Gewinne sind der Antriebsmotor eines liberalen Wirtschaftssystems. Je nachdem, auf welcher Stufe der Wertschöpfungskette man sich befindet, fallen Renditen, Gewinne und Pro-Kopf-Erträge allerdings höchst unterschiedlich aus. Ein auch internationaler Vergleich.
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Beginnen wir mit den Apotheken. Um die 3 Milliarden Euro Gewinn (vor Steuern und eigener sozialer Sicherung) konnten alle Vor-Ort-Apotheken zusammen bislang pro Jahr erwirtschaften, doch zurzeit weist die Tendenz nach unten. Nach ABDA-Angaben standen dem in 2022 rund 159.000 Beschäftigte einschließlich ziemlich genau 14.000 Inhaberinnen und Inhabern gegenüber. In Vollzeitstellen wären das etwa 115.000 Mitarbeitende nebst den 14.000 Eignern (= als Vollzeit Zählende). Das statistische Bundesamt weist demgegenüber für 2021 im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung (Eckzahlen der Gesundheitspersonalrechnung, www.gbe-bund.de/) einen Rekordstand von beachtlichen 255.000 Beschäftigten in Apotheken aus (im Jahr 2000 waren es noch 186.000). Die beträchtliche Differenz lässt sich zum Teil mit Personal erklären, welches in den ABDA-Statistiken nicht auftaucht – Boten, Reinigungskräfte, kaufmännische Kräfte (abseits der PKA) und manche mehr. Dennoch überrascht der Unterschied. Notabene: Insgesamt wurde 2021 erstmals die 6-Millionen-Grenze bei allen Beschäftigten im Gesundheitswesen geknackt, auf Basis der „Köpfe“, nicht der Vollzeitstellen (diese bewegen sich um 4,5 Mio.).
Gehen wir von den ABDA-Zahlen aus
Pro Beschäftigtem mit Inhabern ergibt sich ein Pro-Kopf-Gewinn von etwa 23.000 €. Die kaufmännisch richtige Rechnung muss für die Inhaberinnen und Inhaber aber einen Geschäftsführerlohn in Rechnung stellen, der z.B. in einem Einzelhandelskonzern als Betriebskosten anfallen würde. Nehmen wir überschaubare 90.000 € zu Vollkosten an, reduziert sich die Gewinnsumme der Apotheken auf gut 1,7 Mrd. €. Pro beschäftigtem Mitarbeiter (ohne Inhaber) auf Vollzeitbasis bleiben dann noch rund 15.000 € an erwirtschaftetem Gewinn pro Jahr. Der Pro-Kopf-Umsatz liegt hingegen bei 560.000 € ohne und knapp 500.000 € einschließlich Inhabern. Mit den Daten des statistischen Bundesamtes würden die Werte nochmals deutlich schlechter dastehen. Doch wie sieht es andernorts aus?
Einige auch internationale Vergleiche
Beginnen wir mit den internationalen Rekordhaltern. Apple aus den USA steht da an der Spitze. Rund 2,2 Mio. € Umsatz pro Kopf, um die 30 % EBIT-Marge, um die 600.000 € Gewinn pro Kopf – da kann man nur staunen. Microsoft kommt auf rund 300.000 € Pro-Kopf-Gewinn (und etwa 810.000 € Umsatz). Eine CVS Health, eine 320-Mrd.-Dollar-Company in USA u.a. mit Apothekenketten, kommt auf rund 1 Mio. € Umsatz pro Mitarbeiter. Die EBIT-Marge pendelt dort aber nur um 4 % bis 5 %, in schlechteren Jahren auch bei 2 % bis 3 %. Jeder Mitarbeitende erwirtschaftet damit einen mittleren, fünfstelligen Betrag – nicht schlecht im Vergleich zu den hiesigen Apotheken, aber auch nicht berauschend. Da gibt Big Pharma erwartungsgemäß ganz anders Gas: Gern um die 500.000 € bis 700.000 € Umsatz pro Mitarbeiter (durchaus unseren Apotheken ähnlich), aber eben Renditen zwischen 20 % und 30 %, damit ebenfalls sechsstellige Pro-Kopf-Gewinne, die unseren somit meilenweit davoneilen.
