Ein historischer Streifzug

Einkommen gestern und heute


Prof. Dr. Reinhard Herzog

„Früher war alles besser“ – das hört man ja nicht selten. Wie stellen sich Inhaber einer Apotheke heute im Vergleich zu früheren Jahren? Wie sieht das im Verhältnis zur allgemeinen Lohnentwicklung aus? Ein Streifzug durch die letzten gut fünf Jahrzehnte.

Die Einkommensentwicklung von Apothekeninhabern:
Prof. Reinhard Herzog konstatiert eine absteigende Tendenz mit Ausnahmen
(AdobeStock_oksix)

Wir starten im Jahre 1970. Deutschland war noch für lange Zeit geteilt, der Vietnamkrieg tobte. Willy Brandt war gerade Bundeskanzler geworden. Der Nachkriegs-Wachstumsboom bekam erste Schrammen. Die Inflation begann zu entgleiten, um etliche Jahre über der 5 %-Marke zu verharren.

Ein Mercedes 250 kostete ab etwa 15.000 Deutsche Mark (DM), ein 280 SE war für rund 20.000 DM aufwärts zu haben, ein BMW 2500 ab etwa 16.000 DM. Das waren Autos, die in Reichweite eines durchschnittlich erfolgreichen Apothekeninhabers lagen. Apotheken machten im Schnitt um die 800.000 DM bis 900.000 DM Umsatz, die Spanne betrug an die 40 %. Der Kostensatz lag zwar weit über 20 %, es blieb dennoch eine hoch einstellige, typischerweise deutlich zweistellige Rendite.

Das waren dann 80.000 DM, 90.000 DM und nicht selten bereits sechsstellige Bruttoeinkommen. Der durchschnittliche Angestellten-Bruttojahreslohn in Deutschland ohne Arbeitgeber-Sozialnebenkosten betrug 14.000 DM oder 7.100 Euro. Der Spitzensteuersatz lag bei 53 % (ab 110.040 DM, ledig). Selbst nicht allzu gewiefte Apothekeninhaber verdienten somit gut das Fünf- bis Sechsfache eines normalen Arbeitnehmers, typischerweise eher das Sieben- bis Achtfache. Von „Kostendämpfung“ und Gesundheitsreformen war noch keine Spur, doch nahm die Zahl der Apotheken stark zu, um vier- bis fünfhundert pro Jahr.

 

Abb. 1: Apotheken seit 1970: Umsätze je Betrieb, Spannen, Renditen

1990 – „Wendejahr“

Wir machen einen Zeitsprung. In den 1970er und 1980er Jahren legten die Branchenumsätze auf das 3,5-Fache zu, um 1990 bei rund 17 Milliarden Euro zu landen. Von 1970 bis 1990 nahm auch die Zahl der Apotheken (West) um beinahe 60 % zu, der wachsende Kuchen musste also geteilt werden. Die deutsche Einheit stand an, und es galt den „wilden Osten“ apothekenmäßig zu erschließen.

2 Millionen Mark Umsatz waren die Marke, welche den Eintritt in die höheren Apothekenkreise markierte, der Durchschnitt lag bei knapp 1,7 Mio. DM. Eine Drei-Millionen-Mark-Apotheke war schon exquisit, heute schaut man auf 1,5 Millionen Euro spöttisch herab. Die Spannen waren in den 1970er- und vor allem in den 1980er-Jahren spürbar gesunken, bewegten sich aber aus heutiger Sicht komfortabel deutlich über 30 %. Zweistellige Gewinnrenditen waren noch möglich, wurden aber von einer zunehmenden Zahl nicht mehr erreicht. Wer jedoch einigermaßen wirtschaftete, war mit 150.000 DM bis 200.000 DM brutto dabei.

Der Abstand zu „Otto-Normalverbraucher“ war weiter beträchtlich, verringerte sich aber bereits gegenüber den 1970er Jahren. Der durchschnittliche Arbeitnehmer-Bruttojahreslohn lag bei gut 40.000 DM. Das Wort „Kostendämpfung“ war nun in der Politik angekommen. Kassenrabatte, Einschnitte in die „Arzneitaxe“, die aufkommenden Generika, billiger und damals bei der prozentualen Zuschlagslogik weniger ertragreich, prägten das Apothekengeschehen dieser Jahre bis zur deutschen Einheit. Ach ja, ein Mercedes 230 E war ab 45.000 DM zu haben, ein 300 SE ab 70.000 DM, ein BMW 525i ab 50.000 DM. Die S-Klasse war damit dem Durchschnitts-Apothekeninhaber schon weiter entrückt als 1970.

