Vom Apotheker zum Unternehmer

Wie man als Inhaber den Sprung vom pharmazeutischen „Malocher“ zum strategischen Unternehmer schafft, war Inhalt des inspirierenden Vortrags von RST-Geschäftsführer Axel Witte auf der INTERPHARM-Online-Veranstaltung „Apotheke & Wirtschaft“. Direkt im Anschluss berichtete der Dresdener Apothekeninhaber Roland Rudolf von seinem persönlichen Ausstieg aus dem Hamsterrad.

Ganz in seinem Element: Axel Witte bei seinem kurzweiligen Vortrag bei "Apotheke & Wirtschaft" am 21. April. (© Moritz Hahn)

60 Wochenstunden Arbeit. Ich kann nicht mehr, mir fehlt es an Personal. Warum bin ich eigentlich Apotheker geworden? Diese und ähnliche Fragen stellen sich nach Erfahrung von Axel Witte von der Essener Steuer- und Wirtschaftsberatung RST zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker. Sie seien im Hamsterrad gefangen, fühlten sich ausgelaugt und die Arbeit werde als monoton empfunden.

In seinem Vortrag auf der Interpharm erläuterte der Berater, wie Inhaber aus dieser Situation herauskommen können, um wieder mehr Zeit für sich zu gewinnen, die sie dann in die Weiterentwicklung ihrer Apotheken stecken können.

Ein zentraler Aspekt dabei ist das Delegieren von Aufgaben: „Kein Dirigent kommt auf die Idee, alle Instrumente selbst spielen zu wollen“, so Witte. Zunächst hätten viele Apothekeninhaber Angst vor einem Kontrollverlust, wenn sie Aufgaben an ihre Mitarbeiter delegieren. Freilich brauche es zunächst Zeit, in die neue Führungsrolle hineinzuwachsen. Ein wichtiger Faktor sei dabei die Mitarbeiterführung. Entscheidend seien heutzutage flache Hierarchien, eine offene Feedbackkultur, Familienfreundlichkeit und gemeinsame Events.

Spezialisierung als Schlüssel

In einem weiteren Schritt sollten die Unternehmer über die inhaltliche Ausrichtung ihrer Apotheken nachdenken. Wichtig sei, innovativ zu sein und Neues zu wagen.  Apotheken sollten sich auf bestimmte Aktivitäten oder Therapiegebiete spezialisieren und somit Alleinstellungsmerkmale schaffen: Das könne die Onkologie ebenso sein wie Diabetes, Hämophilie, Neurologie, Schmerztherapie, HIV oder seltene Erkrankungen. Ebenfalls erfolgversprechend sei eine Spezialisierung auf Senioren, Prävention oder das lukrative Segment Tiergesundheit. Entscheidend sei es, die gesamte Produkt- und Marketingstrategie auf diesen Schwerpunkt hin auszurichten. „Daran muss man arbeiten, das ist Langfrist-Strategie“, so Witte. „Die ist nicht in drei Monaten zu erledigen, da braucht man ein Jahr dafür.“

Nach seinen Erfahrungen geht die Hinwendung vom fleißig arbeitenden zum unternehmerisch denkenden und handelnden Apotheker oftmals mit einem steigenden wirtschaftlichen Erfolg einher. So brächten Laufkunden einen jährlichen Umsatz von etwa 60 Euro, Patienten mit einem höherem Krankheitsbild führten in Apotheken hingegen zu Umsätzen von bis zu 1.500 Euro. Ein Jahresumsatz von bislang 1,5 Millionen Euro könne mit dem richtigen Konzept in den zweistelligen Millionen-Euro-Bereich wachsen.

Mitarbeiter folgen keinem nörgelnden, kränklichen Chef...

Wie der Schritt vom „Malocher“ zum Apotheker-Unternehmer in der Praxis konkret aussehen kann, erläuterte Roland Rudolf direkt im Anschluss an Wittes Vortrag. Der Inhaber der Vital-Apotheke in Dresden und der Adler-Apotheke in Radebeul fühlte sich vor einigen Jahren erschöpft: Er bekam körperliche Probleme, das Leben erschien ihm monoton und grau, an Sonntagabenden trudelten bei ihm die Krankmeldungen seiner Mitarbeiter ein. „Ich reagierte immer nur auf Ereignisse. Ich dachte, das ist normal, wenn man eine Apotheke hat“, so Rudolf. „Ich war im Hamsterrad drin.

Roland Rudolf baute eine Brücke von der Theorie in die Praxis und berichtete sehr persönlich von seinem Ausstieg aus dem Hamsterrad. (© Moritz Hahn)

Bei der Lektüre eines Ratgeberbuches wurde Rudolf klar: „Der schreibt ja über mich!“. Es dämmerte ihm die Erkenntnis, dass er selbst jahrelang sein bester (vor allem pharmazeutischer) Mitarbeiter gewesen war und darüber seine ureigenste Kernaufgabe – Unternehmenslenker zu sein – grob vernachlässigt hatte. Daraufhin beschloss er, sein Leben zu ändern und fing bei sich selber an: Er trieb drei Stunden Sport, legte sein Handy abends zur Seite, ernährte sich gesünder, machte Meditation und änderte seinen Glaubensgrundsatz, immer präsent sein zu müssen. Er war überzeugt, dass die Veränderung bei ihm anfangen müsse. Denn: „Mitarbeiter folgen keinem nörgelnden, kränklichen Chef!“

Stattdessen konzentrierte sich Rudolf fortan auf wirklich unternehmerische Tätigkeiten und arbeitete an einer Vision und Strategie für seine Apotheken. Er übertrug seinen Mitarbeitern zunehmend Aufgaben, führte Feedback-Gespräche und bildete sich weiter. Zudem begann er, die Tätigkeiten in seinen beiden Apotheken in drei Unterkategorien zu unterteilen: Fachkraft-, Manager- und Unternehmer-Aufgaben. Seine Kernaufgabe als Unternehmer sieht er nun darin, den Mitarbeitern Struktur und Orientierung zu geben, Entscheidungen zu treffen und Aufgaben zu delegieren. Um die neuen Routinen auch für sich selbst einzuüben, begann Rudolf damit, jeden Tag eine Fachkraft-Aufgabe abzugeben und regelmäßig auch Manager-Aufgaben zu delegieren.

Wo ist der Chef?

Anfangs habe es bei seinen Mitarbeitern Irritationen gegeben. Sie fragten: Wo ist der Chef? Auch kamen ihm immer wieder grundsätzliche Bedenken, ob er auf dem richtigen Weg sei. Andererseits, so Rudolf, sei im Laufe der Zeit die Motivation der Mitarbeiter gestiegen. Sie hätten zunehmend eigene Ideen eingebracht, schließlich habe er sogar Initiativbewerbungen erhalten. Zudem habe sein persönliches Stresslevel nachgelassen, während er neue Kraft und Lebensfreude gewann.

„Wann sollten sie damit beginnen, das Hamsterrad zu verlassen und Unternehmer zu werden?“, fragt Rudolf und gibt selber die Antwort: „Jetzt, sofort!“

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Thorsten Schüller

Freier Wirtschaftsjournalist
Politikwissenschaftler