Vergleichsweise wenige „Leistungsträger“ (inwieweit sie das sind oder das Geld eher bekommen statt verdienen, sei mal dahingestellt) ernähren große Teile des Staats- und Sozialwesens. Ein Vergleich zur Einordnung der finanziellen Lage im gesellschaftlichen Kontext.
© Reinhard Herzog 2024
Sowohl das Statistische Bundesamt (Lohn- und Einkommensteuer-Statistik, diese hinkt immer einige Jahre hinterher) sowie das Bundesfinanzministerium (Datensammlung zur Steuerpolitik 2024, sehr lesenswert und hierunter leicht zu ergoogeln bzw. direkt auf www.bundesfinanzministerium.de zu finden) bieten interessante Einblicke in die Welt der Einkommen, Steuern und Abgaben. Fortgeschrieben auf das aktuelle Jahr, stellt sich die Einkommensleiter wie in Abbildung 1 detailliert aufgeschlüsselt dar (zudem grafisch auch im Titelbild). Die Einkünfte entsprechen in etwa dem Bruttoeinkommen bzw. Lohn nach ggf. Altersentlastungs- und Alleinerziehenden-Freibeträgen, aber vor Abzug der ganzen Sonderausgaben (Sozialbeiträge!), außergewöhnlichen Belastungen sowie Kinderfreibeträgen. Die Einkünfte liegen insoweit deutlich über dem letztlich zu versteuernden Einkommen und kommen wie gesagt dem Bruttolohn (oder Betriebsergebnis bei Personengesellschaften und Freiberuflern) sehr nahe. Es werden zudem nur die Steuerfälle aufgeschlüsselt. Zusammen Veranlagte gelten hier als ein Einkommen. Im Jahre 2020 lag der Gesamtbetrag der Einkünfte bei 1.860 Mrd. € (worauf 334 Mrd. € Lohn- und Einkommensteuer fällig wurden). Diese Einkünfte dürften in 2024 die 2-Billionen-Grenze spürbar überschreiten. Gut drei Viertel stammen aus nicht-selbstständiger Arbeit.
Abb. 1: Verteilung der Einkünfte nach Perzentilen, hochgerechnet auf 2024
Wo liegen Sie?
Mit rund 37.000 € Jahreseinkünften liegt man bereits ziemlich genau im Median, 50 % liegen darüber, 50 % darunter. Nur noch ein Viertel bringt es auf über 64.000 €, die oberen zehn Prozent beginnen bei etwa 105.000 €. Diese oberen zehn Prozent erbringen bereits knapp 57 % der Lohn- und Einkommensteuer, obwohl sie nur 37 % der Einkünfte auf sich vereinigen. Allein das oberste eine Prozent auf der Einkommensleiter (dazu gehört man ab etwa 284.000 € p.a.) spielt beinahe ein Viertel der Lohn- bzw. Einkommensteuereinnahmen ein! Umgekehrt trägt die untere Hälfte nur zu 6 % dieser Steuerart bei. Der Vollständigkeit halber sei jedoch angefügt, dass z.B. Verbrauchssteuern oder Sozialabgaben auch in dieser unteren Hälfte anfallen.
Und das, obwohl wir gemessen an den 1970er und 1980er Jahren heute deutlich niedrigere Steuersätze haben. Seinerzeit begann die Einkommensteuer mit einem Eingangssatz von 22 % und endete bei 56 %, damals noch ohne Solidaritätszuschlag und wirksam ab rund 130.000 D-Mark (66.500 €) – verbunden jedoch auch mit niedrigeren Sozialbeitragssätzen. Gemäß der statistischen Lohnentwicklung entsprechen 130.000 DM im Jahre 1975 rund 330.000 Euro in aktuellen Werten. Heute beträgt der Eingangssteuersatz hingegen „nur“ 14 % und mündet erst in eine Zone von 42 % (ab 66.700 € bis 277.800 €) und endet darüber hinaus bei 45 % plus ggf. jeweils noch Solidaritätszuschlag. Mitte der 1970er Jahre zahlte man mit 150.000 € zu versteuerndem Einkommen als Lediger darauf insgesamt knapp 52 % Einkommensteuer (verheiratet 47 %), aktuell sind es 35 % bzw. 28 %. Allerdings entsprachen heutige 150.000 € an Lohn um 1975 nur etwa 30.000 € gemäß der Durchschnittslohnentwicklung in den vergangenen 50 Jahren, und darauf bezogen lagen die Steuersätze damals im Schnitt ähnlich hoch wie heute. Bei seinerzeit wirklich hohen Einkommen waren die Steuersätze dagegen empfindlich höher.
In einer weiteren Aufstellung des Statistischen Bundesamtes (noch für 2020) finden wir knapp 30.000 Einkommensmillionäre, gut 100.000 liegen über einer halben Million, und die Grenze von 250.000 € überschreiten immerhin etwas über 400.000 Steuerfälle. Rund 1,5 Millionen Steuerfälle liegen zwischen 125.000 € und 250.000 € - diese Einkommensklasse, in welcher sich viele Freiberufler, Selbstständige und höhere Angestellte bewegen, ist bereits zahlenmäßig gut besetzt. Zwischen 70.000 € und 125.000 € sind es dann aber nochmals erheblich mehr mit 4,7 Millionen Fällen („Mittelstandsbauch“). Diese beiden letztgenannten Klassen sind für Verteilungspolitiker besonders interessant, denn allein hier wird über ein Drittel der Einkünfte erzielt. Es hat daher seinen Grund, warum der Spitzensteuersatz in diesen Regionen oftmals bereits greift.
Vergleiche wie die oben angestellten schaffen ein Bewusstsein, wo man im gesellschaftlichen Kontext steht. Zweifelsohne sollte ein selbstständiger Inhaber mindestens einen angemessenen Unternehmerlohn analog vergleichbarer Angestellter zuzüglich einer risikoadäquaten Verzinsung auf sein eingebrachtes, unternehmerisch arbeitendes Kapital erzielen. So zumindest die betriebswirtschaftliche Theorie. Am Ende zählen aber die Euro und Cent zum Lebensunterhalt – und welche realistische Alternative es überhaupt gäbe. Womit wir wieder beim Einkommensvergleich wären …
„Wer gern verschenkt, von dem ist Reichtum fern, und wer den Reichtum hat, verschenkt nicht gern.“ (aus Persien, Buch Golestan)
„Den größten Reichtum hat, wer arm an Begierden ist.“ (Seneca)
Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.