Körperpflegeprodukte-Markt

Einiges Potenzial für aktive Apotheken


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Arzneimittel machen im Schnitt über 90% des Umsatzes aus – doch rechts und links davon gibt es ebenfalls wirtschaftlich beachtenswerte "Randsegmente". Niedrigpreisig und große Kundengruppen ansprechend, findet sich im Segment Körperpflege manch wirksamer Marketing-Aufhänger.

Zu Brutto-Verkaufspreisen lag der Umsatz mit Körperpflege- bzw. "Schönheitspflegemitteln" 2021 voraussichtlich bei 13,6 Mrd. € (ein Rückgang gegenüber Vorjahr von immerhin 3,1%), entsprechend 11,4 Mrd. € netto. Das ist ein Bedarf von immerhin 137 € netto pro Kopf der Bevölkerung. Sogenannte Haushaltspflegemittel (das sind v.a. Wasch- und Putzmittel), ebenfalls im Industrieverband Körperpflege und Waschmittel e.V. mit 430 Firmen und 50.000 Beschäftigten vertreten, machen nochmals 5,1 Mrd. € brutto aus. Zusammen mit einem nach wie vor starken Export von 9,4 Mrd. € steht dieser Bereich der Spezialchemie für gut 28 Mrd. € Umsatz oder knapp 9% Anteil an der gesamten hiesigen Chemieproduktion. Typischerweise handelt es sich um aus unserer Apothekensicht niedrigpreisige Packungen mit einem durchschnittlichen Wert von nur knapp 3,00 €. Zum Vergleich: Der gesamte Apothekenumsatz in Deutschland beträgt 2021 rund 60 Mrd. € netto ohne Corona-Sonderumsätze. Für OTC-Arzneimittel (Barverkauf ohne Verordnungen) werden etwa 3,5 Mrd. € netto ausgegeben. Der Packungswert beträgt hier im Schnitt 7,90 €.

Die Aufteilung der einzelnen Körperpflege-Produktsegmente zeigt Abbildung 1. Am bedeutendsten sind inzwischen die Haarpflege sowie die Haut- und Gesichtspflege – Bereiche, in denen die Apotheken schon immer aktiv sind. Ähnlich die Zahnpflege: Ein Milliardengeschäft und von traditionellem Interesse für die Apotheke.

Von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung sind Deos, Seifen bzw. Syndets sowie Fußpflege, gleichwohl mit Profilierungspotenzial. Als Beispiel seien nur Hochleistungs-Deos genannt, die angesichts des Leidensdrucks etlicher Kunden ihren Namen einigermaßen verdienen.

Vertriebswege

Bei den Vertriebswegen (Abbildung 2) wird jetzt gut die Hälfte des Marktes (51%) von den Drogeriemärkten bestritten; nur vergleichsweise stark ist noch der Fachhandel (i.e. Parfümerien, Bodyshops). Um den Rest balgt sich der (Lebensmittel-)Einzelhandel – und die Apotheken, welche an dieser Stelle mit gerade einmal 4% unter "ferner liefen" geführt werden, im Grunde ein Trauerspiel.

Andererseits weist unsere ABDA das Körperpflegesortiment mit 987 Mio. € netto aus, was immerhin einem Anteil von 8,6% entsprechen würde; das zum Thema Daten und ihre Quellen. Ursächlich für diese Differenzen dürften u.a. auch von Pharmafirmen angebotene, apothekenexklusive Produkte sein, die gar nicht auf dem "Schirm" des Körperpflegeverbandes auftauchen. Interessant, aber auch nachvollziehbar: Der Versandanteil ist hier mit 4% immer noch gering; im höherpreisigen Kosmetiksegment sieht das schon anders aus.

Starke Wettbewerber

Drogeriemärkte stehen, wenig überraschend, somit im Fokus des Wettbewerbs um die meisten Körperpflegeprodukte. Die Märkte vom Marktführer dm, hierzulande rund 2.070 an der Zahl (weiterhin um knapp 3% pro Jahr steigend), setzten 2021 rund 9,04 Mrd. € brutto um (+5,8%).

Das sind beachtliche 4,37 Mio. € brutto je Standort auf nunmehr durchschnittlich 631 Quadratmetern Ladenfläche mit im Schnitt dort 12.500 verfügbaren Artikelpositionen (alles nach dm Firmenangaben). 3.000 Artikel verteilen sich dabei auf 28 firmenexklusive Eigenmarken, ein nicht unwichtiger Befund.

Rossmann-Märkte bewegen sich um 3 bis 3,5 Mio. € Brutto-Jahresumsatz. Unsere Apotheken nehmen allerdings auch stramm Kurs auf die 4-Mio.-Euro-Marke, ebenfalls brutto wohlgemerkt. Während wir im Schnitt um die 170 Kunden täglich persönlich zu bedienen haben, kommen Drogeriemärkte auf 800 bis gut 1.000 Selbstbedienungskunden. So betrachtet ist die Frage erlaubt, wer von einem entsprechenden Nachbarn mehr profitiert – die Apotheke von einem Drogeriemarkt oder umgekehrt? Und noch wichtiger: Was verliert die Apotheke an eben solchem Randsortiment oder den wenigen freiverkäuflichen Arzneimitteln, was gewinnt sie dagegen schlicht durch die viel höhere Kundenfrequenz solcher Märkte? Solange die Apotheken rechtlich wie heute geschützt sind, dürfte die Antwort klar sein.

Strategische Betrachtungen

Körperpflegeprodukte sind typischerweise breitenwirksam. Fast jeder benötigt diese Produkte meist durchgehend im Jahr. So wird im statistischen Schnitt rund ein Körperpflegeprodukt pro Woche und Kopf der Bevölkerung gekauft; ein OTC-Arzneimittel hingegen nur alle sechs bis sieben Wochen. Die Bedeutung der Breitenwirksamkeit und Größe der Zielgruppe für ein wirksames Marketing kann man gar nicht überschätzen!

Da ist es doch, wenn man überhaupt auf die Anreizwirkung von Preisen setzen mag, viel cleverer, bei der Zahn- und Haarpflege oder ausgewählten Hautpflegemitteln und Deos mit Discountpreisen zu arbeiten, als bei Arzneimitteln. Sie adressieren viel mehr potenzielle Kunden, während Arzneimittel sich eben an gewisse Indikationen richten, die nur einige Prozent betreffen. Die Lockwirkung sollte gerade in Frequenzlagen höher sein. Sie reduzieren zudem die politisch heikle Trivialisierung der Arzneimittel und büßen obenauf nur geringe Stückerträge ein.

Tabelle 1 zeigt, dass trotz erheblich höherer Einkaufspreise im sorgfältig ausgewählten Einzelfall eine erfolgreiche "Kampfkalkulation" möglich ist. Sie müssen ja nicht von z.B. Zahnpastatuben und Deos leben (anders als Drogeriemärkte). Achten Sie aber auf mögliche Kannibalisierungs- und Überlappungseffekte hinsichtlich Ihrer sonstigen Apothekenprodukte. Bleibt abschließend festzustellen: Der Körperpflegemarkt bietet seine Chancen, gern auch mal als preisaktiver Lockvogel.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(15):4-4