Branchenvergleich: Apothekenmargen am unteren Ende

Ein Blick in die offizielle „Richtsatzsammlung“ des Bundesfinanzministeriums zeigt: Kaum eine Handelsbranche erwirtschaftet inzwischen schwächere Rohgewinnsätze und Gewinnmargen wie die Apotheken. Doch ist das die ganze Wahrheit?

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Die Richtsatzsammlung (unter diesem Namen schnell im Internet auffindbar) ist eine jährlich aktualisierte Publikation, welche auf den Erkenntnissen der Finanzbehörden aus den bearbeiteten Steuerfällen aufbaut – und somit eine durchaus spannende Lektüre.

 

Apotheken – die „Margenzwerge“

Die Richtsatzsammlung weist die jeweiligen Spannbreiten der Netto-Handelsspannen mit dem sogenannten „Mittelsatz“ als Schwerpunkt aus. Daneben werden die Reingewinnmargen vor Steuer ausgewiesen, ebenfalls als typische Spannbreite mit einem Schwerpunktwert. Abbildung 1 zeigt einige ausgewählte Handelsbranchen (mehrheitlich Einzelhandel, zum Teil mit einem gewissen Dienstleistungsanteil wie Reparaturen oder handwerklichen Leistungen u.a. bei den Optikern). Außerhalb der Richtsatzbereiche – vor allem nach unten – ist man „auffällig“. Fragen und Prüfungen drohen. Tatsächlich bewegen sich die Apotheken inzwischen im untersten Bereich der erwirtschafteten Rohertragsmargen. Selbst der Lebensmittel-Einzelhandel, von Discountern vielleicht abgesehen, erzielt höhere Werte. Bis weit in die 1990er Jahre lagen die Apotheken noch gut 10 Prozentpunkte höher als heute. Die standeseigenen Publikationen weisen übrigens nochmals deutlich niedrigere Spannen aus – in 2022 nur rund 21,5 % für die „Durchschnitts-Apotheke“ und damit deutlich weniger als der Mittelsatz (25 %) in der Tabelle der Finanzbehörden. Zu den Gründen weiter unten mehr.

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Am Ende zählen nicht nur Margen, sondern absolute Beträge sowie spezifische Kennzahlen. Mit mittlerweile rund 3,5 Mio. € Durchschnittsumsatz zählt die Offizin-Apotheke im Einzelhandelsvergleich, von größeren Lebensmittlern, „Centern“ oder großen Textil- und Elektronikketten abgesehen, zu den umsatzstärksten Betrieben. Noch wichtiger: Unsere typischerweise 55 € bis 70 € Umsatz pro Kundenbesuch (Bonumsatz) erreicht jedenfalls mit „Fast Moving Consumer Goods“ (FMCG) kaum ein Einzelhändler. Unsere niedrige Spanne von 20 % bis 23 % bedeutet trotzdem noch Roherträge im Bereich von 12 € bis 15 € pro Kunde. Da machen manche Einzelhändler kaum mehr Bonumsatz. Und was kann ein Laden mit schönen 50 % Spanne an Gewinn abwerfen, wenn er nur 400.000 € Jahresumsatz macht? Das gehört in einen Vergleich der wirtschaftlichen Lage alles mit hinein. Nichtsdestotrotz erodiert die Rohgewinnbasis der Pharmazeuten bedrohlich, das Brett wird dünner, und das zu drehende Rad immer größer.

 

Und die Gewinne?

Noch spannender wird der Blick auf die Reingewinne vor Steuer. Jene der Apotheken betragen danach 4 % bis 13 % vom Nettoumsatz, mit 8 % als Mittelsatz. Das ist ein gutes Stück weg von den offiziellen Standespublikationen, die mittlerweile nur noch gut 5 % Gewinn ausweisen (letzte Werte von 2022, in 2023 eher weiter sinkend). Während ABDA und Co. die Gewinne aber auf Ebene der Einzelbetriebe ausweisen, darunter ein Viertel Filialen, werden in der Richtsatzsammlung die Apotheken eines Inhabers zusammengefasst und auf Ebene der Steuerfälle ausgewertet. Unrentable Filialen gehen so in etlichen Fällen in (ggf. gewinnstarken) weiteren Apotheken auf und wirken „nur“ umsatzgewichtet gewinnverwässernd. Weiterhin fallen die ermittelten Reingewinne nach Abschluss der Steuerfälle gern etwas höher aus als vom Steuerberater eingereicht, weil die Finanzbehörden nicht immer alles anerkennen. Und es ist kein Geheimnis, dass die Finanzbehörden Gewinne eher höher ansetzen, während die standesnahen Organisationen eher bestrebt sind, die Apotheken etwas ärmer aussehen zu lassen. Auch dürften die Richtsätze der aktuellen Entwicklung etwas hinterherhinken, weil z.B. für die Werte von 2022, publiziert im Spätsommer 2023, sicherlich beileibe noch nicht alle Fälle dieses Steuerjahres abgeschlossen waren. Es gibt also durchaus plausible Gründe für die Differenzen; in ihrer Höhe (immerhin rund 3 Prozentpunkte vom Mittelsatz zu den ABDA-seitig publizierten Gewinnsätzen) erstaunen sie gleichwohl.

In anderen Branchen lacht man dagegen über 5 % oder auch 8 % Gewinn. Nur gilt hier wieder das oben Gesagte. Die großen Spannbreiten deuten ebenfalls darauf hin, dass ein enormes (inverses) Gefälle je nach Betriebsgröße besteht. Kleine Läden machen oftmals noch hohe prozentuale Renditen, absolut in Euro hält sich das aber bei nur einigen hunderttausend Euro Jahresumsatz in Grenzen. Parfümerien und Drogerien mit 30 % und mehr Gewinn setzen keine Millionen um, während die bekannten Drogerieketten, deren Filialumsätze ähnlich denen von Apotheken oder gar etwas darüber liegen, nur niedrig einstellige Gewinnmargen erzielen. Eine ähnliche Situation herrscht bei den Optikern, wobei der Marktführer Fielmann immerhin auch gegen 10 % Vor-Steuer-Rendite, in manchen Jahren sogar mehr, ausweist. Ein kleiner Optiker, der nur zwei oder drei Brillen am Tag verkauft, benötigt freilich erheblich höhere Renditen, und wird trotzdem nicht wirklich reich. Die Apotheken nähern sich hingegen immer mehr Lebensmittlern und Massenhändlern an – Masse zählt, und so gehen auch niedrige prozentuale Renditen in absoluten Beträgen noch auf. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, im Gegenteil.

 

 

Abbildung 1: Rohgewinnsätze ausgewählter Handelsbranchen

Abbildung 2: Reingewinnsätze der Branchen aus Abbildung 1

 

"Geld schafft keinen Erfolg, aber die Freiheit, ihn zu erreichen." (Nelson Mandela, Politiker)

„Ein Unternehmen, das Gewinne macht, ist das sozialste Unternehmen überhaupt: Es erhält Arbeitsplätze und baut neue auf.“ (Jürgen Schrempp, deutscher Topmanager)

 

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Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.