Skonto-Urteil – ein weiterer Schritt Richtung Abgrund?

Erst das Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums, jetzt das – nicht ganz unerwartete – Urteil des Bundesgerichtshofs zur (Nicht-)Zulässigkeit von Skonti auf den Bezug von Rx-Arzneimitteln. Die Apotheken gehen gerade durch ein Wechselbad der Gefühle.

© Reinhard Herzog

Um welche Beträge geht es überhaupt? Das Rx-Einkaufsvolumen dürfte, ohne die Spezialpräparate für die Parenteralia-Herstellung, dieses Jahr an die 45 Milliarden Euro liegen. Davon sind allerdings rund 40 % Hochpreiser, die zumindest vom Großhandel typischerweise nicht skontiert werden, sondern nur mit einem Festrabatt unterhalb des gesetzlichen Höchstaufschlags rabattiert werden. Hochpreiser-Direktbestellungen werden dagegen gerne mit Skonto abgegeben, aber auch nicht immer. Vom Restgeschäft unterhalb der Hochpreisgrenze werden zudem gerne noch Kontingentprodukte, Kühlartikel oder Betäubungsmittel u.a.m. abweichend und teils gar nicht rabattiert oder skontiert. Grob gerechnet dürfte nur rund 60 % (oder sogar etwas weniger) des Einkaufsvolumens überhaupt „skontofähiger Rx-Umsatz“ sein. Wir reden also über ein etwa 27 Milliarden Euro schweres, von den Lieferanten für skontofähig erklärtes Einkaufsvolumen. Je Skonto-Prozentpunkt sind das 270 Millionen Euro oder 15.000 Euro je Apotheke. Im Schnitt dürften es wohl nicht mehr als 1,5 % bis 2 % Skonto zusätzlich zum Rabatt sein. Letzterer dürfte bis zur Höhe von 3,05 % auf den Apothekeneinkaufspreis weiterhin ausgereicht werden.

Großhandel mit vielen Stellschrauben

Jeder kennt die Komplexität der Großhandelskonditionen. Zum einen gibt es den Rabatt (der keineswegs immer bis zur Grenze von 3,05 % ausgereizt wird), daneben eben Skonti oder Bonus-Prozentpunkte je nach Umsatz- oder Packungsschwellen, zudem noch weitere Nachlässe je nach Abbuchungsterminen des Großhandels. Überlagert wird dies durch den Handelsspannen-Ausgleich, der gern wieder etliche Zehntelprozentpunkte, teils auch einen ganzen Prozentpunkt wegnimmt. Dazu kommen allerlei Gebühren, Monatsbeiträge für Einkaufskooperationen u.a.m., was ebenfalls die Nachlässe wieder schmälert. Unter dem Strich dürften gar nicht einmal die gesetzlich zulässigen 3,05 % Nachlass über alle Apotheken hinweg betrachtet beim Rx-Großhandelseinkauf zustande kommen oder allenfalls marginal überschritten werden. Im Einzelfall – gern bei umsatzstarken Apotheken – sieht das freilich anders aus.

Die obige Gemengelage illustriert, dass im Grunde der Gesamttopf der Nachlässe gar nicht so sehr tangiert wird. Es wird vor allem umgeschichtet und anders benannt werden müssen. Genossenschaften können höhere Gewinnbeteiligungen ausschütten. Ein Teil lässt sich in das Non-Rx-Geschäft überwälzen. Diverse Rückvergütungen sind eine weitere Option, wie auch die Rückführung etlicher Gebühren des Großhandels . Der Spannenausgleich ist ein weiterer Hebel. Und anderes mehr. Für die durchschnittliche Apotheke könnte es also tatsächlich auf die „rote Null“ hinauslaufen. Heutige Spitzenkonditionen werden sich aber wohl nur schwerlich ohne Beeinträchtigungen in einem neuen System abbilden lassen, aber warten wir es ab. Auf diese Weise würde die ja bisweilen geforderte Umverteilung von groß nach klein indirekt Realität werden, ohne dass sich die Politik damit weiter befassen müsste.

Transparentere Direktbestellungen

Etwas anders sieht es bei den Direktbestellungen aus. Hier bestehen ja, anders als beim Großhandel, nicht diese vielen Stellschrauben auf der Rechnung. Hier dürfte es tatsächlich zu Einbußen kommen. Letztlich fließt damit den Herstellern mehr Geld zu. Inwieweit diese dann industriespezifische Wege der Bonifizierung finden werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls könnte das Rx-Direktgeschäft uninteressanter werden, der Großhandel profitieren.

Nichts wird so heiß gegessen …

Ungeachtet dessen stellen sich einige juristische Fragen. Was wird von dem Urteil überhaupt umfasst (z.B. nur das Direktgeschäft oder auch der Großhandel), und wie eng ist der Begriff Skonto – um das ging es ja – auszulegen? Hier wird man die Urteilsbegründung abwarten müssen (vergleiche den DAZ Online-Artikel von Rechtsanwalt Morton Douglas: „Das BGH-Urteil hat für die einzelne Apotheke erstmal keine unmittelbaren Folgen“, vom 09.02.2024). Ist das Urteil ansonsten noch (aufschiebend?) angreifbar, beispielsweise wettbewerbsrechtlich beim Europäischen Gerichtshof? Hochkonjunktur für Fachjuristen!

In jedem Fall sollte das nun als Aufhänger dienen, zum einen das Eckpunktepapier der geplanten Apothekenreform noch einmal aufzuschnüren und im Zweifel lieber das ganze Vorhaben einstweilen bis zur Wiedervorlage eines grundlegend neuen Konzepts zu beerdigen. Zum anderen steht das Dauerthema Kassenrabatt im Fokus. Sachlogisch wurde dessen Rechtfertigungsgrundlage bereits in der Vergangenheit immer dünner. GKV-Rezepte bescheren den Apotheken einen Kostenaufwand für die Zusatzbürokratie in der Größenordnung von 2 € je Rezept. Der Kassenrabatt schöpfte zudem bislang im Durchschnitt den erhaltenen Rabatt weitestgehend ab. Beides zusammengenommen lässt diesen Abschlag nicht mehr sachgerecht erscheinen, erst recht, wenn die Einkaufsrabatte weiter schwinden sollten.

Am Ende gilt: Der Schock ist erst einmal da. Doch am Ende wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Klar ist aber auch: Besser scheint es einstweilen nicht zu werden. Oder kommt doch noch die Politik ins Spiel? Und für Sie an der Apothekenbasis gilt: Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen und zu voreiligen Unterschriften unter (vor-)eilig herbeigezauberte Konditionenblätter bewegen!

„Augen auf oder Beutel auf!“ (Alte Lebensweisheit)

 „Rabatt ist der nachträgliche Abzug auf einen Aufschlag.“ (Quelle unbekannt)

 

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Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.