Wie Apotheken mit Lieferengpässen umgehen

Lieferengpässe sind gerade das Thema Nummer 1 in Apotheken! Wie das Team von Miriam Oster in der Columbus-Apotheke (Oberursel) und Alexander Apotheke (Frankfurt) dennoch Tag für Tag pragmatische Lösungen für die Kunden findet, das verrät sie uns in diesem Beitrag.

Das Lachen lässt sich Miriam Oster auch von den anhaltenden Lieferengpässen nicht verderben – da setzt sie lieber alle Hebel in Bewegung, um ihre Kunden doch irgendwie zufriedenzustellen. (© privat)

Ibuprofensaft-Herstellung in der Rezeptur, Beschaffung als Fertigarzneimittel aus der Ukraine – das sind Szenarien, die vor Kurzem noch undenkbar waren. Und nur zwei Beispiele aus hunderten nicht lieferbaren Medikamenten.

Aus Apothekensicht sind Lieferengpässe – wenn auch nicht mit solcher Wucht – schon seit Jahren bekannt. Dass die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine unser schon lange kaputtgespartes Gesundheitssystem an den Rand des Kollaps bringen würde, war ehrlich gesagt vorhersehbar. Und ist jetzt auch für die Bevölkerung deutlich spürbar. Spürbar und daher auch medial präsent.

Festbeträge (nur!) auf Kinderarzneimittel abzuschaffen, mag eine medienwirksame Maßnahme der Politik sein und ist immerhin besser als nichts. Aber es ist weit entfernt von einer Preis- und Vertrags- Ausgestaltung, die Hersteller dazu motivieren könnte, wieder in der nötigen Breite Arzneimittel nach Deutschland bzw. in die EU zu liefern – oder gar dort herzustellen.

Nicht jammern, nicht hamstern – selbst aktiv werden!

Aus den eigenen Reihen wird gerne empfohlen: Erstens am besten nichts zu tun. Bloß keine Ware "hamstern"! Und zweitens vor der Kundschaft jammern: "Wir armen Apotheken können zurzeit 300 Medikamente nicht liefern." So auf Instagram von einer Apotheke veröffentlicht – mit dem "überraschenden" Ergebnis: kein like!

Selbstverständlich muss sich etwas ändern, und unsere Standesvertretungen sind gefragt, bei den richtigen Stellen effektive Lobbyarbeit zu leisten. Aber vor Ort hilft nur – wie im richtigen Leben – selbst aktiv werden und etwas zu tun. Nämlich das Mögliche! Und pragmatische Lösungen suchen, um den Kunden zu helfen.

Steckt insofern in der Krise auch eine echte Chance für die Apotheken vor Ort? Unbedingt! Wir Apotheker sind eingetragene Kaufmänner und Kauffrauen, und sollten mit Köpfchen unser Warenlager ausweiten. Es gilt, vorausschauend und proaktiv zu arbeiten – und ein wenig Unternehmermut gehört auf jeden Fall auch dazu.

Konkrete Beispiele aus der Apothekenpraxis

Hier ein kleiner Auszug von Maßnahmen, wie das Team in unseren beiden Apotheken mit den Lieferengpässen umgeht, um das Bestmögliche für unsere Kunden zu erreichen:

  • "Lieber Kunde: Weil Sie dieses Medikament regelmäßig einnehmen müssen, nehmen wir es selbstverständlich für Sie an Lager!"
  • Wenn der vom Kunden gewünschte Hustensaft nicht lieferbar ist, empfehlen wir eben eine passende Alternative, weil wir uns auch im OTC-Bereich bereits entsprechend bevorratet haben.
  • Und wenn das verschriebene Medikament weder lieferbar ist und noch eine Alternative zum Austausch zur Verfügung steht, dann suchen und finden wir zusammen mit der Arztpraxis eine gute Lösung.
  • Unser Backoffice steigt richtig tief in die Arbeit an einem gut geführten Lager ein.
  • Und das Team im HV arbeitet daran mit. Nachlieferungen werden in Anwesenheit des Kunden direkt online beim Großhandel bestellt. "Ich bestelle sofort für Sie, damit wir ganz sicher gehen, dass Sie versorgt werden!"
  • Wir bitten die Kinderarztpraxis, Rezepturen zu verordnen, wo kein Fertigarzneimittel zur Verfügung steht.
  • Arztpraxen rufen an, welche Antibiotika gerade lieferbar sind, schon bevor sie verordnen.

 

Wachsende Wertschätzung als Nebeneffekt

So entsteht ganz nebenbei auch eine stärkere Vernetzung und größere gegenseitige Wertschätzung zwischen Apotheke und Arztpraxis. Und auch im Team wird der Zusammenhalt spürbar größer, weil das Bewusstsein für die Leistung und Extrameilen der anderen wächst – zum Beispiel, dass…

  • es noch nie wichtiger war, dass gut organisierte PKAs das Lager lieferfähig halten – so gut es in diesen Zeiten eben geht,
  • PTAs die Herausforderung annehmen herzustellen, was es nicht mehr als Fertigarzneimittel gibt und
  • der Botendienst, wenn alles schon erledigt zu sein scheint, nochmal ausfährt, weil es gerade so wichtig ist.

 

Wir Apotheker können jetzt zeigen, dass wir bereit sind, unsere Kunden bestmöglich zu versorgen, dafür recherchieren, telefonieren und in den allermeisten Fällen eine gute Lösung finden. "Sie sind meine Rettung!" Wenn man diesen Satz von Kundenseite hört, dann ist das genau die Bestätigung, die wir brauchen, um in herausfordernden Zeiten durchzuhalten und den Kopf nicht hängen zu lassen – auch in Zukunft!

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Miriam Oster

Apothekerin

Inhaberin Columbus-Apotheke (Oberursel) und Alexander Apotheke (Frankfurt) sowie Mitglied im Landesvorstand des Hessischen Apothekerverbandes (HAV)