So festgezurrt, wie es scheint, sind viele Punkte des unlängst vorgestellten Referentenentwurfs einer Apothekenreform keinesfalls. So ist wohl bei der Kürzung und Umverteilung des prozentualen Rx-Aufschlags das letzte Wort noch nicht gesprochen. Was wären Alternativen?
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Herunter von 3 % des Rx-Einkaufspreises auf 2 % (mit einem Zwischenschritt von 2,5 %), die gesparten rund 500 Mio. Euro in der Endstufe ab 2026 stattdessen auf den Festzuschlag umverteilen – das macht dann 9,00 € statt 8,35 € heute. Soweit die bekannte Idee. Ob es tatsächlich 500 Mio. Euro werden (was einem Rx-Einkauf von 50 Milliarden Euro entspräche), oder vielleicht nur 475 Mio. oder 510 Mio. – da wird man die Marktentwicklung abwarten müssen. Bei Fortschreibung der bisherigen Trends dürften wir aber in jedem Fall bei deutlich über 45 Milliarden Euro Rx-Einkaufsvolumen zu Listenpreisen oder eben durchaus um 50 Milliarden ab 2026 landen (nur Fertigarzneimittel, ohne Spezialpräparate für die Rezeptur, ohne Impfstoffe und Krankenhausversorgung). Ob es nun die eine oder andere Milliarde mehr oder weniger wird, mag an dieser Stelle auch zweitrangig sein. Betrachten wir ein einfach zu rechnendes Modell: Eben jene 50 Mrd. € Einkauf, aufgeteilt in 20 Mrd. € Hochpreiser und 30 Mrd. € „Normal-Rx“.
Nach heutiger Rechtslage bringen die nicht gedeckelten 3 % Aufschlag 1,5 Mrd. € Rohertrag ein. Kürzt man hier auf 2 %, sind somit 500 Mio. € im „Umverteilungstopf“. Teilt man diese auf 770 bis 780 Millionen Rx-Packungen auf, landet man bei 0,64 € bis 0,65 € mehr je Schachtel. Wer im Schnitt niedrigpreisige Rx-Packungen absetzt, für den bedeutet dieser erhöhte Festzuschlag einen (überschaubaren) Mehrgewinn. Wer überdurchschnittlich teure Packungen absetzt (i.e., mit einem Packungswert zu Einkaufswerten über 65 €), legt mehr oder weniger drauf. Allzu hoch sind die Einbußen aber nicht. Nur verschärft sich das mit steigenden Arzneimittelpreisen über die Jahre – die „Draufleger“ werden mehr und zahlen immer stärker zu, wenn man nicht laufend durch Anpassung des Rx-Festzuschlags gegensteuert.
Was wären Alternativen, die kostenneutral sind? Letzteres scheint ja gesetzt zu sein, verlassen wir also an dieser Stelle die Träume erhöhter Honorare, bzw. bringen diese an anderer Stelle – der grundlegenden Diskussion des Rx-Festzuschlags – ein. Wir haben einige Modelle kurz überschlagen:
1. 5 % kaufmännischer Aufschlag
Dies würde zuerst einmal 1,0 Mrd. € zusätzlichen Ertrag einspielen und hätte den Charme, dass die Apotheken besser an die Preisentwicklung angekoppelt wären. Wenn man es kostenneutral gestalten möchte, müsste man aber im Gegenzug den Rx-Festzuschlag um rund 1,30 € kürzen (!). Da setzt Schnappatmung ein, aber das würde die Kostenneutralität erzwingen. Und dennoch könnte es die bessere Alternative sein – falls nämlich die Preise weiter zunehmen wie bisher, das Festhonorar aber über lange Zeit nicht angepasst wird.
2. 3 % wie bisher plus Hochpreiserdeckel
Wir belassen den 3 %igen Aufschlag wie bisher, ziehen aber für diese prozentuale Komponente einen Hochpreiser-Deckel bei 75 € ein (plus Festzuschlag wie bisher). Das würde geschätzt um die 225 Mio. € freisetzen, wenn wir von 5 Millionen Hochpreiser-Packungen mit einem Herstellerpreis über 1.200 € ausgehen (gesetzliche Krankenkassen und Privatverordnungen). Schlagen wir diese den Apotheken in Form des Festzuschlages zu, bekämen sie dort rund 29 Cent mehr.
Verschärfen wir den Deckel auf 37,50 € (ähnlich Großhandel, Einsparvolumen dann etwa 410 Mio. €), würde der Rx-Festzuschlag sogar auf rund 53 Cent steigen können.
