Helmut Lehr
Für Kinder, die das 18., aber nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, können Sie als Eltern das Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag beanspruchen, sofern die Sprösslinge für einen Beruf ausgebildet werden. Dazu zählt nicht nur die klassische Lehre, sondern u.a. auch der Besuch einer allgemeinbildenden Schule oder ein Studium.
Da fundierte Fremdsprachenkenntnisse heutzutage in vielen Berufen unerlässlich sind, zumindest aber den Kindern das spätere Vorankommen deutlich erleichtern, sind Sprachaufenthalte im Ausland – meist direkt nach dem Schulabschluss – schon seit vielen Jahren sehr beliebt. Für die Eltern stellt sich dann zwangsläufig die Frage, ob für diese Zeit Anspruch auf Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag besteht.
Dem Grunde nach ist unstrittig, dass Sprachaufenthalte im Ausland zur Berufsausbildung zählen (können). Dies wurde erst kürzlich durch das Bundeszentralamt für Steuern in seiner neugefassten Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA–KG) nochmals ausdrücklich klargestellt (Schreiben vom 30.6.2022, AZ: St II 2 – S 2280–DA/21/00002). Danach sind Sprachaufenthalte regelmäßig berücksichtigungsfähig, wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen bleibt, sondern Ausbildungsinhalt und -ziel von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben werden.
Diese Vorgaben gelten allgemein als erfüllt, wenn der Sprachaufenthalt im Ausland mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden wird, z.B. dem Besuch einer allgemeinbildenden Schule, eines Colleges oder einer Universität.
Was bei einem Au-pair-Aufenthalt zu beachten ist
In allen anderen Fällen – insbesondere bei Au-pair-Aufenthalten – wird die Zeit als Berufsausbildung nur dann anerkannt, wenn der Auslandsaufenthalt von einem theoretisch systematischen Sprachunterricht in einer Fremdsprache begleitet ist. Nach Ansicht der Finanzverwaltung gilt ein begleitender Sprachunterricht von wöchentlich zehn (Unterrichts-)Stunden als ausreichend. Zum zeitlichen Umfang des Sprachunterrichts zählt allerdings nicht das Leben in der Gastfamilie.
Hinweis: Beträgt der Unterricht weniger als zehn Wochenstunden, wird der Sprachaufenthalt im Ausland von der Finanzverwaltung nur ausnahmsweise anerkannt. Dies setzt voraus, dass der Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung vorgeschrieben ist (vgl. dazu AWA 16/2012). Gleiches gilt, wenn der Aufenthalt der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dient.
Studieren die Kinder im Ausland, gibt es trotz Berufsausbildung kein Kindergeld, sofern der Nachwuchs seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland oder in einem Mitgliedstaat der EU bzw. einem EWR-Staat hat. Kritisch wird es daher, wenn sich die Sprösslinge für längere Zeit in einem "Drittstaat" aufhalten, um zu studieren (vgl. hierzu AWA 03/2015). Die Schweiz hat hier allerdings einen Sonderstatus: Ein Wohnsitz des Kindes dort berechtigt die Eltern zum Bezug von Kindergeld bzw. zur Inanspruchnahme des Kinderfreibetrags.
Hinweis: Nach der aktuellen DA–KG sind Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich haben, zu berücksichtigen, sofern dieser vor dem 01.01.2021 begründet wurde.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2022; 47(18):18-18