Öffnungszeiten: möglichst viele Kunden
in minimaler Stundenzahl?

Die Reduktion von Öffnungszeiten und die Konzentration der Personalressourcen ist ein allgemein beobachteter Trend – im Einzelhandel, im Handwerk, bei den Arztpraxen sowie auch in den Apotheken. Kühl-strategisches Rechnen schlägt dabei Bauchgefühl.

© Reinhard Herzog 2024 (KI-generiert mit Bing Image Creator)

Ob man die Öffnungszeiten reduziert, entscheidet sich an vielen Punkten. Prinzipiell ist erst einmal zu klären, auf welche Weise man an den Öffnungszeiten drehen möchte: 

  • Reduktion der Randzeiten, also später öffnen bzw. früher schließen,
  • Einführung oder Ausdehnung einer Mittagspause,
  • ganze Tage oder Tagesabschnitte gar nicht mehr bedienen (z.B. Mittwochnachmittag oder Samstag komplett schließen).

 

Die nächste Frage gilt der Konkurrenzsituation. In welchem Maße ist zu befürchten, dass Kunden zu umliegenden Apotheken abwandern? Hierzu sind die Öffnungszeiten, die Entfernungen und die strategischen Lagen (sich ausdrückend in Passantenfrequenzen, Ärzteanbindung, Parkplatzsituation usw.) für die relevanten Konkurrenzapotheken zu betrachten, neben deren Positionierung und Marktstärke. Die Gefahr, Kunden zu verlieren, ist je nach Setting höchst real bis vernachlässigbar gering.

Als nächstes gilt der Blick auf die wirtschaftlichen Zahlen. Was kostet eine Betriebsstunde heute, und welche Roherträge spielen die einzelnen Stunden im Schnitt ein, insbesondere jene, deren Reduktion in Diskussion steht? In die hier in Rede stehenden Kosten gehören die Personalkosten in der jeweiligen Stunde hinein, sowie tatsächlich anfallende Verbrauchskosten (v.a. Energie) und vielleicht noch ein kalkulatorischer Ansatz für „abgenutzte“ Technik, denn selbstredend haben Rechner, Leuchtmittel usw. eine begrenzte Lebensdauer, jede Betriebsstunde kostet insoweit etwas.

Eine Approbiertenstunde ist im Regelfall mit 45 € bis 60 € zu veranschlagen, eine PTA-Stunde etwa zwei Drittel davon, eine PKA-Stunde vielleicht die Hälfte (erinnern Sie sich an die Faustregel: Bruttogehalt mal 16 geteilt durch etwa 1.700 Arbeitsstunden im Jahr = tatsächliche Kosten je geleistete Stunde). Selbst eine Zweier-Mindestbesetzung (Apotheker bzw. Apothekerin plus Assistenz) dürfte kaum nennenswert unter 75 € darstellbar sein. Die Verbrauchskosten dürften meist mit 5 € bis 10 € pro Stunde sehr gut abgegolten sein, ähnlich der Ansatz für den sonstigen Verschleiß. Rund gerechnet beginnt die Schwelle, aber der positive Deckungsbeiträge zu den sonstigen Betriebskosten wie Miete etc. (und irgendwann zum Gewinn) erzielt werden, bei größenordnungsmäßig 100 € Rohertrag je Stunde. Bei üblichen Kundenerträgen von 12 € bis 14 € entspricht dies 7 bis 8 Personen, die Sie mindestens benötigen. In einer Center-Apotheke mit erheblich niedrigeren Bonerträgen sind es gerne auch 10 bis 12 Kunden, im Ärztehaus vielleicht nur 6. Ehrlich gesagt kommt es da auch nicht auf die letzte Kommastelle an, aber die Grobschätzung sollte schon erfolgen.

Zu guter Letzt stellen sich Kapazitätsfragen. Im Idealfall verändert sich Ihre Kundenzahl trotz verkürzter Öffnungszeiten kaum. Das bedeutet aber auch, dass sich die Kunden auf weniger Stunden konzentrieren. Doch wo liegen die Grenzen? Modellhaft geben die Abbildungen 1 bis 3 für verschiedene Apothekentypen erste Fingerzeige. Dargestellt ist die zu erwartende, dauerhaft bewältigbare Kundenzahl pro Stunde und HV-Kraft je nach Zeitbedarf pro Rezeptkunden einerseits (dieser ist regelhaft deutlich höher) und reinem OTC-Kunden andererseits. Diese Zeiten können Sie selbst mit der Stoppuhr ermitteln – dazu sollten Stichproben von einigen Dutzend Kunden ausreichen. Rezeptkunden umfassen auch die „Mischkunden“, welche zusätzlich noch etwas kaufen. Selbstredend benötigen Sie die entsprechenden Kassenplätze.

Wenn Sie also beispielsweise in einer normalen Apotheke (etwa jeder zweite Kunde kommt mit Rezept) für einen Rezeptkunden sechs Minuten ansetzen, für einen reinen OTC-Kunden drei Minuten, dann resultieren rechnerisch 11,3 Kunden je Stunde und Bediener im Handverkauf, die gut bewältigbar sein sollten. Da die Kunden nicht nahtlos kommen sowie gewisse Leer- oder mit Anderweitigem verbrachte Zeiten auch im reinen HV-Betrieb unvermeidbar sind, haben wir mit 85 % Auslastungsgrad gerechnet. Der ermittelte Wert an gut bewältigbaren Kunden je Stunde und HV-Kraft sollte übrigens dann die (offen kommunizierte) Messlatte für die Planungen der Handverkaufs-Kapazitäten sein. Die Unterschiede der „machbaren“ Kunden zwischen den einzelnen Apothekenlagen sind evident und erheblich. Es liegt freilich auch ein gutes Stück weit an Ihnen, ob ein OTC-Verkauf im Schnitt drei oder sechs Minuten benötigt. Das Rezepthandling kann ebenfalls effektiver oder umständlicher erfolgen.

Wenn Sie nun z.B. 60.000 Kunden pro Jahr haben, dann sollten diese sich auf 5.300 reine HV-Stunden (60.000 Kunden geteilt durch 11,3 Kunden pro Stunde) verteilen lassen, was nebenbei 3,0 bis 3,2 Vollzeitstellen entspricht. Mit diesen Werten im Hintergrund, liegt es nun an Ihnen zu entscheiden, auf welche Zahl an Öffnungsstunden im Jahr Sie das aufteilen, und ob Ihre Raum-, Kassen- und Personal-Kapazitäten schon einmal im Grundsatz ausreichen. Weitere Gedanken gelten den Spitzenlast-Zeiten, inwieweit Sie diesen bis zu welchen Grenzen gewappnet sind – damit es nicht heißen muss: „Wegen Überfüllung temporär geschlossen“.

 

Abbildung 1: Mögliche Kundenzahl pro Stunde und HV-Kraft in einer Center-Apotheke; (nur) jeder dritte Kunde soll hier mit einem Rezept erscheinen

Abbildung 2: Mögliche Kundenzahl pro Stunde und HV-Kraft in einer typischen Apotheke; etwa jeder zweite Kunde komme mit einer Verordnung in die Apotheke

Abbildung 3: Mögliche Kundenzahl pro Stunde und HV-Kraft in einer verordnungslastigen Apotheke; 75% der Kunden seien Rezeptkunden, reine OTC-Kunden sind dann die klare Minderheit

 

„Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen. (Lucius Annaeus Seneca))

„Es gibt Diebe, die nicht bestraft werden und einem doch das Kostbarste stehlen: die Zeit.“ (Napoleon)

 

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Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.