Dunkelgrau- und Schwarztöne – bei der ABDA nichts Neues

Das zweite Mal in Folge ein rückläufiger Gewinn, dazu eine erneut sinkende Umsatzrendite und immer mehr Betriebsschließungen: Beim aktuellen DAV-Wirtschaftsforum 2024 in Potsdam wurde schon fast erwartungsgemäß der Abgesang auf die Apothekenbranche angestimmt. Dabei täte eine Differenzierung dringend not, um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und im politischen Berlin wieder als Gesprächspartner auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Eine kommentierende Analyse von AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner.

Schwarzmalerei gehört zweifelsohne zu den Kernkompetenzen der Apotheken-Standesvertretung. 
(© AdobeStock_Dipta)

Der Apothekenwirtschaftsbericht gehört zu den festen Größen auf dem DAV-Wirtschaftsforum. In diesem Jahr war es Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales bei der ABDA, der die Zahlen für das zurückliegende Jahr 2023 präsentierte – wie gewohnt, in Dunkelgrau- und Schwarztönen. Demnach stieg der Umsatz 2023 im Durchschnitt um 6,8% auf 3,443 Mio. € pro Apotheke (netto). Das steuerliche Betriebsergebnis sank hingegen von 160.300 € auf nunmehr 147.900 € – entsprechend einem Rückgang um 7,7% gegenüber dem Vorjahr. Dabei stieg der gesamte Branchenumsatz der Vor-Ort-Apotheken um 3,4% auf ein neues Rekordhoch von 66,36 Mrd.  €. Diese Mehrerlöse wurden jedoch durch einen höheren Wareneinsatz und deutlich gestiegene Kosten mehr als aufgezehrt, sodass unter dem Strich zum zweiten Mal in Folge ein Minus beim Ergebnis steht.

 Als besonders bedenklich stufte Bauer folgende Entwicklungen ein:

  • Die Umsatzrendite sank erneut auf nun noch 4,3% – ein langjähriger Tiefstwert.
  • Ein Drittel der Inhaber (34%) lag mit ihrem Betriebsergebnis unter der Vergütung angestellter Krankenhausapotheker ohne Leitungsverantwortung (75.000 € brutto)
  • Die Zahl der Apotheken ist weiter rückläufig: Zum Ende des 1. Quartals 2024 waren es noch 17.429 Betriebsstätten.

 

Die „Durchschnittsapotheke“ – eine vom Aussterben bedrohte Spezies

So weit, so schlecht. Es ist naheliegend und legitim, dass eine Standesvertretung die notleidenden Betriebe in den Fokus rückt, um Aufmerksamkeit zu generieren. Und es ist Fakt, dass die Zahl der Apotheken, die gerade so über die Runden kommen, in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Diese Entwicklung ist in der Tat bedenklich. Sie ist aber nur die halbe Wahrheit. Und die ist bekanntlich die Zwillingsschwester der ganzen Lüge. Denn zu dieser ganzen Wahrheit gehört auch, dass sich die Anzahl der Apotheken mit Umsatzerlösen über 5 Mio. € seit 2020 beinahe verdoppelt hat (+ 85%)! Insofern wäre es an der Zeit, die Mär von den kollektiv notleidenden Apotheken durch ein ehrlicheres Narrativ zu ersetzen – nämlich dem von einer immer stärkeren Spreizung im Markt: auf der einen Seite die wachsende Zahl wirtschaftlich gefährdeter Betriebe, auf der anderen Seite die genauso wachsende Zahl der Top Performer. Die Mitte dünnt sich immer mehr aus. Damit verliert die Betrachtung der Zahlen für „die Durchschnittsapotheke“, wie von der ABDA seit Jahr und Tag praktiziert, immer mehr an Aussagekraft.

Prof. Dr. Georg Götz zielte bei seinem Vortrag in Potsdam ebenfalls auf die zunehmende Spreizung im Apothekenmarkt und wie man ihr beikommen könnte. Der Volkswirt brachte eine Mengenstaffel ins Spiel, bei der bis zu einer bestimmten Rx-Packungszahl (15.000 Stück) ein höheres Fixum bezahlt würde als jenseits diese Schwelle. Damit könne eine Umverteilung zwischen stärkeren und schwächeren Apotheken erreicht werden, entweder aufkommensneutral oder – ohne Mehrbelastung der umsatzstarken Apotheken – über GKV-Mehrausgaben in Höhe von 310 Mio. € jährlich. Der Vorschlag deckt sich weitgehend mit dem von uns vor knapp einem Jahr im AWA vorgeschlagenen Modell einer gestaffelten Erhöhung des Rx-Festbetrags („Die Gießkanne hat ausgedient“). Erstaunlich daran ist, dass das ökonomische Gutachten von Götz durch die ABDA beauftragt worden war. Und normalerweise gilt der eherne Grundsatz „Geliefert wie bestellt“. Da scheint es in diesem Fall ein kleines Abstimmungsproblem gegeben zu haben …