2005 – alles ist anders

Wir machen einen weiteren Zeitsprung. Das Land ächzte unter fünf Millionen Arbeitslosen. Der Euro hatte 2002 Einzug gehalten. Deutschland war der „kranke Mann Europas“, „Hartz IV“ startete, Ulla Schmidt war Gesundheitsministerin. Anfang 2005 waren Kombimodell, der Versandhandel, die OTC-Preisfreigabe und die Option zur Filialisierung bereits ein Jahr alt. Der „wilde Osten“ war kräftig „aufgemischt“ worden, mehrheitlich von westlichen Kollegen. Makler liefen nach wie vor zur Hochform auf, die Apothekenzahlen stiegen noch. Einkaufscenter waren weiterhin ein großes Thema.

Die Spannen der Apotheken hatten deutlich Federn gelassen (∅ noch um 28 %), demzufolge die Gewinnrendite regelhaft einstellig wurde, von Sonderlagen abgesehen. 7 %, 8 % oder etwas mehr waren die Messlatten. Die Umsätze waren jedoch unverdrossen weiter gestiegen (Branchenumsatz 35 Mrd. €, Durchschnittsumsatz einer Apotheke gut 1,6 Mio. €). Die Ära der Hochpreiser und „Biologicals“ mit ihren Antikörpern hatte längst begonnen, ebenso neue Geschäftsmodelle wie u. a. die „Zytostatika-Apotheken“. 100.000 € bis 120.000 € waren nun übliche Bruttogewinne, bei einem Arbeitnehmerlohn von 27.000 €. Der Vorsprung schrumpft weiter.

Ein E-Klasse-Mercedes oder 5er-BMW starten ab etwa 36.000 €, eine S-Klasse ab 65.000 €. Viele sehen sich eher nach VW um. Aber es beginnt auch manch Filial-Story und das Zeitalter der „Familien-Clans“, etliche mit dem Ziel „local hero“.

 

Abb. 2: Durchschnittlicher Apothekengewinn vs. allgemeine Lohnentwicklung

Im Hier und Jetzt

2024 dürfte der Branchenumsatz bei rund 70 Mrd. € ankommen, die statistische Durchschnittsapotheke bei 4,1 Mio. €. Angesichts der vielen Spezialumsätze (vor allem Parenteralia) bleibt der „klassischen“ Apotheke aber deutlich weniger, es dürften 3,6 bis 3,7 Mio. € sein.

Die Gewinnrendite ist nunmehr niedrig einstellig (gut 4 %), sodass ein „normales“ Betriebsergebnis sich um 130.000 € bis 170.000 € bewegt. „Otto Normalverbraucher“ erhält rund 46.000 €. Das ist zwar immer noch ein spürbarer Abstand, aber er schrumpft weiter. Die Durchschnitts-Apotheke ist in der bürgerlichen Mitte bei überdurchschnittlicher Arbeitsbelastung, Verantwortung und betriebswirtschaftlichen Risiken angekommen.

Allerdings ist es heute möglich, mit drei oder vier gutlaufenden Betrieben zweistellige Millionenumsätze und hoch sechs- bis gar siebenstellige Gewinne zu erzielen, erst recht, wenn man „Spezialsegmente“ bespielt. Das gab es alles in den „goldenen“ 1970er- oder 1980er-Jahren nicht. Dafür entsprach ein Brutto-Jahresgewinn vier Mercedes-S-Klassen, heute noch gut einer …

 

Die offiziellen Zahlen

1.000 € heute entsprachen früher inflationsbereinigt folgenden Werten:

1970: 233 €     1990: 498 €     2005: 673 €

Oder umgekehrt: 100 DM (51,13 €) aus 1970 entsprechen heute (Anfang 2025) rund 220 €.

Prof. Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2025; 50(05):4-4