Unlängst publizierte das Statistische Bundesamt die neueste Ausgabe der „Kostenstrukturstatistik im medizinischen Bereich“ für das Abrechnungsjahr 2022 und mit Fokus auf die niedergelassenen Ärzte. Wie weit sind die Erträge der Ärzte den Betriebsergebnissen der Apotheken enteilt?
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Das Statistische Bundesamt veröffentlicht 20 Monate nach Ende des Berichtsjahres auf Basis repräsentativer Stichproben die besagte Analyse zur Einnahmen-, Kosten- und Ertragssituation der niedergelassenen Ärzte. Zum einen werden die wichtigsten Fachgruppen betrachtet, zum anderen nach Art der Praxis, ob Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Die Auswertung ist sowohl in Berichtsform als auch als Excel-Datei auf der Destatis-Website zugänglich.
Traditionell wird dort der sogenannte Reinertrag ausgewiesen. Das ist der Gewinn vor Steuern und persönlicher Vorsorge, auf der Kostenseite bleiben jedoch die Aufwendungen für die Praxisübernahme (also entsprechende Zinsen und steuerliche Abschreibungen) unberücksichtigt. Das macht insoweit alteingesessene, abbezahlte Praxen und junge niedergelassene Praxisinhaber mit betrieblichen Kreditverpflichtungen aus der Übernahme vergleichbarer. Gleichzeitig überschätzt der Reinertrag aber insoweit den tatsächlichen Vor-Steuer-Gewinn.
Ausweislich der jüngsten Analyse der Apotheker- und Ärztebank (Existenzgründungsanalyse Ärzte 2022/2023, basierend auf rund 3.300 durch die Bank begleiteten Existenzgründungen) werden für eine Allgemeinarzt-Einzelpraxis bzw. hausärztliche Internisten im Schnitt 110.000 € an Übernahmepreis fällig, zuzüglich weiterer Kosten für Umbau, Modernisierung oder Starthilfe (Betriebsmittelkredit). Bei Frauenärzten oder der inneren Medizin sind es bereits rund 170.000 € bis 190.000 €, für eine Orthopädie-Praxis waren es im Schnitt der von der Apobank begleiteten Fälle schon stolze 365.000 €. Psychotherapeutenpraxen waren hingegen bereits für 45.000 € Abstandszahlung an die Vorgängerin oder den Vorgänger zu haben. Das bedeutet aber auch: Wer z.B. 150.000 € an Praxisablöse bezahlt hat, dessen Reinertrag wäre um gut 20.000 € jährlich zu reduzieren, um auf den Vor-Steuer-Gewinn zu kommen – wenn man 10 Jahre Abzahlungs- und Abschreibungsdauer sowie marktübliche Zinsen zugrundelegt. Übrigens ist der Eintritt in eine Berufsausübungsgemeinschaft in der gelebten Praxis nicht billiger als die Übernahme einer Einzelpraxis, im Gegenteil.
Umsätze, Kosten, Reinerträge
Doch was setzen nun die Arztpraxen im Schnitt um, und was bleibt an Reinertrag? Abbildung 1 schlüsselt die wichtigsten Fachgruppen für den Fall der Einzelpraxis auf. Sehr viele Ärzte bewegen sich dabei um oder etwas über 200.000 € Reinertrag in 2022. Der Medianwert, welcher die Erträge der Praxen anzahlmäßig in zwei Hälften teilt, liegt dagegen meist noch einmal um 20% bis 30% niedriger. Zum Vergleich: Für 2022 wies die ABDA für die Apotheken einen durchschnittlichen Vor-Steuer-Gewinn von 163.000 € aus, bei welchem etwaige Übernahmeaufwendungen allerdings statistisch berücksichtigt waren. Der den Ärzten vergleichbare „Reinertrag“ läge also um einen überschaubar unteren bis mittleren fünfstelligen Betrag höher. Nicht nur bei den Apotheken, auch bei den Ärzten haben wir eine erhebliche Streubreite hinsichtlich Umsätzen und Patientenzahlen – sowohl innerhalb einer Fachärztegruppe, aber noch mehr fachgruppenspezifisch. Herausstechen tun zum einen die Augenärzte, wobei hier zwischen „konservativen“ Praxen (ohne Tätigkeit als Operateur mit erheblich niedrigeren Umsätzen und Einkommen) und jenen zu unterscheiden ist, in welchem Inhaberin oder Inhaber operative Eingriffe (typischerweise Katarakt-OPs, Einsetzen von Intraokularlinsen) durchführen – mit weitaus höheren Einkünften. Traditionell in einer eigenen Klasse spielen die Radiologen, dies jedoch auch, was Investitionen, Kosten und allgemein das Rad angeht, welches diese drehen. Am unteren Ende der Skala liegen die Psychotherapeuten mit kaum 90.000 € Reinertrag. Da diese hier statistisch auch noch in der Klasse der Neurologen und Psychiater enthalten sind, erscheinen deren Reinertrags-Werte niedriger, als sie de facto sind (nämlich auch bei gut 200.000 €).
Abb. 1: Umsätze, Kosten und Reinerträge der wichtigsten Facharztgruppen in Einzelpraxis (2022, nach Destatis)
Die Arztumsätze rekrutieren sich zu gut 70% aus der gesetzlichen Krankenversicherung, knapp ein Viertel aus Privatpatienten, und einige wenige Prozent aus sonstigen ärztlichen Tätigkeiten wie Gutachten, Tätigkeit im Rettungsdienst u.a.m. Dies gilt aber nur im Schnitt – je nach Facharztgruppe und individuellen Besonderheiten kann die GKV nur die Hälfte der Einnahmen ausmachen, oder über 90 %. Zu guter Letzt: In Berufsausübungsgemeinschaften liegt das Einkommen je Inhaberin oder Inhaber zumeist nicht niedriger, bisweilen eher höher – bei geteilten Kosten und Verantwortung. Es verwundert daher nicht, dass rund ein Drittel der ärztlichen Existenzgründungen auf Gemeinschaftspraxen oder andere Formen der Kooperation entfällt. Hier können die Kolleginnen und Kollegen aus der Apothekerschaft noch einiges lernen: Zusammen sind wir stärker – und tragen weniger Last bei höherer Lebensqualität.
„Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.“ (Arthur Schopenhauer)
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ (Sören Kierkegaard)
Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.