Sinkende Renditen = weniger Fehlertoleranz

Bedenklich sind die seit Jahren anhaltend sinkenden Margen und Umsatzrenditen der Apotheken: Letztere hatten vor zwanzig  Jahren noch an der 10 %-Schwelle gekratzt – im Laufe der Jahre haben sie sich halbiert. Das bedeutet, dass man als Inhaber heute ein wesentlich größeres (Umsatz-)Rad drehen muss, um sein Ergebnis zu halten. Das liegt nicht nur, aber auch an den immer neuen Anforderungen eines hoffnungslos überregulierten Marktes: Um die wachsenden Nebenkosten für Datenschutz-, Sicherheits- und bald sicher auch Bienenschutz-Beauftragte in Apotheken auszugleichen, braucht es Wachstum im operativen Geschäft. Da sind größere Betriebe mit entsprechenden Skaleneffekten regelhaft klar im Vorteil.

 Durch die sinkenden Umsatzrenditen wird das Geschäftsmodell der Apotheken naturgemäß störanfälliger: Wenn von 100 € Umsatz am Ende des Tages nicht mehr 9 € als Gewinn verbleiben, sondern nur noch 4 €, dann sollte man Fehler besser vermeiden. So ist ein engmaschiges Controlling, verbunden mit einer strikten Kostenkontrolle, für Unternehmen mit einer Umsatzrendite von 8% bis 10% ein „nice to have“, bei einer Rendite unter 5% jedoch überlebenswichtig. Das dürfte denn auch einer der Hauptgründe sein, warum die Zahl der Apothekenneugründungen immer mehr zurückgeht: Jeder Existenzgründer macht in der Anfangsphase Fehler; wenn diese jedoch kaum abgepuffert werden können, dann wirkt das abschreckend.

Durchsichtiger Taschenspielertrick

Wobei auch bei der Betrachtung der Umsatzrenditen Vorsicht geboten ist: Die ABDA listet die Zahl der Einzel-, Haupt- und Filialbetriebe in ihrem Wirtschaftsbericht zwar penibel auf. Wenn es um die Errechnung der Durchschnittsumsätze und -gewinne geht, wirft man aber wieder alle Betriebe in einen Topf. Das ist (zumindest aus ABDA-Sicht) insofern gut, weil die Zahlen dadurch schlechter werden. Aber es ist eben auch hier wieder nur die halbe Wahrheit: Schließlich fällt der (im Vergleich zu Einzelapotheken naturgemäß deutlich niedrigere) Gewinn von Filialen weder den Filialleitern zu, noch wird er auf die Mitarbeiter aufgeteilt, und schon gar nicht löst er sich im Nirwana auf: Vielmehr fließt er on top zum Gewinn der Hauptapotheke (und möglicher weiterer Filialen) in die Taschen des Inhabers. Das sei ihm von Herzen gegönnt, zumal zusätzliche Filialen einen höheren persönlichen Einsatz, mehr Kapitaleinsatz sowie ein höheres unternehmerisches Risiko bedingen.

Die Filialen in der Gewinnbetrachtung den Einzelbetrieben gleichzustellen, ist jedoch ein allzu durchsichtiger Taschenspielertrick. Rechnet man diesen heraus, dann dürfte die Umsatzrendite der „Durchschnittsapotheke“ nach wie vor bei 5% oder sogar noch etwas höher liegen, und nicht nur bei gut 4%. Das mag man immer noch als (zu) niedrig ansehen, aber der Außenstehende (und Politiker?) erkennt angesichts der Zahlentricks die Absicht – und ist möglicherweise verstimmt. Vertrauen und Verständnis für die in der Tat großen Herausforderungen der Apotheken gewinnt man so nicht.

„Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass sich neben der stetig wachsenden Zahl an notleidenden Apotheken die Anzahl der Betriebe mit Umsatzerlösen > 5 Mio. € seit 2020 beinahe verdoppelt hat! Insofern wäre es endlich an der Zeit, die Mär von den kollektiv notleidenden Apotheken durch ein ehrlicheres Narrativ zu ersetzen – nämlich dem von einer immer stärkeren Spreizung im Markt.“

 

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Dr. Hubert Ortner

Biochemiker

Chefredakteur des AWA – APOTHEKE & WIRTSCHAFT
Experte für Handels- und Wirtschaftsthemen