Michael Jeinsen
Noch glimpflich davon gekommen
Eine in luftigen Höhen hängende Werbeanlage, eine wackelige Leiter und ein wagemutiger Apotheken-Mitarbeiter, der für seinen Chef in die Höhe steigt, um an dem beleuchteten Schild den Inhabernamen auszutauschen: Das sind die Zutaten für einen – in diesem Fall glücklicherweise glimpflich abgelaufenen – Unfall, der eine typische Versicherungslücke offenbart: Denn Eigenschäden sind grundsätzlich kein Fall für die Haftpflicht!
Doch von Anfang an: Wir befinden uns in einer kleinen Kommune im Oberbergischen Land zwischen Köln und Siegen. Die örtliche Apotheke hat vor Kurzem ihren Besitzer gewechselt und über der Tür hängt noch eine Lichtwerbung mit dem Namen des vorherigen Inhabers. Klare Sache: Das Leuchtschild muss aktualisiert werden. Ein entschlossener Mitarbeiter schnappt sich die höchste Leiter, um den Inhabernamen zu überkleben. Keine große Sache, sollte man glauben, doch es kommt anders.
Am oberen Ende der Leiter angekommen, muss der Mitarbeiter feststellen, dass die Leiter stark schwankt. Rette sich, wer kann, denkt er und springt von der Leiter – glücklicherweise ohne sich zu verletzen. Doch die Leiter touchiert beim Umfallen die Lichtwerbung mit dem großen Apotheken-A. Lange Jahre hatte das Acrylglas-Oberteil Wind und Wetter getrotzt, der Ansturm der Leiter ist aber zu viel. Das beleuchtete Schild reißt aus der Metallfassung und geht zu Bruch. Totalschaden! Ein neues Schild muss her.
So eine Sonderanfertigung mit transluzenter Folie ist nicht ganz billig: Knapp 1.400 € stellt ein spezialisierter Betrieb Mitte April für Herstellung und Montage in Rechnung. „Nicht so schlimm“, denkt sich der Apotheker, schließlich ist er ja ordentlich versichert.
Umso größer die Verwunderung, als der Versicherer am Ende abwinkt: Den Schaden hätte ein Mitarbeiter der Apotheke verursacht. Der Apotheker müsse für solche „Eigenschäden“ selber aufkommen. Versicherungsschutz bestehe für solche Fälle grundsätzlich nicht!
Teure Repräsentanten
Das ist keine Ausnahme im Versicherungsbereich. So ersetzt keine Hausrat-Police Schäden, die die Bewohner selbst verursachen. Im gewerblichen Bereich kommt es hier auf die sogenannte „Repräsentantenklausel“ an, die weit verbreitet ist. In ihr legt die Versicherung fest, welche Mitarbeiter als „Repräsentanten“ des Apothekeninhabers gelten und damit quasi dem Inhaber gleichgestellt sind. Was sich harmlos anhört, macht im Schadenfall den Unterschied: Denn alle Schäden, die solche Mitarbeiter verursachen, werden als Eigenschäden gewertet und sind deshalb – wie bei der Hausratversicherung – nicht mitversichert.
Fällt also ein geliehenes Schulungs-Tablet versehentlich zu Boden oder wird ein Putzschemel im Kommissionier-Automaten vergessen, kommt es darauf an, dass solche Schäden rechtsverbindlich mitversichert sind. Das geht am besten mit Policen, die Angestellte nicht als Repräsentanten werten, sondern nur den Inhaber persönlich.
Die Tücke steckt im Kleingedruckten
Tipp: Prüfen Sie in den Bedingungen Ihrer Inhaltsversicherung unter dem Punkt „Repräsentanten“, welche Ihrer Mitarbeiter unter die Repräsentantenklausel fallen. Es sollte dort stehen: „nur der Policen-Inhaber persönlich“ – keine Vertreter, keine Filialleiter und auch sonst niemand. Und es gibt sogar Anbieter, die selbst bei Eigenschäden, die den Inhabern persönlich unterlaufen, zumindest Teilzahlungen zugestehen.
Vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind darüber hinaus oft Schäden, die aufgrund grober Fahrlässigkeit oder aus Vorsatz verursacht werden. Doch auch hier gibt es einige Anbieter, die selbst dann zahlen. Fragen Sie diesbezüglich Ihren Versicherungsberater.