Dieses Modell würde die Diskussion um „überzogene“ Stückerträge im Hochpreissegment entschärfen und den Krankenkassen ein gutes Stück entgegenkommen, obwohl es sich kostenmäßig ja anfangs nichts nimmt. Im Zuge wohl weiter zunehmender Kosten im Hochpreissegment würden die Krankenkassen längerfristig jedoch profitieren, der Effekt verblasst jedoch hinter der allgemeinen Preisdynamik. Die Apotheken könnten da aber nur mitgehen, wenn jedes Risiko von Retaxationen genommen würde (ausgenommen vorsätzliche Betrugsversuche), und zudem Hochpreiser grundsätzlich keine Lagerartikel mehr in der Apotheke sind. Ein weiteres Thema ist dann die unverzügliche und unbürokratische Kostenerstattung (Online-Direktabrechnung!?), auch bei Privatversicherern. Ein Charme dieses Modells wäre, dass diese Hochpreiskategorie auch für den Versand weitaus unattraktiver würde. Mit den heutigen Stückerträgen lohnt sich dagegen fast jedes Päckchen.
3. 3 % wie bisher und gar nichts ändern
Diese Rückfalloption – lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz – sollte immer in der Hinterhand sein. Aber eine Weiterentwicklung ist damit eben auch nicht verbunden.
Gretchenfrage: Was will man überhaupt?
Bevor man in diese Diskussion der Modelle auf politischer Ebene einsteigt, sollte man wissen, wie das große Zukunftsbild aussehen soll. Das Modell des gekürzten Festaufschlags (in die Gegend von 7,00 €) bei erhöhter prozentualer Komponente könnte den Weg zu einem ganz anderen Ansatz ebnen, nämlich der Einführung einer neuen Abgabekategorie: „Verschreibungspflicht durch Arzt oder Apotheker“. Hierunter würde man alle erwiesenermaßen risikobehafteten Arzneistoffe stellen, welche eine persönliche Beratung erfordern und insoweit wieder der Preisbindung, analog zu Rx heute, unterstellt werden. Der etwas niedrigere Rx-Festaufschlag könnte die Brücke dazu ebnen. Für den Kunden würde aus einem Billig-Schmerzmittel für heute rund 2,00 € bis 2,50 € (Listen-Einkaufspreis AEP um 1 €) dann – mit 7,00 € pharmazeutischem Aufschlag plus z.B. nur noch 5 % kaufmännischer Komponente – ein Preis von knapp unter 10 €.
Aber darf ein hochwirksames und mit Risiken behaftetes Arzneimittel das nicht kosten? Verschreibungsfrei ist es doch auch deshalb, um nicht bei den Krankenkassen aufzuschlagen. Dieser Ansatz wirkt der Trivialisierung von OTC-Arzneimitteln entgegen. Rabattschlachten, wie Paracetamol oder abschwellende Nasensprays für 1,00 € oder 1,50 € und solcherlei Dinge mehr wären damit Geschichte.
Es dürften schätzungsweise mindestens 200 bis 300 Millionen OTC-Packungen adressiert sein, welche unter die neue Abgabekategorie fallen könnten. Die Stückerträge heute liegen dort meist sogar sehr deutlich unter 5,00 €. Es ist also ein Rohertragszuwachs im höheren dreistelligen Millionenbereich zu erwarten, selbst wenn man einen Rückgang der Absatzzahlen in einer Größenordnung von 15 % bis 20 % unterstellt. Allein dieser Verbrauchsrückgang könnte sich zu einem guten Teil aus der Reduktion speziell eines übermäßigen Gebrauchs ergeben und insoweit bereits eine gesundheitspolitisch erwünschte Lenkungsfunktion entfalten. Der tiefere Griff in den Geldbeutel weckt regelhaft nämlich auch die Vernunft.
Ein solches neues Konzept braucht jedoch Vorlaufzeit und muss viele Hürden nehmen. In die aktuelle Apothekenreform lässt sich das keinesfalls mehr aufnehmen. Dennoch ist es ein beachtenswerter Ansatz für die mittelfristige Zukunft. Bis das reif ist, macht man jedoch bestimmt keinen Fehler, die heutige Vergütungsstruktur so zu belassen, wie sie ist. Die geplante Umschichtung indes löst wenige Probleme und schafft zahlreiche neue.
„Das Mögliche tun, das Unmögliche lassen, Grenzen anerkennen, aber großzügig auslegen.“ (Franz Josef Strauß)
„Wenn ich ein Stunde Zeit hätte, ein Problem zu lösen, würde ich 55 Minuten damit verbringen, über das Problem nachzudenken, und 5 Minuten mit der Lösung.“ (Albert Einstein)
Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.