Die börsennotierte Modeschmuckkette Bijou Brigitte brachte es selbst in ihren guten Zeiten vor Corona nur auf rund 110.000 € bis 120.000 € Umsatz pro Kopf (Vollzeit). Bei einem Wareneinsatz von lediglich 21 % bis 22 % (!) blieb trotzdem schön etwas hängen – nämlich rund 13.000 € auf Basis des EBIT, und dies bei überschaubaren rund 300.000 € Umsatz pro Laden. Im Einkauf liegt der Gewinn, das trifft es hier besonders gut! Und es gibt schon zu denken, dass man mit Modeschmuck-Handel eine ähnliche Pro-Kopf-Wertschöpfung erzielt wie mit einer Apotheke. Auch für einen Drogeriemarkt wie dm kann man grob die Verhältnisse errechnen. Auf eine Vollzeitstelle gerechnet sollte der Umsatz bei 250.000 € bis 300.000 € in Deutschland liegen. Ein durchschnittlicher dm-Markt macht hierzulande zwischenzeitlich gut 4 Mio. € Nettoumsatz (auf im Schnitt 630 qm). Die Gewinnmargen kann man hier nur schätzen, da nicht publiziert. Um die 2 % bis 3 % vor Ertragssteuern, aber nach allen operativen und Kapitalkosten, dürften realistisch sein. Damit käme man auf einen Bereich von 5.000 € bis 9.000 € Gewinn pro Mitarbeiter. Zur Fünfstelligkeit dürfte es wohl selbst bei optimistischen Annahmen nicht ganz reichen. Allzu groß ist der Abstand zur typischen Apotheke aber selbst hier nicht.
Viel (viel zu viel?) Arbeit also in den heimischen „Pillenbuden“, aber vergleichsweise wenig Wertschöpfung unter nüchtern-monetären Aspekten. Freiberufler verkaufen allerdings in erster Linie ihre Arbeitskraft, zusammen mit ihren Mitarbeitenden, und werden – fremdbestimmt – für ihre Tätigkeit „honoriert“. Einzelnen gelingt es freilich, zu beachtlichen Einkommen und Wohlstand zu gelangen, wenn sie sich aus der Masse herausheben und Skalierungseffekte z.B. in Filialen heben – und eine gut funktionierende, aber nicht allzu teure Mitarbeiterschaft haben, heute mehr denn je das Kernthema. Hohe und höchste Gewinnrenditen werden freilich an der Spitze der „Nahrungskette“ bzw. Wertschöpfungskette realisiert, die sehr oft im Grundsatz folgender Formel folgen:
Erfolg = Intelligenz x Kapital x Durchsetzungskraft
Intelligenz umfasst dabei vor allem die Innovationsfähigkeit und Forschung, aber auch die intelligente Unternehmensführung. Weiterhin gilt: „Ohne Moos nichts los“, sprich, Kapitalmacht zählt, um sich damit u.a. am Markt durchzusetzen. Auch das ist ja ein ganz entscheidender Punkt – tolle Produkte, hervorragende Innovationsfähigkeit und viel Geld nützen nichts, wenn man die Produkte nicht auf den Markt bekommt, teilweise auch mit robusten Methoden. Betrachten Sie einmal unter diesem Aspekt die erfolgreichsten Firmen der Welt! Aber das sind eben andere Welten. So wie die „freien Berufe“ ihre eigene Welt bilden, wobei die Apotheke traditionell eine Zwitterrolle zwischen Händler bzw. Gewerbebetrieb sowie Heilberufler in hochklassiger Beratungsfunktion einnimmt. Mit allen damit verbundenen Herausforderungen, die teils zum Vorteil, aber bisweilen auch zum Nachteil gereichen.
„Gewinn ist notwendig wie die Luft zum Atmen, aber es wäre schlimm, wenn wir nur wirtschaften würden, um Gewinn zu machen, so wie es schlimm wäre, wenn wir nur leben würden, um zu atmen.“ (Hermann Josef Abs, deutscher Bankier)
„Ein Zyniker ist ein Mensch, der von jedem Ding den Preis und von keinem den Wert kennt.“ (Oscar Wilde)
Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.