Spielen liegt in der Natur höher entwickelter Lebewesen – und bereitet nicht zuletzt auf den Ernstfall vor. Was können wir daraus für die tägliche Praxis lernen?
Lernen Sie bei einer Runde „Mensch-ärgere-dich-nicht“ oder einem Kartenspiel Ihr Gegenüber besser kennen! (© Reinhard Herzog)
Es liegt nicht nur „in vino veritas“, auch im Spiel erkennt man, wie Mitmenschen ticken. Und das wiederum ist wertvoll für das Training der eigenen „negotiation skills“, was sich dann in Verhandlungsgeschick und -erfolg zeigt. Nicht umsonst gibt es Spiele á la „Mensch-ärgere-dich-nicht“ – weil es viele doch tun, und zwar in charakter- und sozialisierungsbedingt unterschiedlicher Weise. Schon ein kleines Spiel wie dieses fördert einiges zutage: Setzen Sie einen Preis (z.B. 10 € oder 20 €, je mehr, je aussagekräftiger) für zwei Mitspieler aus. Bedingung: Die beiden müssen sich einigen, wer welche Summe erhält, sie müssen das Geld also irgendwie aufteilen. Geben Sie der Person, die Sie bevorzugt im Auge haben, den Schein und so die vorläufige Verfügungsgewalt. Das Dumme bei dem Spiel: Kommt keinerlei Einigung zustande, bekommt auch niemand etwas bzw. Sie Ihr Geld zurück.
Nun beobachten Sie sorgfältig!
Sehr konsensorientierte Menschen machen es kurz und bieten gleich „fifty-fifty“ an. Schön – aber wäre so jemand ein Top-Kandidat, um Einkaufs- oder Gehaltsverhandlungen zu führen? Das andere Extrem: Dem Gegenüber wird nur ein Cent angeboten, mit der Begründung: „Besser als gar nichts“. Kommt kein Geschäft zustande, erhält ja niemand auch nur irgendwas. Was sagt das aber über jemanden aus, der so einsteigt? Sie sehen schon – selbst aus solch einfachen Situationen lässt sich schon Interessantes herauslesen, auch wenn man es nicht überbewerten soll. Das führt tiefer in die Spieltheorie, mit Gewinn und Verlust, mit adäquater oder inadäquater Reaktion, mit Glück oder Strategie. Wie gehen Sie beispielsweise mit Angriffen und Konfliktsituationen um? Die Spieltheorie liefert Anhaltspunkte. Prinzipiell ist von Ignorieren bis vernichtender Überreaktion alles denkbar. Insbesondere, wenn die Kräfteverhältnisse nicht völlig auseinanderfallen (also der eine absolut schwach, der andere beinahe unschlagbar dominant ist), hat sich die „Tit-for-Tat“-Strategie in allen Simulationen als am geeignetsten erwiesen: Man reagiert etwa auf gleichem Level, zahlt es gegebenenfalls mit etwa gleicher Münze zurück, stellt sein Licht jedenfalls nicht unter den Scheffel, eskaliert aber auch nicht weiter. Wer absolut dominant ist, kann auf „Overkill“ setzen – wenn er denn wirklich so dominant ist und einen Blick auf das Ende hat. Wer aus einer hoffnungslosen Position agiert, kann nur flüchten – oder muss sich weitaus größer machen, als er ist: „All-in“. Die Natur liefert übrigens dafür genügend Beispiele, aus Jahrmillionen Evolution geboren und sozusagen statistisch optimiert.
Spielen Sie mit Verhandlungspartnern
eine Runde...
Steigen wir tiefer in die Spieltheorie ein, gelangen wir zu ausgefeilten Optimierungs- und Entscheidungsstrategien. Da wird es anspruchsvoll, gerne statistisch-mathematisch, aber auch interessant. Wer etwas Muße hat, z.B. im Nachtdienst, bemühe einmal das Internet und tauche in die eine oder andere Theorie oder (Spiel-)Situation ein, die sich durchaus auf etliche Alltagssituationen übertragen lässt. Vielleicht spielen Sie mit Ihren Verhandlungspartnern erst einmal eine Runde, bevor Sie in die harten Verhandlungen einsteigen? Und vor allem: welches Spiel? Schach, „Mensch-ärgere-dich-nicht“, diverse Kartenspiele, Pokern? Aber vielleicht wollen Sie einfach nur Spaß haben. Eine Spielesammlung gehört insoweit in jeden Apotheken-Pausenraum. Wenn Sie Ihre Mitmenschen so noch besser kennenlernen, umso besser!
Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.