Prof. Dr. Reinhard Herzog
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Mit 45 % Anteil an allen Packungen in der Apotheke (nur GKV: 36 %) sind Rx-Fertigarzneimittel in der Minderheit. Nach Umsatz stellen sie, ohne Rezepturpräparate, um 82 % (GKV etwa 70 %). Würde fast die Hälfte der Packungen oder nur das gute Drittel der GKV-Packungen mit 70 % bis 80 % Umsatzanteil Verlust bescheren, woher kommen dann 150.000 € Gewinn? Zumal wir noch margen- und stückertragsschwache Hilfsmittel haben, sowie viel „Krabbelware“ in der Freiwahl für wenige Euro, die kaum die Bretter verdient, auf welchen sie steht. Also müsste jede bessere OTC- oder hochwertigere Freiwahlpackung etliche Euro an echtem Gewinnbeitrag (nicht nur Stückertrag) liefern. Das kann schon bei oberflächlicher Betrachtung nicht aufgehen.
Rezepterträge
Wir fokussieren uns hier auf die dominierenden GKV-Rezepte. Privatrezepte weisen auf den ersten Blick wegen der fehlenden Kassenrabatte eine bessere Rendite und höhere Erträge auf. Allerdings ist der Produktmix deutlich anders (u. a. viele Non-Rx-Arzneimittel mit im Vergleich zu Rx niedrigeren Stückerträgen). Privatversicherte sind zudem tendenziell (noch) jünger und gesünder. Die durchschnittlichen Rezeptwerte liegen sogar etwas unter den GKV-Werten. Die Ertragsdifferenzen je Rezept sind also gar nicht mal so hoch.
In Tabelle 1 unten werden einige GKV-Beispielrezepte analysiert. Die Untergrenze markiert ein einzelnes Billig-Generikum (Listen-Einkaufspreis AEP 5,00 € netto). Es resultiert ein Rohertrag von knapp 7,00 €. Wir nehmen einen „sicheren“ Einkaufsrabatt (Skontourteil!) in Höhe von 3,0 % an, bei Hochpreisern ab 1.200 € Herstellerpreis seien es 30 € fest. Nach allen Gebühren, Spannenausgleich, Kontingentartikeln etc. ist dies bereits heute vielfach gar nicht so weit von der Realität entfernt. Zuschläge für Notdienste, pharmazeutische Dienstleistungen und ggf. Betäubungsmittel bleiben außen vor, auch vernachlässigen wir die Rezepturen und insbesondere die verordneten Non-Rx-Produkte, die ja nur wenige Prozent beisteuern (aber eben noch obenauf kommen).
Auf der Kostenseite setzen wir modellhaft realistische 1,00 € je in der Apotheke abgesetzte Packung für den Handling- und Logistikaufwand an (PKA-Bereich), und 2,00 € für den gesamten sonstigen (Sach-)Betriebsaufwand inklusive Kapitalkosten. Zu guter Letzt bleibt der größte Posten, nämlich der konkret einer Verordnung zuzuordnende Personalaufwand im Handverkauf und ggf. für die Nachkontrolle.
Wir gehen, durch praktische Erhebungen gestützt, von einem Grundaufwand von 6 Minuten je Rezept aus, zuzüglich eine Minute je verordnete Packung (für ein Rezept mit drei Positionen also 9 Minuten). Dieser Ansatz ist realistisch, wenn man Nachkontrollen, Nachfragen in Praxen, Nachlieferaufwand usw. mit einbezieht. Die reinen Rezepte „vorne“ gehen gern schneller. Mehr als 10, allenfalls 12 „problemlose“ Rezeptkunden setzt man dort aber auch nicht durch. Bei 0,75 € je Minute (Mix aus Approbierten und PTA) kommen wir auf Beträge von 5,00 € aufwärts je Rezept für das Bedienpersonal. Weiterhin rechnen wir mit Vorfinanzierungskosten von 1,0 % (also für etwa vier Wochen bei 12 % Jahreszins), bedeutsam bei teuren Präparaten. Hier fallen im Einzelfall niedrigere (gar keine?) Aufwendungen an.
Was bleibt übrig?
Welche Gewinnbeiträge liefern nun die Verordnungen? Eine Billig-Verordnung schreibt tatsächlich „rote Zahlen“. Stehen die durchschnittlichen 1,4 Rx-Packungen zu je 50,00 € Einkaufswert auf dem Rezept, sind wir bereits deutlich im Plus. Sehr rentabel, gerade prozentual, sind Chroniker-Rezepte mit drei Generika-Positionen. Hochpreiser rentieren, trotz Vorfinanzierungskosten, in Euro ebenfalls, prozentual ist die Marge schmal. Abbildung 1 zeigt eine Gewinn-Matrix absolut und prozentual für GKV-Rezepte in 2024 (Kassenrabatt 2,00 € brutto je Rx-Pckg., Einkaufsrabatt Rx 3,0 %, Randbedingungen ansonsten wie in der Tabelle).
Abb. 1: Rezeptgewinne je nach Anzahl Rx-Packungen und Packungspreis
Aufgetragen sind die Packungswerte (zu AEP netto) gegenüber der statistischen Packungsanzahl je Rezept. Der „rote Bereich“ ist schmal. Allerdings liegen die prozentualen Renditen oft nur im Bereich um 4 % bis 6 %, mit besseren Einkaufsrabatten vielleicht 1 %, mal 2 % höher, und damit nahe an den Apothekengewinnmargen insgesamt. Das OTC-Geschäft vermag diese im Gefolge mangelnder Deckungsbeiträge kaum zu heben, abgesehen von barverkaufsstarken Lagen.
Auslaufmodell Rezeptertrag?
Nunmehr stellen sich neue Herausforderungen. Das E-Rezept ist im Grunde kein wie bisher fest verbundenes Rezept, sondern besteht aus Einzelverordnungen, die in unterschiedlichen Apotheken eingelöst werden können. Auch wenn sich das noch wenig herumgesprochen hat, so wird die Splittung zunehmen. Tatsächlich könnten Patienten die Akut-Packung in der Vor-Ort-Apotheke holen und die später benötigten Chroniker-Großpackungen im Versand ordern, oder eben in einer anderen Apotheke. „Rezeptwerte“ und „Rezepterträge“ büßen ihre Bedeutung ein. Der Wert und Ertrag der einzelnen Verordnung („Zeile“) werden die relevanten Größen.
Darin liegt eine große Gefahr. Wie gesehen, sind Rezepte mit mehreren Rx-Positionen die Cash Cow. Der Grenz-Stückertrag für eine einzelne Rx-Packung liegt um 8,00 € oder etwas höher, ab welchem die Gewinnzone erreicht wird, zumindest bei den aufwändigeren GKV-Verordnungen. Mit Billigst-Generika ist das nicht zu schaffen. Erst ab Einkaufswerten von gut 30 € erzielt man langsam Gewinne, wobei die individuell erzielbaren Nachlässe die Grenzen etwas verschieben können. Rx-Packungen ab 30 € zum AEP machen nur knapp 20 % nach Stückzahlen aus. Das bedeutet praktisch: Geben Sie E-Rezepte nicht leichtfertig aus der Hand, und treten Sie die Möglichkeit der Splittung nicht zu breit!
Fazit
Rezepte bleiben der Ertragsbringer – sofern genug „draufsteht“. Die Splittung durch das E-Rezept ist eine noch unterschätzte Herausforderung. Wie eine irgendwann mal reibungslos funktionierende digitale Verordnungs-Prozesskette Gewinnpotenziale heben kann, wird eine der spannendsten Fragen.
Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2024; 49(07):4-4