Vier Eigenschaden-Beispiele aus der Praxis
Zugegeben ist eine Leiter, die umkippt und eine Leuchtreklame zerschmettert, weder ein alltäglicher noch ein teurer Versicherungsfall. Da gibt es andere Szenarien, die viel häufiger vorkommen, deutlich höhere Schäden verursachen und im schlimmsten Fall bis hin zum Ruin führen können.
Nachfolgend haben wir exemplarisch vier apothekentypische Praxisbeispiele für Sie zusammengestellt.
1. Fall: Wenn die Schwerkraft zuschlägt
Ein Apotheker hat für seine Filialen drei Tablets für eine Weiterbildung geordert. Die Geräte deponiert er auf einem Arbeitstisch. Später legt eine Apothekerin ihre Unterlagen auf den Tisch, die die Tablets halb verdecken.
Als ein anderer Mitarbeiter diese abholt, bemerkt er die Geräte nicht. Er hebt die Papiere hoch, und dabei fallen die Tablets zu Boden. Eines bleibt unversehrt, zwei sind defekt. Die Apotheke muss für den Schaden aufkommen. Ärgerlich, aber verkraftbar. Denn wo gearbeitet wird, da fallen auch Späne.
2. Fall: Einbrecher nutzen Schwachstelle
Die Reinigungskraft hat ein Fenster nicht richtig verschlossen. Einbrecher nutzen diese Schwachstelle und räumen mächtig aus: Kassenladen, wertvolle Frei- und Sichtwahl, BTM-Schrankinhalt, Kaffeekasse. Nur am Safe scheitern sie. Schaden: 35.000 € Warenwert, 20.000 € Sachschaden, knapp 500 € Bargeld.
3. Fall: Elefantenfüße im Kommissionierer
Ein typischer Fall, der häufiger vorkommt, als man denkt, beginnt so: Die Einkäuferin sucht eine „verschollene“ Packung im Kommissionierer. Um die oberen Regale einsehen zu können, nimmt sie einen Elefantenfuß mit in die Anlage. Just zu diesem Zeitpunkt kommt ein Vertreter in die Apotheke und sie muss unterbrechen. Dabei vergisst sie den Schemel.
Kurze Zeit später denkt eine andere Mitarbeiterin, dass die Arbeit im Kommissionierer beendet sei, man aber vergessen habe, ihn wieder anzustellen. Die Folge: Der Greifarm des Kommissionierers zerschellt am Elefantenfuß. Kosten für die Reparatur: 23.000 € - der übliche Preis eines neuen Greifarmes samt Einbau und Justierung.
4. Fall: Eine teure Weihnachtsfeier
Kommen wir abschließend noch zu einem extremen Fall, den man keiner Apotheke wünscht. In der Adventszeit gönnen sich Inhaber und Team einen gemütlichen Abend mit Gebäck und Adventskranz. Im Verlauf des Abends verabschiedet sich der Inhaber und lässt seine Angestellten die Feier ohne Chef gemütlich ausklingen. Doch vergessen diese, eine Kerze zu löschen, und die Apotheke brennt in der Nacht fast vollständig aus. Der Schaden summiert sich auf rund 400.000 €. In diesem konkreten Fall bestand glücklicherweise Regulierungspflicht des Versicherers, weil nur der Apothekeninhaber als Repräsentant eingetragen war.
Wenn sich Versicherer bei Fällen wie diesen auf Eigenschaden oder grobe Fahrlässigkeit berufen können, um nicht zahlen zu müssen, bleiben Sie als Inhaber auf Ihren Kosten sitzen. Denn hier gilt das bekannte Prinzip aus der Rechtswelt: Unwissenheit schützt nicht vor Strafe – in dem Fall in Form eines mitunter existenziell bedrohlichen finanziellen Schadens.
Buch-Tipp
Wer seine Versicherung einfach und schnell auf apothekenspezifische Risiken hin überprüfen möchte, dem sei dieses Nachschlagewerk empfohlen:
Michael Jeinsen, Heiko Beckert: „Versicherungen für Apotheken. Richtig absichern – Fehler vermeiden“. Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart (2021)
Michael Jeinsen, Diplom-Politologe und -Pädagoge, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), IHK-Dozent für Maklerfortbildung, 12209 Berlin, E-Mail: berlin@die-apothekerhelfer.de
Christian Ring, Versicherungskaufmann (IHK), zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), 01069 Dresden, E-Mail: dresden@die-apothekenhelfer.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(14):8-8