unser Fall geht (leider) noch weiter. Denn schon am Tag nach dem geschilderten Geschehen kommen dem inzwischen wieder mental gefestigten Arbeitnehmer Y Zweifel, ob das mit dem Aufhebungsvertrag so eine gute Idee gewesen ist. Spätestens sein Besuch bei der für ihn zuständigen Bundesagentur für Arbeit bestätigt Y in seiner Annahme, dass nicht nur der ihm angedrohte Ausspruch einer fristlosen Kündigung für den Bezug von Arbeitslosengeld nachteilig sein kann, sondern auch der von ihm bereits unterschriebene Aufhebungsvertrag. Das wiederum veranlasst Y, einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufzusuchen. Und so kommt es, dass Arbeitgeber X etwa zwei Wochen später eine Klageschrift vom örtlichen Arbeitsgericht verbunden mit einer Ladung zum Gütetermin erhält! Spätestens hier platzt die von X erhoffte, wenig konfrontative Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie eine Seifenblase.
Wo steckt das Problem?
Sie werden sich vielleicht fragen: Was hat der Arbeitgeber denn falsch gemacht? Der Arbeitnehmer hätte den Aufhebungsvertrag ja nicht unterschreiben müssen. Und das ist erst einmal völlig richtig. Aber: Es gibt inzwischen eine geradezu ausufernde Rechtsprechung bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG), die dem wirksamen Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine Reihe von Grenzen setzt. In dem zuvor geschilderten Beispielfall sind gleich zwei kritische Punkte zu beachten.
Das Gebot fairen Verhandelns
Zum einen hat der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter massiv psychisch unter Druck gesetzt. Unterstellt man, dass X das erkannt haben musste – ja möglicherweise genau das angestrebt hatte –, dann könnte der Arbeitgeber gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen haben. Dazu das BAG in einer recht aktuellen Entscheidung (BAG, Urteil vom 07.02.2019, AZ: 6 AZR 75/18) im Originalton:
„Ein Aufhebungsvertrag ist (…) unwirksam, wenn er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.“
Was heißt das? Was versteht man konkret unter dem „Gebot fairen Verhandelns“? Dazu meint etwa das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 19.05.2020, AZ: 5 Sa 173/19):
„Eine Verhandlungssituation ist als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.“
Es kann also sein, dass in dem hier geschilderten Fall der Aufhebungsvertrag wegen des Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns bereits als unwirksam betrachtet werden muss und demzufolge das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortzusetzen ist.
Die Gefahr der Anfechtung
Ein weiteres (rechtliches) Problem im Beispielfall besteht darin, dass der Arbeitnehmer unter Umständen eine sogenannte Anfechtung ausspricht, und zwar gestützt darauf, dass er durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages widerrechtlich bedroht wurde. Das kann dann dazu führen, dass dem Arbeitnehmer das Recht zusteht, seine auf Abschluss des Aufhebungsvertrages gerichtete Willenserklärung nachträglich und rückwirkend zu beseitigen. Dazu meint das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 25.01.2022, AZ: 7 Sa 1394/21):
„Gemäß §123 Abs. 1 Alternative 2 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, die Erklärung (…) anfechten. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass die Ankündigung des Arbeitgebers, er wolle das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden, falls der Arbeitnehmer nicht selbst kündige oder einen Aufhebungsvertrag abschließe, eine Drohung darstellt (…). Widerrechtlich ist die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung dann, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. (…). Wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Fall ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen (…).“
Fazit: Wenn die gegenüber dem Arbeitnehmer im konkreten Fall erhobenen Vorwürfe eine außerordentliche und fristlose Kündigung nicht rechtfertigen, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mit einer solchen bedrohen; macht er es dennoch, droht eine erfolgreiche Anfechtung des Arbeitnehmers.
Was also tun?
Der Aufhebungsvertrag kann durchaus ein probates Mittel sein, um ein Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Letztlich entscheidet aber – wie so oft – der Einzelfall. Hat der Arbeitnehmer bereits eine Anschlussbeschäftigung gefunden, ist der Aufhebungsvertrag häufig das Mittel der Wahl. In allen anderen Fällen sollte erst genauer hingeschaut und geprüft werden, welche alternativen Optionen sich noch anbieten.
Good News für Arbeitgeber vom BAG
Erst kürzlich hat das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag eine für Arbeitgeber sehr erfreuliche Entscheidung gefällt. Dort heißt es (BAG, Urteil vom 24.02.2022, AZ: 6 AZR 333/21):
„Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung (…) dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann.“
Dr. Uwe Schlegel, Rechtsanwalt und Geschäftsführer der ETL Rechtsanwälte GmbH, 51107 Köln, E-Mail: uwe.schlegel@etl.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(14):14-14