Obwohl die Inflationsraten inzwischen offiziell zumindest etwas sinken, merkt man in der Praxis davon noch nichts. Höchste Zeit, das Preisniveau dem Umfeld anzupassen, bevor der Zug abgefahren ist!
An die Preise....fertig....los? (© AdobeStock 231295455_ mansong)
Bei allem Zetern und Klagen über eine nicht mehr auskömmliche Honorierung (was darin gipfelt, man lege bei GKV-Rezepten sogar drauf, aber das ist ein anderes Thema ...) – zu einem gewissen, nicht gar so kleinen Teil haben Sie Ihre Ertragsentwicklung auch selbst in der Hand. Eine praktische Begebenheit des Autors hat das Potenzial wieder deutlich gemacht. Geplagt von einer zahm-deutschen Variante von Montezumas Rache, dummerweise auf Auswärtstermin, zwingt es auch unsereins mal auf die andere Seite des Apothekentisches. Ein klassischer Wirkstoff – Loperamid – war schnell identifiziert. „2,64 €, bitte“ schallte es über die Theke. Gern doch, aber wie bitte? Wenn wir ehrlich sind, interessiert es doch hier im wahrsten Sinne des Wortes keinen Allerwertesten, ob da nun 2,64 €, 2,95 € oder auch 3,95 € aufgerufen werden, jedenfalls nicht für ein evident hochwirksames Arzneimittel in solchen Preisregionen. Bei Sonnencreme, auch im Drogeriemarkt nebenan erhältlich, oder „hochpotenten“ Saccharosekügelchen mag es anders aussehen. Doch selbst da – wer schaut wirklich auf den Cent oder kennt überhaupt den gängigen „Marktpreis“?
Preisgestaltung wie eh und je?
Während sich viele Allerwelts-Lebensmittel geradewegs um 50 % und mehr verteuert haben, bisweilen rund verdoppelt, kalkuliert man bei vielen unserer „Thekers“ noch schön nach der „alten Taxe“ mit Aufschlägen von degressiv 68 % bis 30 % auf den Listen-Einkaufspreis. Ist ja bequem im Rechner voreingestellt, und dann kommen so lustige Preise wie „10,03 €“ dabei heraus. Eigene Einkaufsrabatte hübschen den realen Aufschlag noch etwas auf, dennoch wird der Spielraum vielfach nicht ausgeschöpft. Ganz übel wird es, wenn man sich zwar vor grauer Urzeit mal in eigener Preisgestaltung versucht und die Werte schön kundengerecht gerundet hat, aber diese im System als fix hinterlegte Preise nicht an die steigenden Einkaufspreise angleicht. Empfindliche, unbemerkte Ertragsschmälerungen sind die Folge. Das lässt sich im Kassensystem alles „heilen“ bzw. neu einstellen oder gar clever mit Preismodulen automatisieren – nur: Von nichts kommt nichts, Sie müssen sich kümmern!
Wie preisaktiv agiert Ihre Konkurrenz?
„Aber dann laufen mir doch die Kunden davon – der Versandhandel (oder die böse Konkurrenz nebenan) warten doch nur darauf!?“ Nun, bis zu einem gewissen Grad kann das passieren, wobei auch der eigene Standort darüber entscheidet. In einem preissensiblen, kaufkraftschwachen Umfeld wird man eher achtgeben müssen als in einer guten Stadtlage. Nur: Wissen Sie überhaupt, wie preisaktiv Ihre direkte Konkurrenz agiert, wie deren Angebote wirklich aussehen? Konkurrenzbeobachtung ist das A und O! Und der Weg zum Versand ist durchaus weit, wenn es um Akutprodukte geht. Bei Dauerverwender-Artikeln sieht es anders aus, da sollte man genauer hinschauen.
So viel Schwund können Sie sich leisten
Etwas Schwund kann man sich übrigens durchaus leisten – gerade wenn es um wenig ertragsstarke Laufkundschaft und Schnäppchenjäger geht. Die Abbildung illustriert, in Abhängigkeit der Ausgangsmarge (Nettospanne) des jeweiligen Produktes sowie der Preiserhöhung in Prozent, wie viel „Schwund“ an abgesetzten Packungen Sie verkraften können, um noch den gleichen Rohertrag zu haben. Anders als bei Preissenkungen, bei denen Sie einen Mehrabsatz brauchen, aber auch gern nicht einkalkulierte Mehrarbeit haben, sparen Sie hier noch Aufwand zusätzlich ein. Ein Lesebeispiel aus der Grafik: Bei 10 % Preiserhöhung und 40 % bisheriger Nettospanne können Sie auf 20 % des Absatzes verzichten und haben immer noch den gleichen Ertrag in der Kasse (nebst weniger Arbeit). Übertreiben darf man es nicht, aber angesichts der aktuellen Zeiten und ganz anderer Aufschläge rechts und links sollten Sie auch nicht zu ängstlich sein. Sollte der inflationäre Druck tatsächlich abnehmen und gerade die Lebensmittler wieder in öffentlichkeitswirksame Preiskämpfe eintreten, ist das Umfeld für Erhöhungen sicher ungünstiger. Nutzen Sie also jetzt die Zeit und Chancen!
Abb. 1: So viel Absatzeinbuße können Sie sich bei Preiserhöhungen für den gleichen Rohertrag „leisten“.
Quelle: Reinhard Herzog
Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.